gelangen. Vincentius gieng voran, und sprach uns immer guten Muth zu, weiln im Tempel alles stockfinster war; jedoch es wurde auf einmahl hel- ler-lichter Tag darinnen, so daß wir sehen konten, wie sich 3. lebendige Menschen in einen Winckel verkro- chen hatten, die aber auf die Anrede des Vincentii sogleich hervor traten, und eben so seltsame Compli- menten gegen uns machten, als ihre Kleidungen be- schaffen waren. Ehe wir was weiteres vornehmen, meine Freunde! (sagte Vincentius allhier) wollen wir erstlich ein jeder nach seiner Religion unsere An- dacht verrichten; welches denn auch geschahe. Als dieses vorbey war, trat die älteste Person von diesen dreyen hervor, und redete ihn, ich mochte fast sagen in einer kauderwellischen Sprache, wovon ich aber doch sehr viel verstehen konte, erstlich ohngefähr mit folgenden Worten an: Jhr Herrn! meinem Be- düncken nach, muß ich euch vor Christen erkennen, welches ich daraus schliesse, weil ihr das Zeichen des heiligen Creutzes so offt vor eure Brüste und Stirnen macht.
Da ich nun weiß, daß die Christen barmhertzi- ge Leute sind, so erbarmet euch doch einer armen von aller Welt verlassenen Persianischen vornehmen Printzeßin, deren Wart-Frau ich bin, und dieses bey uns stehende Mägdgen ist ihre Bediente. Es ist die Printzeßin zwar nicht arm an zeitlichen Gü- tern, nemlich an Gold, Silber, Perlen und Ju- welen, als welche Schätze an sichern Orten ver- wahrt liegen; allein sie ist dennoch arm, weilen sie darum verfolgt wird, daß sie keine Feuer-Anbethe- rin werden, sondern eine rechte Christin bleiben will;
da
gelangen. Vincentius gieng voran, und ſprach uns immer guten Muth zu, weiln im Tempel alles ſtockfinſter war; jedoch es wurde auf einmahl hel- ler-lichter Tag darinnen, ſo daß wir ſehen konten, wie ſich 3. lebendige Menſchen in einen Winckel verkro- chen hatten, die aber auf die Anrede des Vincentii ſogleich hervor traten, und eben ſo ſeltſame Compli- menten gegen uns machten, als ihre Kleidungen be- ſchaffen waren. Ehe wir was weiteres vornehmen, meine Freunde! (ſagte Vincentius allhier) wollen wir erſtlich ein jeder nach ſeiner Religion unſere An- dacht verrichten; welches denn auch geſchahe. Als dieſes vorbey war, trat die aͤlteſte Perſon von dieſen dreyen hervor, und redete ihn, ich mochte faſt ſagen in einer kauderwelliſchen Sprache, wovon ich aber doch ſehr viel verſtehen konte, erſtlich ohngefaͤhr mit folgenden Worten an: Jhr Herrn! meinem Be- duͤncken nach, muß ich euch vor Chriſten erkennen, welches ich daraus ſchlieſſe, weil ihr das Zeichen des heiligen Creutzes ſo offt vor eure Bruͤſte und Stirnen macht.
Da ich nun weiß, daß die Chriſten barmhertzi- ge Leute ſind, ſo erbarmet euch doch einer armen von aller Welt verlaſſenen Perſianiſchen vornehmen Printzeßin, deren Wart-Frau ich bin, und dieſes bey uns ſtehende Maͤgdgen iſt ihre Bediente. Es iſt die Printzeßin zwar nicht arm an zeitlichen Guͤ- tern, nemlich an Gold, Silber, Perlen und Ju- welen, als welche Schaͤtze an ſichern Orten ver- wahrt liegen; allein ſie iſt dennoch arm, weilen ſie darum verfolgt wird, daß ſie keine Feuer-Anbethe- rin werden, ſondern eine rechte Chriſtin bleiben will;
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gelangen. Vincentius gieng voran, und ſprach
uns immer guten Muth zu, weiln im Tempel alles
ſtockfinſter war; jedoch es wurde auf einmahl hel-
ler-lichter Tag darinnen, ſo daß wir ſehen konten, wie
ſich 3. lebendige Menſchen in einen Winckel verkro-
chen hatten, die aber auf die Anrede des Vincentii
ſogleich hervor traten, und eben ſo ſeltſame Compli-
menten gegen uns machten, als ihre Kleidungen be-
ſchaffen waren. Ehe wir was weiteres vornehmen,
meine Freunde! (ſagte Vincentius allhier) wollen
wir erſtlich ein jeder nach ſeiner Religion unſere An-
dacht verrichten; welches denn auch geſchahe. Als
dieſes vorbey war, trat die aͤlteſte Perſon von dieſen
dreyen hervor, und redete ihn, ich mochte faſt ſagen in
einer kauderwelliſchen Sprache, wovon ich aber
doch ſehr viel verſtehen konte, erſtlich ohngefaͤhr mit
folgenden Worten an: Jhr Herrn! meinem Be-
duͤncken nach, muß ich euch vor Chriſten erkennen,
welches ich daraus ſchlieſſe, weil ihr das Zeichen
des heiligen Creutzes ſo offt vor eure Bruͤſte und
Stirnen macht.
Da ich nun weiß, daß die Chriſten barmhertzi-
ge Leute ſind, ſo erbarmet euch doch einer armen von
aller Welt verlaſſenen Perſianiſchen vornehmen
Printzeßin, deren Wart-Frau ich bin, und dieſes
bey uns ſtehende Maͤgdgen iſt ihre Bediente. Es
iſt die Printzeßin zwar nicht arm an zeitlichen Guͤ-
tern, nemlich an Gold, Silber, Perlen und Ju-
welen, als welche Schaͤtze an ſichern Orten ver-
wahrt liegen; allein ſie iſt dennoch arm, weilen ſie
darum verfolgt wird, daß ſie keine Feuer-Anbethe-
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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743, S. 384. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743/394>, abgerufen am 23.11.2024.
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