Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739.

Bild:
<< vorherige Seite

da es eines Tages gantz heitere Lufft war, rieff
ein Boots-Knecht oben aus dem Mast-Korbe
herunter: Zwey Jnsuln gegen Osten, eine
grösser als die andere. Jch befand mich eben
bey dem Capitain Horn, welcher so gleich vor
Freuden in die Hände schlug, und sagte: GOtt
Lob! das können fast keine andern als die Felsen-
burgischen seyn; er war aber so neugierig und
verwegen, selbst am Maste hinauf zu steigen, nahm
auch ein ziemlich groß Perspectiv mit hinauf, kam
bald wieder hinunter, und sagte: Dem Himmel
sep gedanckt, ich habe die Felsen-Spitzen gantz ei-
gentlich sehen und unterscheiden können, wir sind
zu weit rechter Hand kommen, ich habe aber doch
nur in vergangener Nacht ausgemessen und aus-
gerechnet, daß wir unmöglich weit mehr davon
seyn könten. Derowegen befahl er sogleich dem
Steuer-Manne, den Lauff des Schiffs gegen
Osten zu richten; weil wir aber einen scharffen wie-
derwärtigen Ost-Wind hatten, erreichten wir
erstlich von der Zeit, am Abend des 5ten Tages,
nehmlich an 4ten Jun. 1730. die Jnsul klein Fel-
senburg, allwo, weil sogleich eine sehr finstere Nacht
einbrach, Capitain Horn Ancker werffen ließ,
nachdem wir uns alle zusammen beredet, diese
Nacht gantz stille zu seyn, 2. Stunden vor An-
bruch des Tages aber das verabredete Zeichen zu
geben; denn es daurete uns nicht nur alle Einwoh-
ner, sondern vornehmlich den Alt-Vater, wenn
er ja noch lebte, um die gantze Nacht-Ruhe zu
bringen, und es war leicht zu glauben, daß die
wenigsten vor Freuden ein Auge würden zugethan

haben,

da es eines Tages gantz heitere Lufft war, rieff
ein Boots-Knecht oben aus dem Maſt-Korbe
herunter: Zwey Jnſuln gegen Oſten, eine
groͤſſer als die andere. Jch befand mich eben
bey dem Capitain Horn, welcher ſo gleich vor
Freuden in die Haͤnde ſchlug, und ſagte: GOtt
Lob! das koͤnnen faſt keine andern als die Felſen-
burgiſchen ſeyn; er war aber ſo neugierig und
verwegen, ſelbſt am Maſte hinauf zu ſteigen, nahm
auch ein ziemlich groß Perſpectiv mit hinauf, kam
bald wieder hinunter, und ſagte: Dem Himmel
ſep gedanckt, ich habe die Felſen-Spitzen gantz ei-
gentlich ſehen und unterſcheiden koͤnnen, wir ſind
zu weit rechter Hand kommen, ich habe aber doch
nur in vergangener Nacht ausgemeſſen und aus-
gerechnet, daß wir unmoͤglich weit mehr davon
ſeyn koͤnten. Derowegen befahl er ſogleich dem
Steuer-Manne, den Lauff des Schiffs gegen
Oſten zu richten; weil wir aber einen ſcharffen wie-
derwaͤrtigen Oſt-Wind hatten, erreichten wir
erſtlich von der Zeit, am Abend des 5ten Tages,
nehmlich an 4ten Jun. 1730. die Jnſul klein Fel-
ſenburg, allwo, weil ſogleich eine ſehr finſtere Nacht
einbrach, Capitain Horn Ancker werffen ließ,
nachdem wir uns alle zuſammen beredet, dieſe
Nacht gantz ſtille zu ſeyn, 2. Stunden vor An-
bruch des Tages aber das verabredete Zeichen zu
geben; denn es daurete uns nicht nur alle Einwoh-
ner, ſondern vornehmlich den Alt-Vater, wenn
er ja noch lebte, um die gantze Nacht-Ruhe zu
bringen, und es war leicht zu glauben, daß die
wenigſten vor Freuden ein Auge wuͤrden zugethan

