Manier versetzt, war mir noch einmahl so wohl ums Hertze, als vorhero, befahl auch derselben, meinen beyden Leuten auf mein Conto noch so viel zu trin- cken zu geben, als sie nur immer beliebten, weiln ich alles bezahlen wolte; als zu dem Ende ich der Wir- thin noch 3. Guinees in die Hand drückte, und mei- ne Leute nach meiner Pfeiffe stimmete. Wie nun der helle lichte Tag bereits angebrochen war, als kam der Monsieur Franzmann die Treppe herun- ter spatzieret, und gieng in einen kleinen hinter dem Hause gelegenen Lust-Garten, um sich daselbst zu di- vertiren, ich folgte ihm auf dem Fusse nach, und wunderte mich über weiter nichts mehr, als daß er keinen Verdacht weder auf meine Person, Klei- dung, nach sonstes etwas legte. Wir waren aber kaum etliche 20. Schritte zwischen den Blumen- Beeten herum spatziert, als ich mir gefallen ließ, ei- nige der schönsten Blumen, die nach meinem Appe- tite waren, abzupflücken, worüber sich der Fran- zose mit allerhand anzüglichen Reden verlauten ließ, daß dieses keine Manier, sondern eine Anzeigung eines schlechten Verstandes und geringer Höflich- keit sey, so kam es unter uns bald zu häßlichen Schimpff-Worten, und obgleich die darbey stehen- de Wirthin, fernern Streit zu verhüten, sich erklä- rete, wie sie sich aus dergleichen Kleinigkeiten nichts machte, sondern dieselben allen ihren Gästen, wel- che Belieben darzu trügen, Preiß gäbe, so wolte der Franzose sich jedennoch nicht zufrieden geben, sondern schimpffete immer noch hefftiger auf mich loß, da ich ihm denn mit Worten gleichfalls nichts schuldig blieb. Er aber zog seinen Degen, gieng mir
damit
Manier verſetzt, war mir noch einmahl ſo wohl ums Hertze, als vorhero, befahl auch derſelben, meinen beyden Leuten auf mein Conto noch ſo viel zu trin- cken zu geben, als ſie nur immer beliebten, weiln ich alles bezahlen wolte; als zu dem Ende ich der Wir- thin noch 3. Guinees in die Hand druͤckte, und mei- ne Leute nach meiner Pfeiffe ſtimmete. Wie nun der helle lichte Tag bereits angebrochen war, als kam der Monſieur Franzmann die Treppe herun- ter ſpatzieret, und gieng in einen kleinen hinter dem Hauſe gelegenen Luſt-Garten, um ſich daſelbſt zu di- vertiren, ich folgte ihm auf dem Fuſſe nach, und wunderte mich uͤber weiter nichts mehr, als daß er keinen Verdacht weder auf meine Perſon, Klei- dung, nach ſonſtes etwas legte. Wir waren aber kaum etliche 20. Schritte zwiſchen den Blumen- Beeten herum ſpatziert, als ich mir gefallen ließ, ei- nige der ſchoͤnſten Blumen, die nach meinem Appe- tite waren, abzupfluͤcken, woruͤber ſich der Fran- zoſe mit allerhand anzuͤglichen Reden verlauten ließ, daß dieſes keine Manier, ſondern eine Anzeigung eines ſchlechten Verſtandes und geringer Hoͤflich- keit ſey, ſo kam es unter uns bald zu haͤßlichen Schimpff-Worten, und obgleich die darbey ſtehen- de Wirthin, fernern Streit zu verhuͤten, ſich erklaͤ- rete, wie ſie ſich aus dergleichen Kleinigkeiten nichts machte, ſondern dieſelben allen ihren Gaͤſten, wel- che Belieben darzu truͤgen, Preiß gaͤbe, ſo wolte der Franzoſe ſich jedennoch nicht zufrieden geben, ſondern ſchimpffete immer noch hefftiger auf mich loß, da ich ihm denn mit Worten gleichfalls nichts ſchuldig blieb. Er aber zog ſeinen Degen, gieng mir
damit
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0232"n="222"/>
Manier verſetzt, war mir noch einmahl ſo wohl ums<lb/>
Hertze, als vorhero, befahl auch derſelben, meinen<lb/>
beyden Leuten auf mein <hirendition="#aq">Conto</hi> noch ſo viel zu trin-<lb/>
