Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743.

Bild:
<< vorherige Seite

desto prächtiger liesse, daß die Leiche erst Abends,
wann es finster geworden, in der Stadt vor der
Haupt-Kirche anlangen solte. Der Sarg war
von Cedern-Holtze, mit ungemein artigen, schönen
Stücken von Bildhauer-Arbeit von aussen gezie-
ret, inwendig aber mit rothen Sammet ausge-
schlagen, und das Haupt-Küssen war Himmel-
blau, das Todten-Kleid aber von weissen Atlas,
starck mit goldenen Tressen besetzt. Wir hielten
die gantze Nacht hindurch Schiffs-Rath, und be-
sorgten alles, was noch in Ordnung zu bringen
war. Früh Morgens wurde die Leiche im Sarge,
der 12. verguldete Rincken hatte, am Ufer auf einem
Parade-Bette ausgesetzt, und um den Sarg herum
wurden sehr viele Mayen in die Erde gepflantzet,
auch 12. Schiffs-Jungen commandirt, welche die
Fliegen von der Leiche wehren musten. Des Ta-
ges über machten wir unsern Leuten ein Wohlle-
ben, und gaben ihnen das beste Essen und Trin-
cken, da es aber ohngefähr um 2. Uhr Mittags
war, kam der Gouverneur mit etlichen seiner
Officiers in vielen Wagens zu uns gefahren.
Weilen wir nun einen prophetischen Geist ge-
habt, und gleich in der Frühe 12. grosse Zelter auf-
schlagen, auch gnugsame Stühle und Tische hin-
ein setzen lassen; so stiegen alle ab, und begaben
sich, nachdem sie die Leiche und das Parade-Bette,
worunter rothe Lackens ausgebreitet waren, und
welche am Ufer stund, wohl betrachtet hatten, in
die Zelter. Der gütige Gouverneur, welcher die
Redlichkeit selbsten war, sagte zu mir: Meine
lieben Brüder!
wenn ihr mir einen eintzigen Ge-

fallen

deſto praͤchtiger lieſſe, daß die Leiche erſt Abends,
wann es finſter geworden, in der Stadt vor der
Haupt-Kirche anlangen ſolte. Der Sarg war
von Cedern-Holtze, mit ungemein artigen, ſchoͤnen
Stuͤcken von Bildhauer-Arbeit von auſſen gezie-
ret, inwendig aber mit rothen Sammet ausge-
ſchlagen, und das Haupt-Kuͤſſen war Himmel-
blau, das Todten-Kleid aber von weiſſen Atlas,
ſtarck mit goldenen Treſſen beſetzt. Wir hielten
die gantze Nacht hindurch Schiffs-Rath, und be-
ſorgten alles, was noch in Ordnung zu bringen
war. Fruͤh Morgens wurde die Leiche im Sarge,
der 12. verguldete Rincken hatte, am Ufer auf einem
Parade-Bette ausgeſetzt, und um den Sarg herum
wurden ſehr viele Mayen in die Erde gepflantzet,
auch 12. Schiffs-Jungen commandirt, welche die
Fliegen von der Leiche wehren muſten. Des Ta-
ges uͤber machten wir unſern Leuten ein Wohlle-
ben, und gaben ihnen das beſte Eſſen und Trin-
cken, da es aber ohngefaͤhr um 2. Uhr Mittags
war, kam der Gouverneur mit etlichen ſeiner
Officiers in vielen Wagens zu uns gefahren.
Weilen wir nun einen prophetiſchen Geiſt ge-
habt, und gleich in der Fruͤhe 12. groſſe Zelter auf-
ſchlagen, auch gnugſame Stuͤhle und Tiſche hin-
ein ſetzen laſſen; ſo ſtiegen alle ab, und begaben
ſich, nachdem ſie die Leiche und das Parade-Bette,
worunter rothe Lackens ausgebreitet waren, und
welche am Ufer ſtund, wohl betrachtet hatten, in
die Zelter. Der guͤtige Gouverneur, welcher die
Redlichkeit ſelbſten war, ſagte zu mir: Meine
lieben Bruͤder!
wenn ihr mir einen eintzigen Ge-

