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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743.

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denn zu meiner Mutter sichern Händen lieferte.
Hierauf drunge er auf das Beylager mit meiner
Person, ohngeachtet ich ihn nun an meine Mutter
verwiese, indem dieselbe, obgleich etwas älter, je-
doch weit schöner und reicher, als ich wäre, so wolte
doch mein Barley auch hiervon nichts hören, son-
dern sagte nur so viel: Kurtz, ich liebe eure Per-
son eintzig und allein auf der Welt, und setzte gegen
euch Printzeßinnen zurücke, wenn sie mich auch ha-
ben wolten, aus was Ursachen aber ich euch liebe,
solches ist mir ohnmöglich zu sagen.

Sich zu einer Heyrath zu entschliessen, mag
wohl eine solche Sache seyn, die dem Menschen vor-
hero lange im Kopffe herum gehen muß; allein
bey unsern damahligen Umständen erforderte es
allerdings wohl die Noth, mich länger zu besinnen,
zumahlen, da mir meine Mutter und mein Liebster
fast keine Stunde mehr zur längern Bedenck-
Zeit vergönnen wolten.

Demnach wurden wir endlich, fast ehe es mir
gefällig war, des Handels vollkommen einig, und
celebrirten unser Beylager, ohne gewöhnliches
unnöthiges Gepränge, hatten auch niemanden
auser meiner Mutter dabey, als 12. Herrn und
Frauen aus Londen, die wir noch vor unsere be-
sten Freunde zu seyn schätzten.

Nachdem nun auch dieses geschehen, und vor-
bey war, wir beyde neugebackenen Eheleute auch
kaum 4. Wochen vergnügt beysammen gelebt hat-
ten, kam eines Abends mein Barley sehr starck
verwundet nach Hause, indem er zu sagen wuste:
wie er einiger Maassen recht unter die Mörder ge-

fallen,
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denn zu meiner Mutter ſichern Haͤnden lieferte.
Hierauf drunge er auf das Beylager mit meiner
Perſon, ohngeachtet ich ihn nun an meine Mutter
verwieſe, indem dieſelbe, obgleich etwas aͤlter, je-
doch weit ſchoͤner und reicher, als ich waͤre, ſo wolte
doch mein Barley auch hiervon nichts hoͤren, ſon-
dern ſagte nur ſo viel: Kurtz, ich liebe eure Per-
ſon eintzig und allein auf der Welt, und ſetzte gegen
euch Printzeßinnen zuruͤcke, wenn ſie mich auch ha-
ben wolten, aus was Urſachen aber ich euch liebe,
ſolches iſt mir ohnmoͤglich zu ſagen.

Sich zu einer Heyrath zu entſchlieſſen, mag
wohl eine ſolche Sache ſeyn, die dem Menſchen vor-
hero lange im Kopffe herum gehen muß; allein
bey unſern damahligen Umſtaͤnden erforderte es
allerdings wohl die Noth, mich laͤnger zu beſinnen,
zumahlen, da mir meine Mutter und mein Liebſter
faſt keine Stunde mehr zur laͤngern Bedenck-
Zeit vergoͤnnen wolten.

Demnach wurden wir endlich, faſt ehe es mir
gefaͤllig war, des Handels vollkommen einig, und
celebrirten unſer Beylager, ohne gewoͤhnliches
unnoͤthiges Gepraͤnge, hatten auch niemanden
auſer meiner Mutter dabey, als 12. Herrn und
Frauen aus Londen, die wir noch vor unſere be-
ſten Freunde zu ſeyn ſchaͤtzten.

Nachdem nun auch dieſes geſchehen, und vor-
bey war, wir beyde neugebackenen Eheleute auch
kaum 4. Wochen vergnuͤgt beyſammen gelebt hat-
ten, kam eines Abends mein Barley ſehr ſtarck
verwundet nach Hauſe, indem er zu ſagen wuſte:
wie er einiger Maaſſen recht unter die Moͤrder ge-

fallen,
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[227/0237] denn zu meiner Mutter ſichern Haͤnden lieferte. Hierauf drunge er auf das Beylager mit meiner Perſon, ohngeachtet ich ihn nun an meine Mutter verwieſe, indem dieſelbe, obgleich etwas aͤlter, je- doch weit ſchoͤner und reicher, als ich waͤre, ſo wolte doch mein Barley auch hiervon nichts hoͤren, ſon- dern ſagte nur ſo viel: Kurtz, ich liebe eure Per- ſon eintzig und allein auf der Welt, und ſetzte gegen euch Printzeßinnen zuruͤcke, wenn ſie mich auch ha- ben wolten, aus was Urſachen aber ich euch liebe, ſolches iſt mir ohnmoͤglich zu ſagen. Sich zu einer Heyrath zu entſchlieſſen, mag wohl eine ſolche Sache ſeyn, die dem Menſchen vor- hero lange im Kopffe herum gehen muß; allein bey unſern damahligen Umſtaͤnden erforderte es allerdings wohl die Noth, mich laͤnger zu beſinnen, zumahlen, da mir meine Mutter und mein Liebſter faſt keine Stunde mehr zur laͤngern Bedenck- Zeit vergoͤnnen wolten. Demnach wurden wir endlich, faſt ehe es mir gefaͤllig war, des Handels vollkommen einig, und celebrirten unſer Beylager, ohne gewoͤhnliches unnoͤthiges Gepraͤnge, hatten auch niemanden auſer meiner Mutter dabey, als 12. Herrn und Frauen aus Londen, die wir noch vor unſere be- ſten Freunde zu ſeyn ſchaͤtzten. Nachdem nun auch dieſes geſchehen, und vor- bey war, wir beyde neugebackenen Eheleute auch kaum 4. Wochen vergnuͤgt beyſammen gelebt hat- ten, kam eines Abends mein Barley ſehr ſtarck verwundet nach Hauſe, indem er zu ſagen wuſte: wie er einiger Maaſſen recht unter die Moͤrder ge- fallen, (p) 2

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743/237>, abgerufen am 04.05.2024.