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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743.

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Wunde, doch den Arm noch so gut brauchen kön-
te, allein ich sagte ihnen, wie ich gar keine Schmer-
tzen oder besondere Incommoditee dabey verspü-
rete, sondern dieselbe en bagatell aestimirte, in-
dem ich deren weit gefährlichere auf zu zeigen hätte.

Wahrhafftig (sagte des Gouverneurs Ge-
mahlin,) meine Herrn! eure Haut muß von Ble-
che, das Fleisch von Eisen, und die Knochen von
Stahl seyn, wenn ihr dergleichen Blessuren so en
bagatell tractir
et. Der Gouverneur fiel ihr
ins Wort, und sagte zu mir: Nein, meine Herrn!
das ist keine Sache oder Rath, sondern ich werde
euch beyde nicht ehe aus meinem Hause lassen, biß
ihr vollkommen curirt seyd. Wir danckten vor
dessen gütiges Anerbiethen, und bathen uns aus,
nur erstlich den morgenden Tag, wenn es erlaubt
wäre, allhier auf seiner Burg abzuwarten Hierauf
wurde die älteste Fräulein aufgenommen, und er-
innert, daß sie sich in ihr Zimmer begeben solte.
Sie stund demnach auf, und nahm Abschied von
uns. Mein Bruder bezeugte ihr nochmahls seine
hertzliche Compassion, wegen des ihr begegneten
unvermutheten Zufalls, und machte sich so dreuste,
ihr 3. mahl die Hand und 3. mahl den Mund derb
zu küssen, worauf der Gouverneur mit allen den
Seinigen uns eine geruhige Nacht wünschete, und
sich hinunter zu ihren Gästen begaben, mit denen
sie, wie man hörete, noch 2. gute Stunden discou-
rir
ten und becherten. Bald nach ihrem Hinweg-
gehen, kamen 2. alte Matronen und 2. Pagen zu
unserer Bedienung, welche noch ein Compliment
von ihrer Herrschafft brachten, und sagten, daß sie

befeh-

Wunde, doch den Arm noch ſo gut brauchen koͤn-
te, allein ich ſagte ihnen, wie ich gar keine Schmer-
tzen oder beſondere Incommoditee dabey verſpuͤ-
rete, ſondern dieſelbe en bagatell æſtimirte, in-
dem ich deren weit gefaͤhrlichere auf zu zeigen haͤtte.

Wahrhafftig (ſagte des Gouverneurs Ge-
mahlin,) meine Herrn! eure Haut muß von Ble-
che, das Fleiſch von Eiſen, und die Knochen von
Stahl ſeyn, wenn ihr dergleichen Bleſſuren ſo en
bagatell tractir
et. Der Gouverneur fiel ihr
ins Wort, und ſagte zu mir: Nein, meine Herrn!
das iſt keine Sache oder Rath, ſondern ich werde
euch beyde nicht ehe aus meinem Hauſe laſſen, biß
ihr vollkommen curirt ſeyd. Wir danckten vor
deſſen guͤtiges Anerbiethen, und bathen uns aus,
nur erſtlich den morgenden Tag, wenn es erlaubt
waͤre, allhier auf ſeiner Burg abzuwarten Hierauf
wurde die aͤlteſte Fraͤulein aufgenommen, und er-
innert, daß ſie ſich in ihr Zimmer begeben ſolte.
Sie ſtund demnach auf, und nahm Abſchied von
uns. Mein Bruder bezeugte ihr nochmahls ſeine
hertzliche Compaſſion, wegen des ihr begegneten
unvermutheten Zufalls, und machte ſich ſo dreuſte,
ihr 3. mahl die Hand und 3. mahl den Mund derb
zu kuͤſſen, worauf der Gouverneur mit allen den
Seinigen uns eine geruhige Nacht wuͤnſchete, und
ſich hinunter zu ihren Gaͤſten begaben, mit denen
ſie, wie man hoͤrete, noch 2. gute Stunden diſcou-
rir
ten und becherten. Bald nach ihrem Hinweg-
gehen, kamen 2. alte Matronen und 2. Pagen zu
unſerer Bedienung, welche noch ein Compliment
von ihrer Herrſchafft brachten, und ſagten, daß ſie

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[86/0096] Wunde, doch den Arm noch ſo gut brauchen koͤn- te, allein ich ſagte ihnen, wie ich gar keine Schmer- tzen oder beſondere Incommoditee dabey verſpuͤ- rete, ſondern dieſelbe en bagatell æſtimirte, in- dem ich deren weit gefaͤhrlichere auf zu zeigen haͤtte. Wahrhafftig (ſagte des Gouverneurs Ge- mahlin,) meine Herrn! eure Haut muß von Ble- che, das Fleiſch von Eiſen, und die Knochen von Stahl ſeyn, wenn ihr dergleichen Bleſſuren ſo en bagatell tractiret. Der Gouverneur fiel ihr ins Wort, und ſagte zu mir: Nein, meine Herrn! das iſt keine Sache oder Rath, ſondern ich werde euch beyde nicht ehe aus meinem Hauſe laſſen, biß ihr vollkommen curirt ſeyd. Wir danckten vor deſſen guͤtiges Anerbiethen, und bathen uns aus, nur erſtlich den morgenden Tag, wenn es erlaubt waͤre, allhier auf ſeiner Burg abzuwarten Hierauf wurde die aͤlteſte Fraͤulein aufgenommen, und er- innert, daß ſie ſich in ihr Zimmer begeben ſolte. Sie ſtund demnach auf, und nahm Abſchied von uns. Mein Bruder bezeugte ihr nochmahls ſeine hertzliche Compaſſion, wegen des ihr begegneten unvermutheten Zufalls, und machte ſich ſo dreuſte, ihr 3. mahl die Hand und 3. mahl den Mund derb zu kuͤſſen, worauf der Gouverneur mit allen den Seinigen uns eine geruhige Nacht wuͤnſchete, und ſich hinunter zu ihren Gaͤſten begaben, mit denen ſie, wie man hoͤrete, noch 2. gute Stunden diſcou- rirten und becherten. Bald nach ihrem Hinweg- gehen, kamen 2. alte Matronen und 2. Pagen zu unſerer Bedienung, welche noch ein Compliment von ihrer Herrſchafft brachten, und ſagten, daß ſie befeh-

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743/96>, abgerufen am 06.05.2024.