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Schoch, Johann Georg: Comoedia Vom Studenten-Leben. Leipzig, 1658.

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im Fall ihr ja nicht mehr Lust zu bleiben gehabt/
geschehen können.
Amandus.
Was Ehren/ Floretto? Jch achte solche
Ehre und Schande/ so man aus Schulen brin-
get/ gleiches Werths. Denn worzu dienen doch
nur solche Kinder-Possen solcher Schulen? Jo
nicht für hohe und unverzagte Gemüther? Sa-
get ihr: Daß es der freyen Künste und Studie-
rers wegen geschehe; Worzu ist einem Politico
und Weltmanne allzu subtilne und genaue Sophi-
sterey von nöthen? Wozu nutzen so dunckele
Schlüsse? Solche zweydeutige/ zweiffelhaffte
uud verführische auffsetze? Schulfüchserey ist
es mit ihnen/ so/ daß einen/ wenn man zu völli-
germ Verstande kommen/ hernacher nichts sehrer/
als die Zeit tauert/ so man in solchen leppischen
Kindersachen verschwendet/ die man doch ander-
weit nützlicher und an höhere Vbungen anlegen
können. Vnd gesetzt/ daß man gleich die gantze
vollkommene Wissenschafft und Schulweißheit
darinne begriffe. Wo bleiben die andern Ge-
schickligkeiten der Sitten und Vbungen des Leibes/
ohne welche die Gaben des Gemüths unvollkom-
men/ ja mehr für einen Vbelstand und Vnerfah-
renheit zu achten? nach dem bekanten Sprichwort:
Qui proficit in literis, & deficit in moribus, plus
deficit, quam proficit.
Wer in Sprachen und Wis-
senschafften zunimbt/ hingegen in euserlichen
Vollkommenheiten dahinden bleibet/ kan sagen/
daß
im Fall ihr ja nicht mehr Luſt zu bleiben gehabt/
geſchehen koͤnnen.
Amandus.
Was Ehren/ Floretto? Jch achte ſolche
Ehre und Schande/ ſo man aus Schulen brin-
get/ gleiches Werths. Denn worzu dienen doch
nur ſolche Kinder-Poſſen ſolcher Schulen? Jo
nicht fuͤr hohe und unverzagte Gemuͤther? Sa-
get ihr: Daß es der freyen Kuͤnſte und Studie-
rers wegen geſchehe; Worzu iſt einem Politico
und Weltmanne allzu ſubtilne und genaue Sophi-
ſterey von noͤthen? Wozu nutzen ſo dunckele
Schluͤſſe? Solche zweydeutige/ zweiffelhaffte
uud verfuͤhriſche auffſetze? Schulfuͤchſerey iſt
es mit ihnen/ ſo/ daß einen/ wenn man zu voͤlli-
germ Verſtande kommen/ hernacher nichts ſehrer/
als die Zeit tauert/ ſo man in ſolchen leppiſchen
Kinderſachen verſchwendet/ die man doch ander-
weit nuͤtzlicher und an hoͤhere Vbungen anlegen
koͤnnen. Vnd geſetzt/ daß man gleich die gantze
vollkommene Wiſſenſchafft und Schulweißheit
darinne begriffe. Wo bleiben die andern Ge-
ſchickligkeiten der Sitten und Vbungen des Leibes/
ohne welche die Gaben des Gemuͤths unvollkom-
men/ ja mehr fuͤr einen Vbelſtand und Vnerfah-
renheit zu achten? nach dem bekanten Sprichwort:
Qui proficit in literis, & deficit in moribus, plus
deficit, quàm proficit.
Wer in Sprachen uñ Wiſ-
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[0013] im Fall ihr ja nicht mehr Luſt zu bleiben gehabt/ geſchehen koͤnnen. Amandus. Was Ehren/ Floretto? Jch achte ſolche Ehre und Schande/ ſo man aus Schulen brin- get/ gleiches Werths. Denn worzu dienen doch nur ſolche Kinder-Poſſen ſolcher Schulen? Jo nicht fuͤr hohe und unverzagte Gemuͤther? Sa- get ihr: Daß es der freyen Kuͤnſte und Studie- rers wegen geſchehe; Worzu iſt einem Politico und Weltmanne allzu ſubtilne und genaue Sophi- ſterey von noͤthen? Wozu nutzen ſo dunckele Schluͤſſe? Solche zweydeutige/ zweiffelhaffte uud verfuͤhriſche auffſetze? Schulfuͤchſerey iſt es mit ihnen/ ſo/ daß einen/ wenn man zu voͤlli- germ Verſtande kommen/ hernacher nichts ſehrer/ als die Zeit tauert/ ſo man in ſolchen leppiſchen Kinderſachen verſchwendet/ die man doch ander- weit nuͤtzlicher und an hoͤhere Vbungen anlegen koͤnnen. Vnd geſetzt/ daß man gleich die gantze vollkommene Wiſſenſchafft und Schulweißheit darinne begriffe. Wo bleiben die andern Ge- ſchickligkeiten der Sitten und Vbungen des Leibes/ ohne welche die Gaben des Gemuͤths unvollkom- men/ ja mehr fuͤr einen Vbelſtand und Vnerfah- renheit zu achten? nach dem bekanten Sprichwort: Qui proficit in literis, & deficit in moribus, plus deficit, quàm proficit. Wer in Sprachen uñ Wiſ- ſenſchafften zunimbt/ hingegen in euſerlichen Vollkommenheiten dahinden bleibet/ kan ſagen/ daß

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Zitationshilfe: Schoch, Johann Georg: Comoedia Vom Studenten-Leben. Leipzig, 1658, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoch_comoedia_1658/13>, abgerufen am 27.04.2024.