Bruder, Namens Cornelis, einen jüngern der Adam hieß, und zwei Schwestern. Cornelis war von Jugend auf ein stiller ordentlicher Knabe, Karl aber schon als Kind sehr lebhaften Geistes, voll witziger Einfälle, und täglich allerlei lustige Knabenstreiche übend, die aber nie ins bößartige fielen. Dabei zeigte Karl schnelle Fassungsgabe, hellen Verstand, unermüdliches Streben nach geisti- ger Ausbildung und ein erklärtes Talent für Malerei und Poesie. Tische, Bänke und Wände bedeckte er mit Zeichnungen und allerlei Reimen von seiner Fabrick, auch seine Schreibebücher blieben nicht frei davon, und so beschloßen die Eltern end- lich den viel versprechenden Knaben nach der nahen Stadt Thielt in die lateinische Schule zu bringen. Er machte dort in allem, was ihm gelehrt ward, schnelle und bedeutende Fortschritte, jedoch ohne das Malen und Reimen zu unterlassen. Später- hin schickte man ihn nach Gent, zu einem franzö- sischen Sprachmeister, wo sein in jener Stadt lebender Oheim die Aufsicht über ihn hatte. Dieß war Franz von Mander, der als ein auf Reisen
Bruder, Namens Cornelis, einen jüngern der Adam hieß, und zwei Schweſtern. Cornelis war von Jugend auf ein ſtiller ordentlicher Knabe, Karl aber ſchon als Kind ſehr lebhaften Geiſtes, voll witziger Einfälle, und täglich allerlei luſtige Knabenſtreiche übend, die aber nie ins bößartige fielen. Dabei zeigte Karl ſchnelle Faſſungsgabe, hellen Verſtand, unermüdliches Streben nach geiſti- ger Ausbildung und ein erklärtes Talent für Malerei und Poeſie. Tiſche, Bänke und Wände bedeckte er mit Zeichnungen und allerlei Reimen von ſeiner Fabrick, auch ſeine Schreibebücher blieben nicht frei davon, und ſo beſchloßen die Eltern end- lich den viel verſprechenden Knaben nach der nahen Stadt Thielt in die lateiniſche Schule zu bringen. Er machte dort in allem, was ihm gelehrt ward, ſchnelle und bedeutende Fortſchritte, jedoch ohne das Malen und Reimen zu unterlaſſen. Später- hin ſchickte man ihn nach Gent, zu einem franzö- ſiſchen Sprachmeiſter, wo ſein in jener Stadt lebender Oheim die Aufſicht über ihn hatte. Dieß war Franz von Mander, der als ein auf Reiſen
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[182/0190]
Bruder, Namens Cornelis, einen jüngern der
Adam hieß, und zwei Schweſtern. Cornelis war
von Jugend auf ein ſtiller ordentlicher Knabe, Karl
aber ſchon als Kind ſehr lebhaften Geiſtes, voll
witziger Einfälle, und täglich allerlei luſtige
Knabenſtreiche übend, die aber nie ins bößartige
fielen. Dabei zeigte Karl ſchnelle Faſſungsgabe,
hellen Verſtand, unermüdliches Streben nach geiſti-
ger Ausbildung und ein erklärtes Talent für
Malerei und Poeſie. Tiſche, Bänke und Wände
bedeckte er mit Zeichnungen und allerlei Reimen
von ſeiner Fabrick, auch ſeine Schreibebücher blieben
nicht frei davon, und ſo beſchloßen die Eltern end-
lich den viel verſprechenden Knaben nach der nahen
Stadt Thielt in die lateiniſche Schule zu bringen.
Er machte dort in allem, was ihm gelehrt ward,
ſchnelle und bedeutende Fortſchritte, jedoch ohne
das Malen und Reimen zu unterlaſſen. Später-
hin ſchickte man ihn nach Gent, zu einem franzö-
ſiſchen Sprachmeiſter, wo ſein in jener Stadt
lebender Oheim die Aufſicht über ihn hatte. Dieß
war Franz von Mander, der als ein auf Reiſen
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Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1822, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck02_1822/190>, abgerufen am 29.07.2024.
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