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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743.

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Abschied-nehmen kam allen so bitter an, daß die
meisten, eins wie das andere, die heissen Thrä-
nen fallen liessen.

Folgendes Tages in aller Frühe ließ der Gou-
verneur
alle verschenckten Sachen auf der Portu-
giesen Schiffe schaffen, und zwar durch seine eigenen
getreusten Leute, denen wir alle, nach eingenomme-
nem Frühstück, in Chaisen auf dem Fusse nach-
folgten, und auf den Schiffen ankamen, allwo
die Portugiesen sich ungemein erfreueten, daß sie ei-
nen günstigen Wind fanden, mithin sich in mög-
lichster Eile vollends einschifften, und nach nochmah-
ligem genommenen zärtlichen Abschiede und Valet-
Truncke am Strande ihre Ancker lichteten, die
Seegel aufzogen, und unter einem entsetzlichen
Donnern der Canonen so wohl von ihren, als un-
sern Schiffen, ingleichen von der Citadelle, auf und
darvon fuhren. Der Gouverneur blieb mit den
Seinigen so lange am Strande stehen, und winck-
te beständig mit dem Huthe, biß sie uns aus den Au-
gen verschwanden, worauf wir insgesammt zurück
auf die Burg fuhren, indem er uns durchaus nicht
aus den Augen wolte kommen lassen.

Als wir auf der Burg angelanget, sagte er
zu uns beyden Brüdern: Nun, meine werthesten
Brüder! ihr werdet von der Güte seyn, und die
euch angewiesenen Zimmer beziehen, als derglei-
chen keine bessern in meinem Hause anzutreffen sind,
auch alles kühnlich fordern, was zu eurer Bequem-
lichkeit gereicht, denn wahrhafftig, ich liebe euch als
Brüder, meine Gemahlin macht in der Liebe zu ih-
ren Kindern und gegen euch nicht den allergeringsten

Un-

Abſchied-nehmen kam allen ſo bitter an, daß die
meiſten, eins wie das andere, die heiſſen Thraͤ-
nen fallen lieſſen.

Folgendes Tages in aller Fruͤhe ließ der Gou-
verneur
alle verſchenckten Sachen auf der Portu-
gieſen Schiffe ſchaffen, und zwar durch ſeine eigenen
getreuſten Leute, denen wir alle, nach eingenomme-
nem Fruͤhſtuͤck, in Chaiſen auf dem Fuſſe nach-
folgten, und auf den Schiffen ankamen, allwo
die Portugieſen ſich ungemein erfreueten, daß ſie ei-
nen guͤnſtigen Wind fanden, mithin ſich in moͤg-
lichſter Eile vollends einſchifften, und nach nochmah-
ligem genommenen zaͤrtlichen Abſchiede und Valet-
Truncke am Strande ihre Ancker lichteten, die
Seegel aufzogen, und unter einem entſetzlichen
Donnern der Canonen ſo wohl von ihren, als un-
ſern Schiffen, ingleichen von der Citadelle, auf und
darvon fuhren. Der Gouverneur blieb mit den
Seinigen ſo lange am Strande ſtehen, und winck-
te beſtaͤndig mit dem Huthe, biß ſie uns aus den Au-
gen verſchwanden, worauf wir insgeſammt zuruͤck
auf die Burg fuhren, indem er uns durchaus nicht
aus den Augen wolte kommen laſſen.

Als wir auf der Burg angelanget, ſagte er
zu uns beyden Bruͤdern: Nun, meine wertheſten
Bruͤder! ihr werdet von der Guͤte ſeyn, und die
euch angewieſenen Zimmer beziehen, als derglei-
chen keine beſſern in meinem Hauſe anzutreffen ſind,
auch alles kuͤhnlich fordern, was zu eurer Bequem-
lichkeit gereicht, denn wahrhafftig, ich liebe euch als
Bruͤder, meine Gemahlin macht in der Liebe zu ih-
ren Kindern und gegen euch nicht den allergeringſten

Un-
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[156/0166] Abſchied-nehmen kam allen ſo bitter an, daß die meiſten, eins wie das andere, die heiſſen Thraͤ- nen fallen lieſſen. Folgendes Tages in aller Fruͤhe ließ der Gou- verneur alle verſchenckten Sachen auf der Portu- gieſen Schiffe ſchaffen, und zwar durch ſeine eigenen getreuſten Leute, denen wir alle, nach eingenomme- nem Fruͤhſtuͤck, in Chaiſen auf dem Fuſſe nach- folgten, und auf den Schiffen ankamen, allwo die Portugieſen ſich ungemein erfreueten, daß ſie ei- nen guͤnſtigen Wind fanden, mithin ſich in moͤg- lichſter Eile vollends einſchifften, und nach nochmah- ligem genommenen zaͤrtlichen Abſchiede und Valet- Truncke am Strande ihre Ancker lichteten, die Seegel aufzogen, und unter einem entſetzlichen Donnern der Canonen ſo wohl von ihren, als un- ſern Schiffen, ingleichen von der Citadelle, auf und darvon fuhren. Der Gouverneur blieb mit den Seinigen ſo lange am Strande ſtehen, und winck- te beſtaͤndig mit dem Huthe, biß ſie uns aus den Au- gen verſchwanden, worauf wir insgeſammt zuruͤck auf die Burg fuhren, indem er uns durchaus nicht aus den Augen wolte kommen laſſen. Als wir auf der Burg angelanget, ſagte er zu uns beyden Bruͤdern: Nun, meine wertheſten Bruͤder! ihr werdet von der Guͤte ſeyn, und die euch angewieſenen Zimmer beziehen, als derglei- chen keine beſſern in meinem Hauſe anzutreffen ſind, auch alles kuͤhnlich fordern, was zu eurer Bequem- lichkeit gereicht, denn wahrhafftig, ich liebe euch als Bruͤder, meine Gemahlin macht in der Liebe zu ih- ren Kindern und gegen euch nicht den allergeringſten Un-

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743/166>, abgerufen am 27.07.2024.