zog. Der Verlust, welchen die Kunst damals erlitt, ist eben so wenig zu berechnen als zu ersetzen, und die Errettung des Einzelnen mitten im allgemeinen Untergange gränzt oft an Wunder. Doch nicht nur verblendete Barbaren, auch Philipp der zweite, König von Spanien, drohte dem ge- schätztesten Kleinod der Stadt Gent. Er streckte den eisernen Arm, der die unglücklichen Niederlande vernichtend beherrschte, nach diesem Wunderbilde aus, um es nach Spanien zu führen, und kaum läßt es sich begreifen, wie allgemeine Bitten und Vorstellungen ihn endlich bewegen konnten davon abzustehen. Er begnügte sich mit einer Kopie von der Hand des besonders auch in Spanien hochberühmten Meisters Michael Coxies von Mecheln. Dieser arbeitete für die damals sehr be- trächtliche Summe von viertausend Gulden mit unermüdlichem Fleiße zwei Jahre lang daran. Die Pracht der Farben mag ihm manche unüberwindliche Schwierigkeit entgegengestellt haben; unter andern verzweifelte er daran, das Blau des Gewandes der heiligen Jungfrau erreichen zu können, und
zog. Der Verluſt, welchen die Kunſt damals erlitt, iſt eben ſo wenig zu berechnen als zu erſetzen, und die Errettung des Einzelnen mitten im allgemeinen Untergange gränzt oft an Wunder. Doch nicht nur verblendete Barbaren, auch Philipp der zweite, König von Spanien, drohte dem ge- ſchätzteſten Kleinod der Stadt Gent. Er ſtreckte den eiſernen Arm, der die unglücklichen Niederlande vernichtend beherrſchte, nach dieſem Wunderbilde aus, um es nach Spanien zu führen, und kaum läßt es ſich begreifen, wie allgemeine Bitten und Vorſtellungen ihn endlich bewegen konnten davon abzuſtehen. Er begnügte ſich mit einer Kopie von der Hand des beſonders auch in Spanien hochberühmten Meiſters Michael Coxies von Mecheln. Dieſer arbeitete für die damals ſehr be- trächtliche Summe von viertauſend Gulden mit unermüdlichem Fleiße zwei Jahre lang daran. Die Pracht der Farben mag ihm manche unüberwindliche Schwierigkeit entgegengeſtellt haben; unter andern verzweifelte er daran, das Blau des Gewandes der heiligen Jungfrau erreichen zu können, und
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[69/0081]
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erlitt, iſt eben ſo wenig zu berechnen als zu
erſetzen, und die Errettung des Einzelnen mitten
im allgemeinen Untergange gränzt oft an Wunder.
Doch nicht nur verblendete Barbaren, auch Philipp
der zweite, König von Spanien, drohte dem ge-
ſchätzteſten Kleinod der Stadt Gent. Er ſtreckte
den eiſernen Arm, der die unglücklichen Niederlande
vernichtend beherrſchte, nach dieſem Wunderbilde
aus, um es nach Spanien zu führen, und kaum
läßt es ſich begreifen, wie allgemeine Bitten und
Vorſtellungen ihn endlich bewegen konnten davon
abzuſtehen. Er begnügte ſich mit einer Kopie
von der Hand des beſonders auch in Spanien
hochberühmten Meiſters Michael Coxies von
Mecheln. Dieſer arbeitete für die damals ſehr be-
trächtliche Summe von viertauſend Gulden mit
unermüdlichem Fleiße zwei Jahre lang daran. Die
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Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1822, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck01_1822/81>, abgerufen am 24.11.2024.
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