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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739.

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fanffte auff den Backen, und küssete ihre Hand,
zu mir aber sprach er: Mein Herr! meine Frau
sprach nur vor wenig Tagen zu mir, da ich ihr ei-
ne ohnlängst passirte Geschicht erzählet hatte: das
wären die allereinfältigsten und dümmsten Wei-
ber, die sich im Liebes-Wercke mit einem Galan,
von ihren Männern betrappeln liessen, auch wäre
der Männer List, gegen der Weiber List, gar nichts
zu schätzen. Jch wuste nicht, ob, oder was |ich
hierauf antworten solte, der Marquis aber, wel-
cher wohl merckte, daß ich mich von meiner Be-
stürtzung noch nicht recolligiren konte, fuhr im
Reden fort: Mein Herr! ich glaube wohl, daß
ihr nicht wisset, ob ihr hier bey mir verrathen oder
verkaufft seyd, allein, trauet meiner redlichen Pa-
role,
fürchtet euch vor keiner Gefahr oder Hin-
terlist, sondern seyd gutes Muths, und folget mir
in jene Grotte. Er nahm also seine Frau bey der
lincken Hand, und mir reichte sie die rechte, mit-
hin spatzirten wir in eine vortreffliche Grotte, allwo
die köstlichsten Erfrischung bereits zu rechte gesetzt
waren. Er trunck mir ein Glaß Wein zu, auf
redliche Freundschafft, und da ich solches Bescheid
gethan, praesentirte er erstlich der Dame, hernach
mir verschiedene Confituren, fing hierauf also zu
reden an: Mein Herr! ich bin niemahls derjenige,
so seine eigene Conduite rühmet, allein, ich zwei-
fle nicht, ihr werdet mir zugestehen müssen, daß
dieselbe heute gegen euch und diese Dame gantz son-
derbar gewesen. Jch glaube nicht, daß in Euro-
pa unter tausend Männern einer anzutreffen, und
wenn er auch eine Castrat wäre, der sich bey einer

solchen

fanffte auff den Backen, und kuͤſſete ihre Hand,
zu mir aber ſprach er: Mein Herr! meine Frau
ſprach nur vor wenig Tagen zu mir, da ich ihr ei-
ne ohnlaͤngſt paſſirte Geſchicht erzaͤhlet hatte: das
waͤren die allereinfaͤltigſten und duͤmmſten Wei-
ber, die ſich im Liebes-Wercke mit einem Galan,
von ihren Maͤnnern betrappeln lieſſen, auch waͤre
der Maͤnner Liſt, gegen der Weiber Liſt, gar nichts
zu ſchaͤtzen. Jch wuſte nicht, ob, oder was |ich
hierauf antworten ſolte, der Marquis aber, wel-
cher wohl merckte, daß ich mich von meiner Be-
ſtuͤrtzung noch nicht recolligiren konte, fuhr im
Reden fort: Mein Herr! ich glaube wohl, daß
ihr nicht wiſſet, ob ihr hier bey mir verrathen oder
verkaufft ſeyd, allein, trauet meiner redlichen Pa-
role,
fuͤrchtet euch vor keiner Gefahr oder Hin-
terliſt, ſondern ſeyd gutes Muths, und folget mir
in jene Grotte. Er nahm alſo ſeine Frau bey der
lincken Hand, und mir reichte ſie die rechte, mit-
hin ſpatzirten wir in eine vortreffliche Grotte, allwo
die koͤſtlichſten Erfriſchung bereits zu rechte geſetzt
waren. Er trunck mir ein Glaß Wein zu, auf
redliche Freundſchafft, und da ich ſolches Beſcheid
gethan, præſentirte er erſtlich der Dame, hernach
mir verſchiedene Confituren, fing hierauf alſo zu
reden an: Mein Herr! ich bin niemahls derjenige,
ſo ſeine eigene Conduite ruͤhmet, allein, ich zwei-
fle nicht, ihr werdet mir zugeſtehen muͤſſen, daß
dieſelbe heute gegen euch und dieſe Dame gantz ſon-
derbar geweſen. Jch glaube nicht, daß in Euro-
pa unter tauſend Maͤnnern einer anzutreffen, und
wenn er auch eine Caſtrat waͤre, der ſich bey einer

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[395/0403] fanffte auff den Backen, und kuͤſſete ihre Hand, zu mir aber ſprach er: Mein Herr! meine Frau ſprach nur vor wenig Tagen zu mir, da ich ihr ei- ne ohnlaͤngſt paſſirte Geſchicht erzaͤhlet hatte: das waͤren die allereinfaͤltigſten und duͤmmſten Wei- ber, die ſich im Liebes-Wercke mit einem Galan, von ihren Maͤnnern betrappeln lieſſen, auch waͤre der Maͤnner Liſt, gegen der Weiber Liſt, gar nichts zu ſchaͤtzen. Jch wuſte nicht, ob, oder was |ich hierauf antworten ſolte, der Marquis aber, wel- cher wohl merckte, daß ich mich von meiner Be- ſtuͤrtzung noch nicht recolligiren konte, fuhr im Reden fort: Mein Herr! ich glaube wohl, daß ihr nicht wiſſet, ob ihr hier bey mir verrathen oder verkaufft ſeyd, allein, trauet meiner redlichen Pa- role, fuͤrchtet euch vor keiner Gefahr oder Hin- terliſt, ſondern ſeyd gutes Muths, und folget mir in jene Grotte. Er nahm alſo ſeine Frau bey der lincken Hand, und mir reichte ſie die rechte, mit- hin ſpatzirten wir in eine vortreffliche Grotte, allwo die koͤſtlichſten Erfriſchung bereits zu rechte geſetzt waren. Er trunck mir ein Glaß Wein zu, auf redliche Freundſchafft, und da ich ſolches Beſcheid gethan, præſentirte er erſtlich der Dame, hernach mir verſchiedene Confituren, fing hierauf alſo zu reden an: Mein Herr! ich bin niemahls derjenige, ſo ſeine eigene Conduite ruͤhmet, allein, ich zwei- fle nicht, ihr werdet mir zugeſtehen muͤſſen, daß dieſelbe heute gegen euch und dieſe Dame gantz ſon- derbar geweſen. Jch glaube nicht, daß in Euro- pa unter tauſend Maͤnnern einer anzutreffen, und wenn er auch eine Caſtrat waͤre, der ſich bey einer ſolchen

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739, S. 395. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/403>, abgerufen am 18.05.2024.