Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schnitzler, Arthur: Fräulein Else. Novelle. Berlin u. a., 1924.

Bild:
<< vorherige Seite

die Berge. Lustig wär's, wenn er plötzlich um meine Hand anhielte. - "Es gibt doch auf der Welt keinen schöneren Fleck als diesen hier." - "Finden Sie, Herr von Dorsday? Aber bitte, sagen Sie nicht, daß die Luft hier wie Champagner ist." - "Nein, Fräulein Else, das sage ich erst von zweitausend Metern an. Und hier stehen wir kaum sechzehnhundertfünfzig über dem Meeresspiegel." - "Macht das einen solchen Unterschied?" - "Aber selbstverständlich. Waren Sie schon einmal im Engadin?" - "Nein, noch nie. Also dort ist die Luft wirklich wie Champagner?" - "Man könnte es beinah' sagen. Aber Champagner ist nicht mein Lieblingsgetränk. Ich ziehe diese Gegend vor. Schon wegen der wundervollen Wälder." - Wie langweilig er ist. Merkt er das nicht? Er weiß offenbar nicht recht, was er mit mir reden soll. Mit einer verheirateten Frau wäre es einfacher. Man sagt eine kleine Unanständigkeit und die Konversation geht weiter. "Bleiben Sie noch längere Zeit hier in San Martino, Fräulein Else?" - Idiotisch. Warum schau' ich ihn so kokett an? Und schon lächelt er in der gewissen Weise. Nein, wie dumm die Männer sind. "Das

die Berge. Lustig wär’s, wenn er plötzlich um meine Hand anhielte. – „Es gibt doch auf der Welt keinen schöneren Fleck als diesen hier.“ – „Finden Sie, Herr von Dorsday? Aber bitte, sagen Sie nicht, daß die Luft hier wie Champagner ist.“ – „Nein, Fräulein Else, das sage ich erst von zweitausend Metern an. Und hier stehen wir kaum sechzehnhundertfünfzig über dem Meeresspiegel.“ – „Macht das einen solchen Unterschied?“ – „Aber selbstverständlich. Waren Sie schon einmal im Engadin?“ – „Nein, noch nie. Also dort ist die Luft wirklich wie Champagner?“ – „Man könnte es beinah’ sagen. Aber Champagner ist nicht mein Lieblingsgetränk. Ich ziehe diese Gegend vor. Schon wegen der wundervollen Wälder.“ – Wie langweilig er ist. Merkt er das nicht? Er weiß offenbar nicht recht, was er mit mir reden soll. Mit einer verheirateten Frau wäre es einfacher. Man sagt eine kleine Unanständigkeit und die Konversation geht weiter. „Bleiben Sie noch längere Zeit hier in San Martino, Fräulein Else?“ – Idiotisch. Warum schau’ ich ihn so kokett an? Und schon lächelt er in der gewissen Weise. Nein, wie dumm die Männer sind. „Das

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0041" n="43"/>
die Berge. Lustig wär&#x2019;s, wenn er plötzlich um meine Hand anhielte. &#x2013; <hi rendition="#i">&#x201E;Es gibt doch auf der Welt keinen schöneren Fleck als diesen hier.&#x201C;</hi> &#x2013; &#x201E;Finden Sie, Herr von Dorsday? Aber bitte, sagen Sie nicht, daß die Luft hier wie Champagner ist.&#x201C; &#x2013; <hi rendition="#i">&#x201E;Nein, Fräulein Else, das sage ich erst von zweitausend Metern an. Und hier stehen wir kaum sechzehnhundertfünfzig über dem Meeresspiegel.&#x201C;</hi> &#x2013; &#x201E;Macht das einen solchen Unterschied?&#x201C; &#x2013; <hi rendition="#i">&#x201E;Aber selbstverständlich. Waren Sie schon einmal im Engadin?&#x201C;</hi> &#x2013; &#x201E;Nein, noch nie. Also dort ist die Luft wirklich wie Champagner?&#x201C; &#x2013; <hi rendition="#i">&#x201E;Man könnte es beinah&#x2019; sagen. Aber Champagner ist nicht mein Lieblingsgetränk. Ich ziehe diese Gegend vor. Schon wegen der wundervollen Wälder.&#x201C;</hi> &#x2013; Wie langweilig er ist. Merkt er das nicht? Er weiß offenbar nicht recht, was er mit mir reden soll. Mit einer verheirateten Frau wäre es einfacher. Man sagt eine kleine Unanständigkeit und die Konversation geht weiter. <hi rendition="#i">&#x201E;Bleiben Sie noch längere Zeit hier in San Martino, Fräulein Else?&#x201C;</hi> &#x2013; Idiotisch. Warum schau&#x2019; ich ihn so kokett an? Und schon lächelt er in der gewissen Weise. Nein, wie dumm die Männer sind. &#x201E;Das
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[43/0041] die Berge. Lustig wär’s, wenn er plötzlich um meine Hand anhielte. – „Es gibt doch auf der Welt keinen schöneren Fleck als diesen hier.“ – „Finden Sie, Herr von Dorsday? Aber bitte, sagen Sie nicht, daß die Luft hier wie Champagner ist.“ – „Nein, Fräulein Else, das sage ich erst von zweitausend Metern an. Und hier stehen wir kaum sechzehnhundertfünfzig über dem Meeresspiegel.“ – „Macht das einen solchen Unterschied?“ – „Aber selbstverständlich. Waren Sie schon einmal im Engadin?“ – „Nein, noch nie. Also dort ist die Luft wirklich wie Champagner?“ – „Man könnte es beinah’ sagen. Aber Champagner ist nicht mein Lieblingsgetränk. Ich ziehe diese Gegend vor. Schon wegen der wundervollen Wälder.“ – Wie langweilig er ist. Merkt er das nicht? Er weiß offenbar nicht recht, was er mit mir reden soll. Mit einer verheirateten Frau wäre es einfacher. Man sagt eine kleine Unanständigkeit und die Konversation geht weiter. „Bleiben Sie noch längere Zeit hier in San Martino, Fräulein Else?“ – Idiotisch. Warum schau’ ich ihn so kokett an? Und schon lächelt er in der gewissen Weise. Nein, wie dumm die Männer sind. „Das

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnitzler_else_1924
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnitzler_else_1924/41
Zitationshilfe: Schnitzler, Arthur: Fräulein Else. Novelle. Berlin u. a., 1924, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnitzler_else_1924/41>, abgerufen am 28.03.2024.