haben,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0044" n="36"/>
da es eines Tages gantz heitere Lufft war, rieff<lb/>
ein Boots-Knecht oben aus dem Ma&#x017F;t-Korbe<lb/>
herunter: <hi rendition="#fr">Zwey Jn&#x017F;uln gegen O&#x017F;ten,</hi> eine<lb/><hi rendition="#fr">gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;er als die andere.</hi> Jch befand mich eben<lb/>
bey dem <hi rendition="#aq">Capitain</hi> Horn, welcher &#x017F;o gleich vor<lb/>
Freuden in die Ha&#x0364;nde &#x017F;chlug, und &#x017F;agte: GOtt<lb/>
Lob! das ko&#x0364;nnen fa&#x017F;t keine andern als die Fel&#x017F;en-<lb/>
burgi&#x017F;chen &#x017F;eyn; er war aber &#x017F;o neugierig und<lb/>
verwegen, &#x017F;elb&#x017F;t am Ma&#x017F;te hinauf zu &#x017F;teigen, nahm<lb/>
auch ein ziemlich groß <hi rendition="#aq">Per&#x017F;pectiv</hi> mit hinauf, kam<lb/>
bald wieder hinunter, und &#x017F;agte: Dem Himmel<lb/>
&#x017F;ep gedanckt, ich habe die Fel&#x017F;en-Spitzen gantz ei-<lb/>
gentlich &#x017F;ehen und unter&#x017F;cheiden ko&#x0364;nnen, wir &#x017F;ind<lb/>
zu weit rechter Hand kommen, ich habe aber doch<lb/>
nur in vergangener Nacht ausgeme&#x017F;&#x017F;en und aus-<lb/>
gerechnet, daß wir unmo&#x0364;glich weit mehr davon<lb/>
&#x017F;eyn ko&#x0364;nten. Derowegen befahl er &#x017F;ogleich dem<lb/>
Steuer-Manne, den Lauff des Schiffs gegen<lb/>
O&#x017F;ten zu richten; weil wir aber einen &#x017F;charffen wie-<lb/>
derwa&#x0364;rtigen O&#x017F;t-Wind hatten, erreichten wir<lb/>
er&#x017F;tlich von der Zeit, am Abend des 5ten Tages,<lb/>
nehmlich an 4ten Jun. 1730. die Jn&#x017F;ul klein Fel-<lb/>
&#x017F;enburg, allwo, weil &#x017F;ogleich eine &#x017F;ehr fin&#x017F;tere Nacht<lb/>
einbrach, <hi rendition="#aq">Capitain</hi> Horn Ancker werffen ließ,<lb/>
nachdem wir uns alle zu&#x017F;ammen beredet, die&#x017F;e<lb/>
Nacht gantz &#x017F;tille zu &#x017F;eyn, 2. Stunden vor An-<lb/>
bruch des Tages aber das verabredete Zeichen zu<lb/>
geben; denn es daurete uns nicht nur alle Einwoh-<lb/>
ner, &#x017F;ondern vornehmlich den Alt-Vater, wenn<lb/>
er ja noch lebte, um die gantze Nacht-Ruhe zu<lb/>
bringen, und es war leicht zu glauben, daß die<lb/>
wenig&#x017F;ten vor Freuden ein Auge wu&#x0364;rden zugethan<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">haben,</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[36/0044] da es eines Tages gantz heitere Lufft war, rieff ein Boots-Knecht oben aus dem Maſt-Korbe herunter: Zwey Jnſuln gegen Oſten, eine groͤſſer als die andere. Jch befand mich eben bey dem Capitain Horn, welcher ſo gleich vor Freuden in die Haͤnde ſchlug, und ſagte: GOtt Lob! das koͤnnen faſt keine andern als die Felſen- burgiſchen ſeyn; er war aber ſo neugierig und verwegen, ſelbſt am Maſte hinauf zu ſteigen, nahm auch ein ziemlich groß Perſpectiv mit hinauf, kam bald wieder hinunter, und ſagte: Dem Himmel ſep gedanckt, ich habe die Felſen-Spitzen gantz ei- gentlich ſehen und unterſcheiden koͤnnen, wir ſind zu weit rechter Hand kommen, ich habe aber doch nur in vergangener Nacht ausgemeſſen und aus- gerechnet, daß wir unmoͤglich weit mehr davon ſeyn koͤnten. Derowegen befahl er ſogleich dem Steuer-Manne, den Lauff des Schiffs gegen Oſten zu richten; weil wir aber einen ſcharffen wie- derwaͤrtigen Oſt-Wind hatten, erreichten wir erſtlich von der Zeit, am Abend des 5ten Tages, nehmlich an 4ten Jun. 1730. die Jnſul klein Fel- ſenburg, allwo, weil ſogleich eine ſehr finſtere Nacht einbrach, Capitain Horn Ancker werffen ließ, nachdem wir uns alle zuſammen beredet, dieſe Nacht gantz ſtille zu ſeyn, 2. Stunden vor An- bruch des Tages aber das verabredete Zeichen zu geben; denn es daurete uns nicht nur alle Einwoh- ner, ſondern vornehmlich den Alt-Vater, wenn er ja noch lebte, um die gantze Nacht-Ruhe zu bringen, und es war leicht zu glauben, daß die wenigſten vor Freuden ein Auge wuͤrden zugethan haben,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/44
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/44>, abgerufen am 22.11.2024.