Hierüber fieng mein Bruder überlaut an zu lachen, und sagte: Jch hoffe nicht, mein Bruder! daß heute der 1. April oder ein dergleichen Fest- Tag ist, jedoch ihr wisset, daß ich gern mit mir schertzen lasse, derowegen so saget mir doch in aller brüderlichen Aufrichtigkeit, wo ich anders dieselbe durch meine gottlose und unbillige Aufführung und Gewissen-loses Verfahren gegen euch nicht gäntzlich verschertzt habe, ohne Zeit-Verlust, was vor ein Geist euch heute zu mir führet, und euch be- geistert hat, dergleichen Redens-Arten gegen mich zu führen?
Ehe wir aber weiter reden, so will mir erst- lich eine Bouteille Canari-Sect langen lassen, damit ich euch desto besser vernehmen kan, denn ich kan nicht läugnen, daß mich ungemein dürstet. So bald die Bouteille angekommen war, und wir ein paar Becher daraus getruncken, eröffnete ich ihm das Geheimniß, welches mir der Gouver- neur anvertraut hatte, auf Treu und Glauben, ließ auch vorerst lieber davon etwas aussen, als daß ich etwas hinzugesetzt hätte. Jhm kamen dennoch alle diese Dinge nicht anders, als ge- wisse Dörffer vor, so, daß ich ihm nicht verüblen konte, wenn er etwa bey diesem und jenem einigen Zweiffel hegte.
Endlich aber machte er mir, so zu sagen, eine und andere Difficultäten, bey diesem oder jenem Puncte, sonderlich in puncto Religionis, indem er, wie er das mahl sagte, um eines Weibes, ja, um aller Welt Güter willen sich nicht überwinden könte, seine Religion, darinnen er von Jugend
auf
Hieruͤber fieng mein Bruder uͤberlaut an zu lachen, und ſagte: Jch hoffe nicht, mein Bruder! daß heute der 1. April oder ein dergleichen Feſt- Tag iſt, jedoch ihr wiſſet, daß ich gern mit mir ſchertzen laſſe, derowegen ſo ſaget mir doch in aller bruͤderlichen Aufrichtigkeit, wo ich anders dieſelbe durch meine gottloſe und unbillige Auffuͤhrung und Gewiſſen-loſes Verfahren gegen euch nicht gaͤntzlich verſchertzt habe, ohne Zeit-Verluſt, was vor ein Geiſt euch heute zu mir fuͤhret, und euch be- geiſtert hat, dergleichen Redens-Arten gegen mich zu fuͤhren?
Ehe wir aber weiter reden, ſo will mir erſt- lich eine Bouteille Canari-Sect langen laſſen, damit ich euch deſto beſſer vernehmen kan, denn ich kan nicht laͤugnen, daß mich ungemein duͤrſtet. So bald die Bouteille angekommen war, und wir ein paar Becher daraus getruncken, eroͤffnete ich ihm das Geheimniß, welches mir der Gouver- neur anvertraut hatte, auf Treu und Glauben, ließ auch vorerſt lieber davon etwas auſſen, als daß ich etwas hinzugeſetzt haͤtte. Jhm kamen dennoch alle dieſe Dinge nicht anders, als ge- wiſſe Doͤrffer vor, ſo, daß ich ihm nicht veruͤblen konte, wenn er etwa bey dieſem und jenem einigen Zweiffel hegte.
