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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743.

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Uhrkunden auch mein Geburths-Schein verloh-
ren gegangen. Unterdessen bin ich aus einer gu-
ten adelichen Familie, Harrison benahmt, ent-
sprungen. Mein Vater war, so viel ich von mei-
nen Kinder-Jahren annoch dencken kan, Schloß-
Haupt-Mann eines der Königlichen Schlösser,
nicht allzuweit von Londen gelegen, und ich habe
nachhero vernommen, daß er diese Chargo gan-
tzer 10. biß 12. Jahr geführet, endlich aber dieselbe
wegen einer ihm begegneten fatalen Begebenheit
niedergelegt, und sich mit meiner Mutter und sei-
nen Kindern nach Londen begeben, um daselbst
noch ruhiger und vergnügter zu leben, als er sei-
nen Gedancken nach bißhero gelebt hätte, weiln
es ihm an Mitteln gantz und gar nicht fehlete,
uns zu ernähren, indem er nicht nur vor sich
ein ziemlich starckes Vermögen gehabt, sondern
auch dasselbe durch die Heyrath mit meiner Mut-
ter um ein wichtiges vermehret. Uber dieses alles
ist mein Vater im Actien-Handel dergestalt
glücklich gewesen, daß er sich die schönsten und aus-
träglichsten Ritter-Güter hätte kauffen können,
wenn er nur gewollt hätte; Allein er mag, wie
mir meine seel. Mutter zum öfftern erzählet hat,
wohl mehr als einerley, jedoch eben nicht gar all-
zu löbliche Ursachen gehabt haben, ein solches nicht
zu thun, vielmehr hat er sich auf das verzweiffelte
Spielen und Wetten gelegt, und ist dadurch dem
Banquerout mehr als einmahl sehr nahe gewe-
sen, jedoch das Glück im Spielen und Wetten,
hauptsächlich aber der Actien-Handel hat ihm nach
und nach doch immer dergestalt wohlgewollt, und

ihm

Uhrkunden auch mein Geburths-Schein verloh-
ren gegangen. Unterdeſſen bin ich aus einer gu-
ten adelichen Familie, Harriſon benahmt, ent-
ſprungen. Mein Vater war, ſo viel ich von mei-
nen Kinder-Jahren annoch dencken kan, Schloß-
Haupt-Mann eines der Koͤniglichen Schloͤſſer,
nicht allzuweit von Londen gelegen, und ich habe
nachhero vernommen, daß er dieſe Chargo gan-
tzer 10. biß 12. Jahr gefuͤhret, endlich aber dieſelbe
wegen einer ihm begegneten fatalen Begebenheit
niedergelegt, und ſich mit meiner Mutter und ſei-
nen Kindern nach Londen begeben, um daſelbſt
noch ruhiger und vergnuͤgter zu leben, als er ſei-
nen Gedancken nach bißhero gelebt haͤtte, weiln
es ihm an Mitteln gantz und gar nicht fehlete,
uns zu ernaͤhren, indem er nicht nur vor ſich
ein ziemlich ſtarckes Vermoͤgen gehabt, ſondern
auch daſſelbe durch die Heyrath mit meiner Mut-
ter um ein wichtiges vermehret. Uber dieſes alles
iſt mein Vater im Actien-Handel dergeſtalt
gluͤcklich geweſen, daß er ſich die ſchoͤnſten und aus-
traͤglichſten Ritter-Guͤter haͤtte kauffen koͤnnen,
wenn er nur gewollt haͤtte; Allein er mag, wie
mir meine ſeel. Mutter zum oͤfftern erzaͤhlet hat,
wohl mehr als einerley, jedoch eben nicht gar all-
zu loͤbliche Urſachen gehabt haben, ein ſolches nicht
zu thun, vielmehr hat er ſich auf das verzweiffelte
Spielen und Wetten gelegt, und iſt dadurch dem
Banquerout mehr als einmahl ſehr nahe gewe-
ſen, jedoch das Gluͤck im Spielen und Wetten,
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und nach doch immer dergeſtalt wohlgewollt, und

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[207/0217] Uhrkunden auch mein Geburths-Schein verloh- ren gegangen. Unterdeſſen bin ich aus einer gu- ten adelichen Familie, Harriſon benahmt, ent- ſprungen. Mein Vater war, ſo viel ich von mei- nen Kinder-Jahren annoch dencken kan, Schloß- Haupt-Mann eines der Koͤniglichen Schloͤſſer, nicht allzuweit von Londen gelegen, und ich habe nachhero vernommen, daß er dieſe Chargo gan- tzer 10. biß 12. Jahr gefuͤhret, endlich aber dieſelbe wegen einer ihm begegneten fatalen Begebenheit niedergelegt, und ſich mit meiner Mutter und ſei- nen Kindern nach Londen begeben, um daſelbſt noch ruhiger und vergnuͤgter zu leben, als er ſei- nen Gedancken nach bißhero gelebt haͤtte, weiln es ihm an Mitteln gantz und gar nicht fehlete, uns zu ernaͤhren, indem er nicht nur vor ſich ein ziemlich ſtarckes Vermoͤgen gehabt, ſondern auch daſſelbe durch die Heyrath mit meiner Mut- ter um ein wichtiges vermehret. Uber dieſes alles iſt mein Vater im Actien-Handel dergeſtalt gluͤcklich geweſen, daß er ſich die ſchoͤnſten und aus- traͤglichſten Ritter-Guͤter haͤtte kauffen koͤnnen, wenn er nur gewollt haͤtte; Allein er mag, wie mir meine ſeel. Mutter zum oͤfftern erzaͤhlet hat, wohl mehr als einerley, jedoch eben nicht gar all- zu loͤbliche Urſachen gehabt haben, ein ſolches nicht zu thun, vielmehr hat er ſich auf das verzweiffelte Spielen und Wetten gelegt, und iſt dadurch dem Banquerout mehr als einmahl ſehr nahe gewe- ſen, jedoch das Gluͤck im Spielen und Wetten, hauptſaͤchlich aber der Actien-Handel hat ihm nach und nach doch immer dergeſtalt wohlgewollt, und ihm

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743/217>, abgerufen am 04.05.2024.