"verstorben, darum seines Heils nit zu fürchten "ist. Gott verleih uns sein Gnad, daß wir ihm zu "seiner Zeit seeliglich nachfolgen."
Von Albrecht Dürers vielen uns noch erhaltnen Gemälden, will ich nur eines der allervortrefflich- sten anführen. Die Boissereesche Sammlung be- wahrt dieses herrliche Bild, es zeigt deutlich sowohl alle Vorzüge der Schöpfungen Albrecht Dürers, wie das, was ihnen zur höchsten Vollkommenheit noch abgeht.
Das Bild stellt die Abnahme des Leichnams Christi vom Kreuze dar. Wie wahr, wie schön, und doch mit wie großer Verschiedenheit ist der Ausdruck des nämlichen Schmerzes in den Köpfen und Stellungen der umstehenden Freunde des Er- blaßten, in dem vor Allen von ihm geliebten Jünger Johannes, in den heiligen Frauen, die innig und treu ihn verehrten! Wahrhaft erhaben und herzer- greifend ist die gottergebne Frömmigkeit der Mutter, mitten im tiefsten Seelenleiden ausgedrückt. Die
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„verſtorben, darum ſeines Heils nit zu fürchten „iſt. Gott verleih uns ſein Gnad, daß wir ihm zu „ſeiner Zeit ſeeliglich nachfolgen.“
Von Albrecht Dürers vielen uns noch erhaltnen Gemälden, will ich nur eines der allervortrefflich- ſten anführen. Die Boiſſeréeſche Sammlung be- wahrt dieſes herrliche Bild, es zeigt deutlich ſowohl alle Vorzüge der Schöpfungen Albrecht Dürers, wie das, was ihnen zur höchſten Vollkommenheit noch abgeht.
Das Bild ſtellt die Abnahme des Leichnams Chriſti vom Kreuze dar. Wie wahr, wie ſchön, und doch mit wie großer Verſchiedenheit iſt der Ausdruck des nämlichen Schmerzes in den Köpfen und Stellungen der umſtehenden Freunde des Er- blaßten, in dem vor Allen von ihm geliebten Jünger Johannes, in den heiligen Frauen, die innig und treu ihn verehrten! Wahrhaft erhaben und herzer- greifend iſt die gottergebne Frömmigkeit der Mutter, mitten im tiefſten Seelenleiden ausgedrückt. Die
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„verſtorben, darum ſeines Heils nit zu fürchten
„iſt. Gott verleih uns ſein Gnad, daß wir ihm zu
„ſeiner Zeit ſeeliglich nachfolgen.“
Von Albrecht Dürers vielen uns noch erhaltnen
Gemälden, will ich nur eines der allervortrefflich-
ſten anführen. Die Boiſſeréeſche Sammlung be-
wahrt dieſes herrliche Bild, es zeigt deutlich ſowohl
alle Vorzüge der Schöpfungen Albrecht Dürers,
wie das, was ihnen zur höchſten Vollkommenheit
noch abgeht.
Das Bild ſtellt die Abnahme des Leichnams
Chriſti vom Kreuze dar. Wie wahr, wie ſchön,
und doch mit wie großer Verſchiedenheit iſt der
Ausdruck des nämlichen Schmerzes in den Köpfen
und Stellungen der umſtehenden Freunde des Er-
blaßten, in dem vor Allen von ihm geliebten Jünger
Johannes, in den heiligen Frauen, die innig und
treu ihn verehrten! Wahrhaft erhaben und herzer-
greifend iſt die gottergebne Frömmigkeit der Mutter,
mitten im tiefſten Seelenleiden ausgedrückt. Die
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Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1822, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck01_1822/277>, abgerufen am 06.07.2024.
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