Endlich aber machte er mir, ſo zu ſagen, eine und andere Difficultaͤten, bey dieſem oder jenem Puncte, ſonderlich in puncto Religionis, indem er, wie er das mahl ſagte, um eines Weibes, ja, um aller Welt Guͤter willen ſich nicht uͤberwinden koͤnte, ſeine Religion, darinnen er von Jugend
auf
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0183"n="173"/><p>Hieruͤber fieng mein Bruder uͤberlaut an zu<lb/>
lachen, und ſagte: Jch hoffe nicht, mein Bruder!<lb/>
daß heute der 1. <hirendition="#aq">April</hi> oder ein dergleichen Feſt-<lb/>
Tag iſt, jedoch ihr wiſſet, daß ich gern mit mir<lb/>ſchertzen laſſe, derowegen ſo ſaget mir doch in aller<lb/>
bruͤderlichen Aufrichtigkeit, wo ich anders dieſelbe<lb/>
durch meine gottloſe und unbillige Auffuͤhrung<lb/>
und Gewiſſen-loſes Verfahren gegen euch nicht<lb/>
gaͤntzlich verſchertzt habe, ohne Zeit-Verluſt, was<lb/>
vor ein Geiſt euch heute zu mir fuͤhret, und euch be-<lb/>
geiſtert hat, dergleichen Redens-Arten gegen mich<lb/>
zu fuͤhren?</p><lb/><p>Ehe wir aber weiter reden, ſo will mir erſt-<lb/>
lich eine <hirendition="#aq">Bouteille Canari-</hi>Sect langen laſſen,<lb/>
damit ich euch deſto beſſer vernehmen kan, denn ich<lb/>
kan nicht laͤugnen, daß mich ungemein duͤrſtet.<lb/>
So bald die <hirendition="#aq">Bouteille</hi> angekommen war, und wir<lb/>
ein paar Becher daraus getruncken, eroͤffnete ich<lb/>
ihm das Geheimniß, welches mir der <hirendition="#aq">Gouver-<lb/>
neur</hi> anvertraut hatte, auf Treu und Glauben,<lb/>
ließ auch vorerſt lieber davon etwas auſſen, als<lb/>
daß ich etwas hinzugeſetzt haͤtte. Jhm kamen<lb/>
dennoch alle dieſe Dinge nicht anders, als ge-<lb/>
wiſſe Doͤrffer vor, ſo, daß ich ihm nicht veruͤblen<lb/>
konte, wenn er etwa bey dieſem und jenem einigen<lb/>
Zweiffel hegte.</p><lb/><p>Endlich aber machte er mir, ſo zu ſagen, eine<lb/>
und andere <hirendition="#aq">Difficult</hi>aͤten, bey dieſem oder jenem<lb/>
Puncte, ſonderlich <hirendition="#aq">in puncto Religionis,</hi> indem<lb/>
er, wie er das mahl ſagte, um eines Weibes, ja,<lb/>
um aller Welt Guͤter willen ſich nicht uͤberwinden<lb/>
koͤnte, ſeine <hirendition="#aq">Religi</hi>on, darinnen er von Jugend<lb/><fwplace="bottom"type="catch">auf</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[173/0183]
Hieruͤber fieng mein Bruder uͤberlaut an zu
lachen, und ſagte: Jch hoffe nicht, mein Bruder!
daß heute der 1. April oder ein dergleichen Feſt-
Tag iſt, jedoch ihr wiſſet, daß ich gern mit mir
ſchertzen laſſe, derowegen ſo ſaget mir doch in aller
bruͤderlichen Aufrichtigkeit, wo ich anders dieſelbe
durch meine gottloſe und unbillige Auffuͤhrung
und Gewiſſen-loſes Verfahren gegen euch nicht
gaͤntzlich verſchertzt habe, ohne Zeit-Verluſt, was
vor ein Geiſt euch heute zu mir fuͤhret, und euch be-
geiſtert hat, dergleichen Redens-Arten gegen mich
zu fuͤhren?
Ehe wir aber weiter reden, ſo will mir erſt-
lich eine Bouteille Canari-Sect langen laſſen,
damit ich euch deſto beſſer vernehmen kan, denn ich
kan nicht laͤugnen, daß mich ungemein duͤrſtet.
So bald die Bouteille angekommen war, und wir
ein paar Becher daraus getruncken, eroͤffnete ich
ihm das Geheimniß, welches mir der Gouver-
neur anvertraut hatte, auf Treu und Glauben,
ließ auch vorerſt lieber davon etwas auſſen, als
daß ich etwas hinzugeſetzt haͤtte. Jhm kamen
dennoch alle dieſe Dinge nicht anders, als ge-
wiſſe Doͤrffer vor, ſo, daß ich ihm nicht veruͤblen
konte, wenn er etwa bey dieſem und jenem einigen
Zweiffel hegte.
Endlich aber machte er mir, ſo zu ſagen, eine
und andere Difficultaͤten, bey dieſem oder jenem
Puncte, ſonderlich in puncto Religionis, indem
er, wie er das mahl ſagte, um eines Weibes, ja,
um aller Welt Guͤter willen ſich nicht uͤberwinden
koͤnte, ſeine Religion, darinnen er von Jugend
auf
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743/183>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.