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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743.

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Hand fahren ließ, als welche sich biß dahin von
mir an der Hand führen lassen, hergegen meine
auf der Schulter hangende, gezogene Büchse er-
griff, und aus derselben diesem starcken Thiere eine
Kugel in den Leib schickte, weilen aber diese Kugel
nicht das rechte Fleckgen getroffen, sondern nur
einen Streif-Schuß gemacht, als kam der Hirsch
in der grösten Geschwindigkeit auf mich zuge-
sprungen, und wolte mir im Ernste zu Leibe gehen;
Doch, da der Löwe dieses sahe, oder merckte, riß er
das Band entzwey, woran ihn Mirzamanda neben
sich herleitete, und sprunge dem Hirsche ebenfalls
in gröster Geschwindigkeit entgegen, machte auch
kurtze Arbeit mit dem Hirsche, indem er demselben
die Gurgel abgebissen, so daß der gute Hirsch au-
genblicklich zu Boden sincken muste; er, der Löwe,
aber vergriff sich weiter nicht an diesem seinem ver-
meynten Feinde, leckte auch, wie ich wohl bemerck-
te, nicht einen Tropffen Blut oder Schweiß von
demselben auf, sondern kam gantz langsam wie-
der zurück, legte sich erstlich zu seiner Gebietherin
Füssen, leckte ihr nachhero die Hände, und ließ
sich in aller Gelassenheit wieder anbinden und
führen; wir aber liessen uns nebst unsern Gefähr-
den die Mühe nicht verdriessen, dieses vortreffliche
Küchen-Stück mit in unsere Hütten zu tragen,
da wir denn dasselbe alle wohl nutzen konten, indem
wir beschlossen hatten, noch 3. Tage als Rast-Ta-
ge allda zu halten, des 4ten Tages aber in aller
Frühe nach Groß-Felsenburg abzuseegeln.

Binnen diesen 3. Tagen, da wir unsern Mäu-
lern auch eben keine Stief-Väter und Stief-

Mütter

Hand fahren ließ, als welche ſich biß dahin von
mir an der Hand fuͤhren laſſen, hergegen meine
auf der Schulter hangende, gezogene Buͤchſe er-
griff, und aus derſelben dieſem ſtarcken Thiere eine
Kugel in den Leib ſchickte, weilen aber dieſe Kugel
nicht das rechte Fleckgen getroffen, ſondern nur
einen Streif-Schuß gemacht, als kam der Hirſch
in der groͤſten Geſchwindigkeit auf mich zuge-
ſprungen, und wolte mir im Ernſte zu Leibe gehen;
Doch, da der Loͤwe dieſes ſahe, oder merckte, riß er
das Band entzwey, woran ihn Mirzamanda neben
ſich herleitete, und ſprunge dem Hirſche ebenfalls
in groͤſter Geſchwindigkeit entgegen, machte auch
kurtze Arbeit mit dem Hirſche, indem er demſelben
die Gurgel abgebiſſen, ſo daß der gute Hirſch au-
genblicklich zu Boden ſincken muſte; er, der Loͤwe,
aber vergriff ſich weiter nicht an dieſem ſeinem ver-
meynten Feinde, leckte auch, wie ich wohl bemerck-
te, nicht einen Tropffen Blut oder Schweiß von
demſelben auf, ſondern kam gantz langſam wie-
der zuruͤck, legte ſich erſtlich zu ſeiner Gebietherin
Fuͤſſen, leckte ihr nachhero die Haͤnde, und ließ
ſich in aller Gelaſſenheit wieder anbinden und
fuͤhren; wir aber lieſſen uns nebſt unſern Gefaͤhr-
den die Muͤhe nicht verdrieſſen, dieſes vortreffliche
Kuͤchen-Stuͤck mit in unſere Huͤtten zu tragen,
da wir denn daſſelbe alle wohl nutzen konten, indem
wir beſchloſſen hatten, noch 3. Tage als Raſt-Ta-
ge allda zu halten, des 4ten Tages aber in aller
Fruͤhe nach Groß-Felſenburg abzuſeegeln.

Binnen dieſen 3. Tagen, da wir unſern Maͤu-
lern auch eben keine Stief-Vaͤter und Stief-

Muͤtter
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[398/0408] Hand fahren ließ, als welche ſich biß dahin von mir an der Hand fuͤhren laſſen, hergegen meine auf der Schulter hangende, gezogene Buͤchſe er- griff, und aus derſelben dieſem ſtarcken Thiere eine Kugel in den Leib ſchickte, weilen aber dieſe Kugel nicht das rechte Fleckgen getroffen, ſondern nur einen Streif-Schuß gemacht, als kam der Hirſch in der groͤſten Geſchwindigkeit auf mich zuge- ſprungen, und wolte mir im Ernſte zu Leibe gehen; Doch, da der Loͤwe dieſes ſahe, oder merckte, riß er das Band entzwey, woran ihn Mirzamanda neben ſich herleitete, und ſprunge dem Hirſche ebenfalls in groͤſter Geſchwindigkeit entgegen, machte auch kurtze Arbeit mit dem Hirſche, indem er demſelben die Gurgel abgebiſſen, ſo daß der gute Hirſch au- genblicklich zu Boden ſincken muſte; er, der Loͤwe, aber vergriff ſich weiter nicht an dieſem ſeinem ver- meynten Feinde, leckte auch, wie ich wohl bemerck- te, nicht einen Tropffen Blut oder Schweiß von demſelben auf, ſondern kam gantz langſam wie- der zuruͤck, legte ſich erſtlich zu ſeiner Gebietherin Fuͤſſen, leckte ihr nachhero die Haͤnde, und ließ ſich in aller Gelaſſenheit wieder anbinden und fuͤhren; wir aber lieſſen uns nebſt unſern Gefaͤhr- den die Muͤhe nicht verdrieſſen, dieſes vortreffliche Kuͤchen-Stuͤck mit in unſere Huͤtten zu tragen, da wir denn daſſelbe alle wohl nutzen konten, indem wir beſchloſſen hatten, noch 3. Tage als Raſt-Ta- ge allda zu halten, des 4ten Tages aber in aller Fruͤhe nach Groß-Felſenburg abzuſeegeln. Binnen dieſen 3. Tagen, da wir unſern Maͤu- lern auch eben keine Stief-Vaͤter und Stief- Muͤtter

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743, S. 398. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743/408>, abgerufen am 22.11.2024.