ändern. Man sagt daß funfzehnhundert verschie- dene Gestalten auf dieser Tafel sich entdecken lassen, der Augenschein bekräftigt die Möglichkeit der Behauptung, doch wer vermöchte hier nachzu- zählen!
Dieses Bild ist kaum eine Landschaft zu nennen, es ist die treuste Abbildung des Lebens und der Welt, ihrer Herrlichkeit und Pracht, ihrer Mühe und Arbeit. Dem ungewaffneten Auge kaum sicht- bar stehen die weisen Könige des Morgenlandes im fernsten Hintergrunde, jeder auf seinem Berge, den wunderbaren Stern beobachtend. Sie ziehen herab, sie kommen näher und näher zu Lande, auf Strömen, wir sehen ihren ganzen Weg, ihr ganzes reiches Gefolge. Auf dem Kalvariberg sehen wir sie, wie auch die Legende es erzählt, alle drei, wenn auch auf verschiednen Wegen angelangt, im nämlichen Moment zusammen treffen. Sie erkennen einander, sie erblicken Jerusalem zu ihren Füßen liegen, und eilen nun vereint weiter. Wir sehen sie auf Brücken über breite Ströme ziehen, wir sehen sie bei Herodes einkehren, der ihnen den Weg nach
ändern. Man ſagt daß funfzehnhundert verſchie- dene Geſtalten auf dieſer Tafel ſich entdecken laſſen, der Augenſchein bekräftigt die Möglichkeit der Behauptung, doch wer vermöchte hier nachzu- zählen!
Dieſes Bild iſt kaum eine Landſchaft zu nennen, es iſt die treuſte Abbildung des Lebens und der Welt, ihrer Herrlichkeit und Pracht, ihrer Mühe und Arbeit. Dem ungewaffneten Auge kaum ſicht- bar ſtehen die weiſen Könige des Morgenlandes im fernſten Hintergrunde, jeder auf ſeinem Berge, den wunderbaren Stern beobachtend. Sie ziehen herab, ſie kommen näher und näher zu Lande, auf Strömen, wir ſehen ihren ganzen Weg, ihr ganzes reiches Gefolge. Auf dem Kalvariberg ſehen wir ſie, wie auch die Legende es erzählt, alle drei, wenn auch auf verſchiednen Wegen angelangt, im nämlichen Moment zuſammen treffen. Sie erkennen einander, ſie erblicken Jeruſalem zu ihren Füßen liegen, und eilen nun vereint weiter. Wir ſehen ſie auf Brücken über breite Ströme ziehen, wir ſehen ſie bei Herodes einkehren, der ihnen den Weg nach
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ändern. Man ſagt daß funfzehnhundert verſchie-
dene Geſtalten auf dieſer Tafel ſich entdecken laſſen,
der Augenſchein bekräftigt die Möglichkeit der
Behauptung, doch wer vermöchte hier nachzu-
zählen!
Dieſes Bild iſt kaum eine Landſchaft zu nennen,
es iſt die treuſte Abbildung des Lebens und der
Welt, ihrer Herrlichkeit und Pracht, ihrer Mühe
und Arbeit. Dem ungewaffneten Auge kaum ſicht-
bar ſtehen die weiſen Könige des Morgenlandes
im fernſten Hintergrunde, jeder auf ſeinem Berge,
den wunderbaren Stern beobachtend. Sie ziehen
herab, ſie kommen näher und näher zu Lande, auf
Strömen, wir ſehen ihren ganzen Weg, ihr ganzes
reiches Gefolge. Auf dem Kalvariberg ſehen wir ſie,
wie auch die Legende es erzählt, alle drei, wenn
auch auf verſchiednen Wegen angelangt, im nämlichen
Moment zuſammen treffen. Sie erkennen einander,
ſie erblicken Jeruſalem zu ihren Füßen liegen, und
eilen nun vereint weiter. Wir ſehen ſie auf
Brücken über breite Ströme ziehen, wir ſehen ſie
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Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1822, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck01_1822/192>, abgerufen am 24.11.2024.
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