fallen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0121" n="111"/>
de&#x017F;to pra&#x0364;chtiger lie&#x017F;&#x017F;e, daß die Leiche er&#x017F;t Abends,<lb/>
wann es fin&#x017F;ter geworden, in der Stadt vor der<lb/>
Haupt-Kirche anlangen &#x017F;olte. Der Sarg war<lb/>
von Cedern-Holtze, mit ungemein artigen, &#x017F;cho&#x0364;nen<lb/>
Stu&#x0364;cken von Bildhauer-Arbeit von au&#x017F;&#x017F;en gezie-<lb/>
ret, inwendig aber mit rothen Sammet ausge-<lb/>
&#x017F;chlagen, und das Haupt-Ku&#x0364;&#x017F;&#x017F;en war Himmel-<lb/>
blau, das Todten-Kleid aber von wei&#x017F;&#x017F;en Atlas,<lb/>
&#x017F;tarck mit goldenen <hi rendition="#aq">Tre&#x017F;&#x017F;</hi>en be&#x017F;etzt. Wir hielten<lb/>
die gantze Nacht hindurch Schiffs-Rath, und be-<lb/>
&#x017F;orgten alles, was noch in Ordnung zu bringen<lb/>
war. Fru&#x0364;h Morgens wurde die Leiche im Sarge,<lb/>
der 12. verguldete Rincken hatte, am Ufer auf einem<lb/><hi rendition="#aq">Parade-</hi>Bette ausge&#x017F;etzt, und um den Sarg herum<lb/>
wurden &#x017F;ehr viele Mayen in die Erde gepflantzet,<lb/>
auch 12. Schiffs-Jungen <hi rendition="#aq">commandir</hi>t, welche die<lb/>
Fliegen von der Leiche wehren mu&#x017F;ten. Des Ta-<lb/>
ges u&#x0364;ber machten wir un&#x017F;ern Leuten ein Wohlle-<lb/>
ben, und gaben ihnen das be&#x017F;te E&#x017F;&#x017F;en und Trin-<lb/>
cken, da es aber ohngefa&#x0364;hr um 2. Uhr Mittags<lb/>
war, kam der <hi rendition="#aq">Gouverneur</hi> mit etlichen &#x017F;einer<lb/><hi rendition="#aq">Officiers</hi> in vielen Wagens zu uns gefahren.<lb/>
Weilen wir nun einen <hi rendition="#aq">propheti</hi>&#x017F;chen Gei&#x017F;t ge-<lb/>
habt, und gleich in der Fru&#x0364;he 12. gro&#x017F;&#x017F;e Zelter auf-<lb/>
&#x017F;chlagen, auch gnug&#x017F;ame Stu&#x0364;hle und Ti&#x017F;che hin-<lb/>
ein &#x017F;etzen la&#x017F;&#x017F;en; &#x017F;o &#x017F;tiegen alle ab, und begaben<lb/>
&#x017F;ich, nachdem &#x017F;ie die Leiche und das <hi rendition="#aq">Parade-</hi>Bette,<lb/>
worunter rothe Lackens ausgebreitet waren, und<lb/>
welche am Ufer &#x017F;tund, wohl betrachtet hatten, in<lb/>
die Zelter. Der gu&#x0364;tige <hi rendition="#aq">Gouverneur,</hi> welcher die<lb/>
Redlichkeit &#x017F;elb&#x017F;ten war, &#x017F;agte zu mir: <hi rendition="#fr">Meine<lb/>
lieben Bru&#x0364;der!</hi> wenn ihr mir einen eintzigen Ge-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">fallen</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[111/0121] deſto praͤchtiger lieſſe, daß die Leiche erſt Abends, wann es finſter geworden, in der Stadt vor der Haupt-Kirche anlangen ſolte. Der Sarg war von Cedern-Holtze, mit ungemein artigen, ſchoͤnen Stuͤcken von Bildhauer-Arbeit von auſſen gezie- ret, inwendig aber mit rothen Sammet ausge- ſchlagen, und das Haupt-Kuͤſſen war Himmel- blau, das Todten-Kleid aber von weiſſen Atlas, ſtarck mit goldenen Treſſen beſetzt. Wir hielten die gantze Nacht hindurch Schiffs-Rath, und be- ſorgten alles, was noch in Ordnung zu bringen war. Fruͤh Morgens wurde die Leiche im Sarge, der 12. verguldete Rincken hatte, am Ufer auf einem Parade-Bette ausgeſetzt, und um den Sarg herum wurden ſehr viele Mayen in die Erde gepflantzet, auch 12. Schiffs-Jungen commandirt, welche die Fliegen von der Leiche wehren muſten. Des Ta- ges uͤber machten wir unſern Leuten ein Wohlle- ben, und gaben ihnen das beſte Eſſen und Trin- cken, da es aber ohngefaͤhr um 2. Uhr Mittags war, kam der Gouverneur mit etlichen ſeiner Officiers in vielen Wagens zu uns gefahren. Weilen wir nun einen prophetiſchen Geiſt ge- habt, und gleich in der Fruͤhe 12. groſſe Zelter auf- ſchlagen, auch gnugſame Stuͤhle und Tiſche hin- ein ſetzen laſſen; ſo ſtiegen alle ab, und begaben ſich, nachdem ſie die Leiche und das Parade-Bette, worunter rothe Lackens ausgebreitet waren, und welche am Ufer ſtund, wohl betrachtet hatten, in die Zelter. Der guͤtige Gouverneur, welcher die Redlichkeit ſelbſten war, ſagte zu mir: Meine lieben Bruͤder! wenn ihr mir einen eintzigen Ge- fallen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743/121
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743/121>, abgerufen am 21.11.2024.