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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739.

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halb 12. Uhr stund die Kugel auf einmahl stille, aus
dem Eingange nach Osten zu, erschallete ein gräßli-
cher Laut, als ob auf einem grossen Horne geblasen
würde. Hierauf erhub sich ein wunderlich durch
einander her, grob und klar klingendes Schreyen,
Heulen und Winseln, welches etwa 4. Minuten
währete, und als das Horn zum andern mahle ge-
blasen wurde, so gleich aufhörete. Nach diesem
ließ eine dumpffigte Stimme, die unserm Bedün-
cken nach aus dem grossen Altare kam, etliche un-
vernehmliche Worte hören, worauf sich ein sanff-
tes Gemurmele im gantzen Tempel erhub, inzwi-
schen aber liessen sich bald dort bald da laute Stim-
men hören, als ob sie etwas fragten, worauf ihnen
die dumpffigte Stimme aus dem Altar allezeit or-
dentlich antwortete, biß endlich das Schreyen,
Heulen und Winseln wieder anging, und sich nicht
eher als bey Blasung des Horns endigte. Kaum
war der Schall des Horns verschwunden, als sich
eben ein so starcker Knall, wie vor einer Stunde,
auch eben dergleichen Erschütterung, Gepoltere
und Geprassele zutrug, jedoch über alles dieses war
der gantze Tempel voll lauter Feuer, und nicht an-
ders anzusehen, als ein im höchsten Grad geheitzter
Brenn- oder Schmeltz-Ofen, es schlugen etliche
mahl Flammen heraus auf uns zu, weßwegen ei-
nige der Unsern furchtsam werden und zurück wei-
chen wolten, allein, wir vordersten sassen wie un-
bewegliche Steine, liessen uns nichts anfechten,
und ich kan versichern, daß die heraus schlagenden
Flammen nicht die geringste Hitze mit sich brachten,
sondern ein blosses Lufft-Spiel waren, welches

Gauckel-

halb 12. Uhr ſtund die Kugel auf einmahl ſtille, aus
dem Eingange nach Oſten zu, erſchallete ein graͤßli-
cher Laut, als ob auf einem groſſen Horne geblaſen
wuͤrde. Hierauf erhub ſich ein wunderlich durch
einander her, grob und klar klingendes Schreyen,
Heulen und Winſeln, welches etwa 4. Minuten
waͤhrete, und als das Horn zum andern mahle ge-
blaſen wurde, ſo gleich aufhoͤrete. Nach dieſem
ließ eine dumpffigte Stimme, die unſerm Beduͤn-
cken nach aus dem groſſen Altare kam, etliche un-
vernehmliche Worte hoͤren, worauf ſich ein ſanff-
tes Gemurmele im gantzen Tempel erhub, inzwi-
ſchen aber lieſſen ſich bald dort bald da laute Stim-
men hoͤren, als ob ſie etwas fragten, worauf ihnen
die dumpffigte Stimme aus dem Altar allezeit or-
dentlich antwortete, biß endlich das Schreyen,
Heulen und Winſeln wieder anging, und ſich nicht
eher als bey Blaſung des Horns endigte. Kaum
war der Schall des Horns verſchwunden, als ſich
eben ein ſo ſtarcker Knall, wie vor einer Stunde,
auch eben dergleichen Erſchuͤtterung, Gepoltere
und Gepraſſele zutrug, jedoch uͤber alles dieſes war
der gantze Tempel voll lauter Feuer, und nicht an-
ders anzuſehen, als ein im hoͤchſten Grad geheitzter
Brenn- oder Schmeltz-Ofen, es ſchlugen etliche
mahl Flammen heraus auf uns zu, weßwegen ei-
nige der Unſern furchtſam werden und zuruͤck wei-
chen wolten, allein, wir vorderſten ſaſſen wie un-
bewegliche Steine, lieſſen uns nichts anfechten,
und ich kan verſichern, daß die heraus ſchlagenden
Flammen nicht die geringſte Hitze mit ſich brachten,
ſondern ein bloſſes Lufft-Spiel waren, welches

Gauckel-
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[326/0334] halb 12. Uhr ſtund die Kugel auf einmahl ſtille, aus dem Eingange nach Oſten zu, erſchallete ein graͤßli- cher Laut, als ob auf einem groſſen Horne geblaſen wuͤrde. Hierauf erhub ſich ein wunderlich durch einander her, grob und klar klingendes Schreyen, Heulen und Winſeln, welches etwa 4. Minuten waͤhrete, und als das Horn zum andern mahle ge- blaſen wurde, ſo gleich aufhoͤrete. Nach dieſem ließ eine dumpffigte Stimme, die unſerm Beduͤn- cken nach aus dem groſſen Altare kam, etliche un- vernehmliche Worte hoͤren, worauf ſich ein ſanff- tes Gemurmele im gantzen Tempel erhub, inzwi- ſchen aber lieſſen ſich bald dort bald da laute Stim- men hoͤren, als ob ſie etwas fragten, worauf ihnen die dumpffigte Stimme aus dem Altar allezeit or- dentlich antwortete, biß endlich das Schreyen, Heulen und Winſeln wieder anging, und ſich nicht eher als bey Blaſung des Horns endigte. Kaum war der Schall des Horns verſchwunden, als ſich eben ein ſo ſtarcker Knall, wie vor einer Stunde, auch eben dergleichen Erſchuͤtterung, Gepoltere und Gepraſſele zutrug, jedoch uͤber alles dieſes war der gantze Tempel voll lauter Feuer, und nicht an- ders anzuſehen, als ein im hoͤchſten Grad geheitzter Brenn- oder Schmeltz-Ofen, es ſchlugen etliche mahl Flammen heraus auf uns zu, weßwegen ei- nige der Unſern furchtſam werden und zuruͤck wei- chen wolten, allein, wir vorderſten ſaſſen wie un- bewegliche Steine, lieſſen uns nichts anfechten, und ich kan verſichern, daß die heraus ſchlagenden Flammen nicht die geringſte Hitze mit ſich brachten, ſondern ein bloſſes Lufft-Spiel waren, welches Gauckel-

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739, S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/334>, abgerufen am 17.05.2024.