Schönaich, Christoph Otto von: Die ganze Aesthetik in einer Nuß, oder Neologisches Wörterbuch. [Breslau], 1754.So sonders. Denn ist das was erstaunendes, wennich sage: der Mittag kam heran? Nein! das thut er alle Tage. Die Sonne muß in ein Zim- mer gesperret, und ihr ein Besen in die Hand gegeben werden. Diejenigen Umstände aber, die von weitem hergeholet sind, deren man sich nicht vermuthet, und die eine Art eines Widerspruchs haben, rühren, setzen in Verwunderung, und er- schrecken ganz wundersam. Der Widerspruch be- sonders ist eine der annehmlichsten Zieraten unse- rer heiligen Dichtkunst; und ein Schüler ist oft darinnen noch ein größerer Meister, als ein Pro- fessor: ein Schicksal, das unsere Kunst mit der Liebe gemein hat. Sonnenmeile. Jch will dir, lieber Leser! so "Wenn wird tönen um euch der Pole don- Dörfen wir das Große mit dem Kleinen verglei- vormals
So ſonders. Denn iſt das was erſtaunendes, wennich ſage: der Mittag kam heran? Nein! das thut er alle Tage. Die Sonne muß in ein Zim- mer geſperret, und ihr ein Beſen in die Hand gegeben werden. Diejenigen Umſtaͤnde aber, die von weitem hergeholet ſind, deren man ſich nicht vermuthet, und die eine Art eines Widerſpruchs haben, ruͤhren, ſetzen in Verwunderung, und er- ſchrecken ganz wunderſam. Der Widerſpruch be- ſonders iſt eine der annehmlichſten Zieraten unſe- rer heiligen Dichtkunſt; und ein Schuͤler iſt oft darinnen noch ein groͤßerer Meiſter, als ein Pro- feſſor: ein Schickſal, das unſere Kunſt mit der Liebe gemein hat. Sonnenmeile. Jch will dir, lieber Leſer! ſo “Wenn wird toͤnen um euch der Pole don- Doͤrfen wir das Große mit dem Kleinen verglei- vormals
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So
ſonders. Denn iſt das was erſtaunendes, wenn
ich ſage: der Mittag kam heran? Nein! das
thut er alle Tage. Die Sonne muß in ein Zim-
mer geſperret, und ihr ein Beſen in die Hand
gegeben werden. Diejenigen Umſtaͤnde aber, die
von weitem hergeholet ſind, deren man ſich nicht
vermuthet, und die eine Art eines Widerſpruchs
haben, ruͤhren, ſetzen in Verwunderung, und er-
ſchrecken ganz wunderſam. Der Widerſpruch be-
ſonders iſt eine der annehmlichſten Zieraten unſe-
rer heiligen Dichtkunſt; und ein Schuͤler iſt oft
darinnen noch ein groͤßerer Meiſter, als ein Pro-
feſſor: ein Schickſal, das unſere Kunſt mit der
Liebe gemein hat.
Sonnenmeile. Jch will dir, lieber Leſer! ſo
gleich ſagen, wie viel Erdmeilen eine Sonnen-
meile iſt: ſo bald du mir ſagen wirſt, was eine
Sternenmeile ſey.
“Wenn wird toͤnen um euch der Pole don-
nern; wenn vor euch
“Wird der Geſang der Sphaͤren, in Stim-
men der Meere verwandelt,
“Brauſend vorbeygehn, u. ſchnell die Reyhen
wandelnder Sternen
“Tauſend Sonnenmeilen herauf u. tauſend
hinunter,
“Durch die Unendlichkeit werden erzittern. —
Off. St. Klopſt. 172 S.
Doͤrfen wir das Große mit dem Kleinen verglei-
chen? Uns naͤmlich koͤmmt St. Klopſtocks
Weltchen als ein ungeheurer Garten vor, der
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