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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743.

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in allen Stücken eine sehr grosse Gleichheit mit sei-
ner Person hatte; auser dem steckte sie einen Degen
mit einer geschliffenen Klinge an die Seite, und noch
über dieses steckte sie in jede Tasche 2. Taschen-Puf-
ferte, oder Tertelos. Wie sie sich nun dergestalt
bloß in meinem alleintzigen Beyseyn wohl besorgt,
rief sie zwey von unsern getreuen Laqueyen, befahl
ihnen, ihr zu folgen, und sie nicht aus den Augen
zu lassen, hergegen, wo es die äuserste Noth erfor-
derte, getreulichen Beystand zu leisten, indem es
ihr Schade nicht seyn, sondern ein jeder von ihnen
vor diesen Weg 100 Ducaten zur Recreation ha-
ben solte. Auf dieses umarmete sie mich, die ich an
einem Fenster stunde, und Thränen vergoß,
mit diesen Worten: Gebt euch zufrieden, meine
liebste Tochter! und lasset mich nur immer in mei-
ner gerechten Sache unter eurem Gebete fortgehen,
denn die Gefahr, darein ich mich jetzo begebe, um eu-
res Vaters Tod, so viel als mir nur immer mög-
lich ist, zu rächen, wird vielleicht so groß nicht seyn,
als ihr euch dieselbe vorstellet, und ich hoffe, wo ich
anders glücklich bin, noch vor Mitternachts-Zeit
schon wieder bey euch zu seyn.

Wie nun diese letztern Worte meine Thränen
einiger Maassen hemmeten, so ließ ich sie unter dem
Schutze des Allmächtigen, in Begleitung der bey-
den Laqueyen fortgehen, blieb aber am Fenster ste-
hen, und mit Vergiessung vieler Thränen abzuse-
hen, was erstlich auf der Strasse vorgehen möchte,
hernachmahls aber ihre Zurückkunfft abzuwarten,
worbey ich denn dergestalt fleißig bethete, als ich
wohl sonsten zum öfftern in vielen Jahren nicht ge-
than, indem es mir fast ein unerträglicher Schmertz

seyn
(o) 5

in allen Stuͤcken eine ſehr groſſe Gleichheit mit ſei-
ner Perſon hatte; auſer dem ſteckte ſie einen Degen
mit einer geſchliffenen Klinge an die Seite, und noch
uͤber dieſes ſteckte ſie in jede Taſche 2. Taſchen-Puf-
ferte, oder Tertelos. Wie ſie ſich nun dergeſtalt
bloß in meinem alleintzigen Beyſeyn wohl beſorgt,
rief ſie zwey von unſern getreuen Laqueyen, befahl
ihnen, ihr zu folgen, und ſie nicht aus den Augen
zu laſſen, hergegen, wo es die aͤuſerſte Noth erfor-
derte, getreulichen Beyſtand zu leiſten, indem es
ihr Schade nicht ſeyn, ſondern ein jeder von ihnen
vor dieſen Weg 100 Ducaten zur Recreation ha-
ben ſolte. Auf dieſes umarmete ſie mich, die ich an
einem Fenſter ſtunde, und Thraͤnen vergoß,
mit dieſen Worten: Gebt euch zufrieden, meine
liebſte Tochter! und laſſet mich nur immer in mei-
ner gerechten Sache unter eurem Gebete fortgehen,
denn die Gefahr, darein ich mich jetzo begebe, um eu-
res Vaters Tod, ſo viel als mir nur immer moͤg-
lich iſt, zu raͤchen, wird vielleicht ſo groß nicht ſeyn,
als ihr euch dieſelbe vorſtellet, und ich hoffe, wo ich
anders gluͤcklich bin, noch vor Mitternachts-Zeit
ſchon wieder bey euch zu ſeyn.

Wie nun dieſe letztern Worte meine Thraͤnen
einiger Maaſſen hemmeten, ſo ließ ich ſie unter dem
Schutze des Allmaͤchtigen, in Begleitung der bey-
den Laqueyen fortgehen, blieb aber am Fenſter ſte-
hen, und mit Vergieſſung vieler Thraͤnen abzuſe-
hen, was erſtlich auf der Straſſe vorgehen moͤchte,
hernachmahls aber ihre Zuruͤckkunfft abzuwarten,
worbey ich denn dergeſtalt fleißig bethete, als ich
wohl ſonſten zum oͤfftern in vielen Jahren nicht ge-
than, indem es mir faſt ein unertraͤglicher Schmertz

ſeyn
(o) 5
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[217/0227] in allen Stuͤcken eine ſehr groſſe Gleichheit mit ſei- ner Perſon hatte; auſer dem ſteckte ſie einen Degen mit einer geſchliffenen Klinge an die Seite, und noch uͤber dieſes ſteckte ſie in jede Taſche 2. Taſchen-Puf- ferte, oder Tertelos. Wie ſie ſich nun dergeſtalt bloß in meinem alleintzigen Beyſeyn wohl beſorgt, rief ſie zwey von unſern getreuen Laqueyen, befahl ihnen, ihr zu folgen, und ſie nicht aus den Augen zu laſſen, hergegen, wo es die aͤuſerſte Noth erfor- derte, getreulichen Beyſtand zu leiſten, indem es ihr Schade nicht ſeyn, ſondern ein jeder von ihnen vor dieſen Weg 100 Ducaten zur Recreation ha- ben ſolte. Auf dieſes umarmete ſie mich, die ich an einem Fenſter ſtunde, und Thraͤnen vergoß, mit dieſen Worten: Gebt euch zufrieden, meine liebſte Tochter! und laſſet mich nur immer in mei- ner gerechten Sache unter eurem Gebete fortgehen, denn die Gefahr, darein ich mich jetzo begebe, um eu- res Vaters Tod, ſo viel als mir nur immer moͤg- lich iſt, zu raͤchen, wird vielleicht ſo groß nicht ſeyn, als ihr euch dieſelbe vorſtellet, und ich hoffe, wo ich anders gluͤcklich bin, noch vor Mitternachts-Zeit ſchon wieder bey euch zu ſeyn. Wie nun dieſe letztern Worte meine Thraͤnen einiger Maaſſen hemmeten, ſo ließ ich ſie unter dem Schutze des Allmaͤchtigen, in Begleitung der bey- den Laqueyen fortgehen, blieb aber am Fenſter ſte- hen, und mit Vergieſſung vieler Thraͤnen abzuſe- hen, was erſtlich auf der Straſſe vorgehen moͤchte, hernachmahls aber ihre Zuruͤckkunfft abzuwarten, worbey ich denn dergeſtalt fleißig bethete, als ich wohl ſonſten zum oͤfftern in vielen Jahren nicht ge- than, indem es mir faſt ein unertraͤglicher Schmertz ſeyn (o) 5

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743/227>, abgerufen am 04.05.2024.