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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743.

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Augen, noch hören mit ihren Ohren,
noch verstehen mit ihren Hertzen, und sich
bekehren. Jch aber sprach: HErr, wie lan-
ge? Er sprach: biß daß die Städte wüste
werden, ihre Einwohner und Häuser oh-
ne Leute, und das Feld gantz wüste lie-
ge. Denn der HErr wird die Leute ferne
wegthun, daß das Land sehr verlassen wird.
Doch soll noch das zehende Theil darinnen
übrig bleiben, denn es wird weggeführet
und verheeret werden, wie eine Eiche und
Linde, welche den Stamm haben, obwohl
die Blätter abgestossen werden. Ein heili-
ger Saame wird solcher Stamm seyn.

Jch muß bey dieser Gelegenheit melden, daß
Hr. M. Schmeltzer Jun. im Lehren und Predigen
weit eifferiger und hitziger ist, als sein Hr. Bruder,
und Hr. Herrmann, welche letztern beyde alles
mit Sanffmuth, Leutseeligkeit und Gelassenheit
vortragen. Jener aber pocht und dringet ge-
meiniglich mit Gewalt und durchaus auf wahre
Busse und Glauben an Christum. Er straffet
auch die allergeringsten Fehler und Verbrechen,
die unter uns vorgehen, aufs allerschärffste, in-
mittelst kan man nicht müde werden ihm zu zu-
hören, weilen er mit seiner etwas lispelnden Zun-
ge 100. Worte vor eines vorzubringen weiß.

Vor dieses mahl stellete er uns mit Centner
schweren Worten vor: Ein unbußfertiges,
und den Christen höchst schädliches Leben,

als worauf endlich dem Texte nach die gäntzli-
che Verstockung und Verstossung durch das ge-

rechte

Augen, noch hoͤren mit ihren Ohren,
noch verſtehen mit ihren Hertzen, und ſich
bekehren. Jch aber ſprach: HErr, wie lan-
ge? Er ſprach: biß daß die Staͤdte wuͤſte
werden, ihre Einwohner und Haͤuſer oh-
ne Leute, und das Feld gantz wuͤſte lie-
ge. Denn der HErr wird die Leute ferne
wegthun, daß das Land ſehr verlaſſen wird.
Doch ſoll noch das zehende Theil darinnen
uͤbrig bleiben, denn es wird weggefuͤhret
und verheeret werden, wie eine Eiche und
Linde, welche den Stamm haben, obwohl
die Blaͤtter abgeſtoſſen werden. Ein heili-
ger Saame wird ſolcher Stamm ſeyn.

Jch muß bey dieſer Gelegenheit melden, daß
Hr. M. Schmeltzer Jun. im Lehren und Predigen
weit eifferiger und hitziger iſt, als ſein Hr. Bruder,
und Hr. Herrmann, welche letztern beyde alles
mit Sanffmuth, Leutſeeligkeit und Gelaſſenheit
vortragen. Jener aber pocht und dringet ge-
meiniglich mit Gewalt und durchaus auf wahre
Buſſe und Glauben an Chriſtum. Er ſtraffet
auch die allergeringſten Fehler und Verbrechen,
die unter uns vorgehen, aufs allerſchaͤrffſte, in-
mittelſt kan man nicht muͤde werden ihm zu zu-
hoͤren, weilen er mit ſeiner etwas liſpelnden Zun-
ge 100. Worte vor eines vorzubringen weiß.

Vor dieſes mahl ſtellete er uns mit Centner
ſchweren Worten vor: Ein unbußfertiges,
und den Chriſten hoͤchſt ſchaͤdliches Leben,

als worauf endlich dem Texte nach die gaͤntzli-
che Verſtockung und Verſtoſſung durch das ge-

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[26/0036] Augen, noch hoͤren mit ihren Ohren, noch verſtehen mit ihren Hertzen, und ſich bekehren. Jch aber ſprach: HErr, wie lan- ge? Er ſprach: biß daß die Staͤdte wuͤſte werden, ihre Einwohner und Haͤuſer oh- ne Leute, und das Feld gantz wuͤſte lie- ge. Denn der HErr wird die Leute ferne wegthun, daß das Land ſehr verlaſſen wird. Doch ſoll noch das zehende Theil darinnen uͤbrig bleiben, denn es wird weggefuͤhret und verheeret werden, wie eine Eiche und Linde, welche den Stamm haben, obwohl die Blaͤtter abgeſtoſſen werden. Ein heili- ger Saame wird ſolcher Stamm ſeyn. Jch muß bey dieſer Gelegenheit melden, daß Hr. M. Schmeltzer Jun. im Lehren und Predigen weit eifferiger und hitziger iſt, als ſein Hr. Bruder, und Hr. Herrmann, welche letztern beyde alles mit Sanffmuth, Leutſeeligkeit und Gelaſſenheit vortragen. Jener aber pocht und dringet ge- meiniglich mit Gewalt und durchaus auf wahre Buſſe und Glauben an Chriſtum. Er ſtraffet auch die allergeringſten Fehler und Verbrechen, die unter uns vorgehen, aufs allerſchaͤrffſte, in- mittelſt kan man nicht muͤde werden ihm zu zu- hoͤren, weilen er mit ſeiner etwas liſpelnden Zun- ge 100. Worte vor eines vorzubringen weiß. Vor dieſes mahl ſtellete er uns mit Centner ſchweren Worten vor: Ein unbußfertiges, und den Chriſten hoͤchſt ſchaͤdliches Leben, als worauf endlich dem Texte nach die gaͤntzli- che Verſtockung und Verſtoſſung durch das ge- rechte

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743/36>, abgerufen am 28.03.2024.