cken zu geben, als ſie nur immer beliebten, weiln ich<lb/>
alles bezahlen wolte; als zu dem Ende ich der Wir-<lb/>
thin noch 3. <hirendition="#aq">Guinees</hi> in die Hand druͤckte, und mei-<lb/>
ne Leute nach meiner Pfeiffe ſtimmete. Wie nun<lb/>
der helle lichte Tag bereits angebrochen war, als<lb/>
kam der <hirendition="#aq">Monſieur</hi> Franzmann die Treppe herun-<lb/>
ter ſpatzieret, und gieng in einen kleinen hinter dem<lb/>
Hauſe gelegenen Luſt-Garten, um ſich daſelbſt zu <hirendition="#aq">di-<lb/>
vertir</hi>en, ich folgte ihm auf dem Fuſſe nach, und<lb/>
wunderte mich uͤber weiter nichts mehr, als daß er<lb/>
keinen Verdacht weder auf meine Perſon, Klei-<lb/>
dung, nach ſonſtes etwas legte. Wir waren aber<lb/>
kaum etliche 20. Schritte zwiſchen den Blumen-<lb/>
Beeten herum ſpatziert, als ich mir gefallen ließ, ei-<lb/>
nige der ſchoͤnſten Blumen, die nach meinem <hirendition="#aq">Appe-<lb/>
ti</hi>te waren, abzupfluͤcken, woruͤber ſich der Fran-<lb/>
zoſe mit allerhand anzuͤglichen Reden verlauten ließ,<lb/>
daß dieſes keine Manier, ſondern eine Anzeigung<lb/>
eines ſchlechten Verſtandes und geringer Hoͤflich-<lb/>
keit ſey, ſo kam es unter uns bald zu haͤßlichen<lb/>
Schimpff-Worten, und obgleich die darbey ſtehen-<lb/>
de Wirthin, fernern Streit zu verhuͤten, ſich erklaͤ-<lb/>
rete, wie ſie ſich aus dergleichen Kleinigkeiten nichts<lb/>
machte, ſondern dieſelben allen ihren Gaͤſten, wel-<lb/>
che Belieben darzu truͤgen, Preiß gaͤbe, ſo wolte<lb/>
der Franzoſe ſich jedennoch nicht zufrieden geben,<lb/>ſondern ſchimpffete immer noch hefftiger auf mich<lb/>
loß, da ich ihm denn mit Worten gleichfalls nichts<lb/>ſchuldig blieb. Er aber zog ſeinen Degen, gieng mir<lb/><fwplace="bottom"type="catch">damit</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[222/0232]
Manier verſetzt, war mir noch einmahl ſo wohl ums
Hertze, als vorhero, befahl auch derſelben, meinen
beyden Leuten auf mein Conto noch ſo viel zu trin-
cken zu geben, als ſie nur immer beliebten, weiln ich
alles bezahlen wolte; als zu dem Ende ich der Wir-
thin noch 3. Guinees in die Hand druͤckte, und mei-
ne Leute nach meiner Pfeiffe ſtimmete. Wie nun
der helle lichte Tag bereits angebrochen war, als
kam der Monſieur Franzmann die Treppe herun-
ter ſpatzieret, und gieng in einen kleinen hinter dem
Hauſe gelegenen Luſt-Garten, um ſich daſelbſt zu di-
vertiren, ich folgte ihm auf dem Fuſſe nach, und
wunderte mich uͤber weiter nichts mehr, als daß er
keinen Verdacht weder auf meine Perſon, Klei-
dung, nach ſonſtes etwas legte. Wir waren aber
kaum etliche 20. Schritte zwiſchen den Blumen-
Beeten herum ſpatziert, als ich mir gefallen ließ, ei-
nige der ſchoͤnſten Blumen, die nach meinem Appe-
tite waren, abzupfluͤcken, woruͤber ſich der Fran-
zoſe mit allerhand anzuͤglichen Reden verlauten ließ,
daß dieſes keine Manier, ſondern eine Anzeigung
eines ſchlechten Verſtandes und geringer Hoͤflich-
keit ſey, ſo kam es unter uns bald zu haͤßlichen
Schimpff-Worten, und obgleich die darbey ſtehen-
de Wirthin, fernern Streit zu verhuͤten, ſich erklaͤ-
rete, wie ſie ſich aus dergleichen Kleinigkeiten nichts
machte, ſondern dieſelben allen ihren Gaͤſten, wel-
che Belieben darzu truͤgen, Preiß gaͤbe, ſo wolte
der Franzoſe ſich jedennoch nicht zufrieden geben,
ſondern ſchimpffete immer noch hefftiger auf mich
loß, da ich ihm denn mit Worten gleichfalls nichts
ſchuldig blieb. Er aber zog ſeinen Degen, gieng mir
damit
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743/232>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.