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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739.

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hören; nachdem sie sich aber gäntzlich aus unsern
Gesicht und Gehör verlohren, sahen wir alle den
Mons. van Blac an, und verwunderten uns höch-
lich, daß sein Traum auch in diesem Stücke so ac-
curat eingetroffen wäre. Er hingegen schien sehr
muthig zu seyn, und sagte: Meine Herren und
Freunde, ich bin in meinem Hertzen vollkommen
versichert, daß wir in diesem Gebürge, nach der
alten Art zu reden, ein besonderes Abentheuer an-
treffen werden, derowegen lasset uns, weil es noch
hoch am Tage, auf die Felsen-Klufft zu wandern;
gönnet mir die Ehre, daß ich voraus gehe, und se-
he, wie es in derselbigen beschaffen, indem ich, als
ein Mensch, der viele Gefährlichkeiten ausgestanden,
Courage genung darzu habe. Wir weigerten uns
nicht, ihm zu folgen, und erreichten nach Verlauff
einer guten halben Stunde mit vieler Beschwerlich-
keit den Eingang zu der Felsen-Klufft, welchen wir
aber gantz anders befanden, als er sich unsern Au-
gen von ferne praesentirete, denn auf beyden Sei-
ten hatte, dem Ansehen nach, die Natur, so zu sagen,
hohe Mauern oder Pfeilee gesetzt, zwischen welchen
nur eine Person auf demschmalen Wege hingehen,
und sonst nichts, als die hohen Felsen-Mauern neben
sich, und den Himmel über sich sehen konte, so war
auch dieser schmale Weg, der 3. Krümmen hatte,
100. und etliche 30. Schritte lang. Mons. van
Blac,
der sehr emsig im Gehen war, blieb endlich ste-
hen, und rieff zurück: Halt! hier ist das Ende, wei-
ter können wir nicht kommen. Demnach versamm-
leten wir uns alle, als wir aus dem schmalen Gan-
ge heraus gekommen waren, um ihn hernm, auf

einem
III. Theil. (U)

hoͤren; nachdem ſie ſich aber gaͤntzlich aus unſern
Geſicht und Gehoͤr verlohren, ſahen wir alle den
Monſ. van Blac an, und verwunderten uns hoͤch-
lich, daß ſein Traum auch in dieſem Stuͤcke ſo ac-
curat eingetroffen waͤre. Er hingegen ſchien ſehr
muthig zu ſeyn, und ſagte: Meine Herren und
Freunde, ich bin in meinem Hertzen vollkommen
verſichert, daß wir in dieſem Gebuͤrge, nach der
alten Art zu reden, ein beſonderes Abentheuer an-
treffen werden, derowegen laſſet uns, weil es noch
hoch am Tage, auf die Felſen-Klufft zu wandern;
goͤnnet mir die Ehre, daß ich voraus gehe, und ſe-
he, wie es in derſelbigen beſchaffen, indem ich, als
ein Menſch, der viele Gefaͤhrlichkeiten ausgeſtanden,
Courage genung darzu habe. Wir weigerten uns
nicht, ihm zu folgen, und erreichten nach Verlauff
einer guten halben Stunde mit vieler Beſchwerlich-
keit den Eingang zu der Felſen-Klufft, welchen wir
aber gantz anders befanden, als er ſich unſern Au-
gen von ferne præſentirete, denn auf beyden Sei-
ten hatte, dem Anſehen nach, die Natur, ſo zu ſagen,
hohe Mauern oder Pfeilee geſetzt, zwiſchen welchen
nur eine Perſon auf demſchmalen Wege hingehen,
und ſonſt nichts, als die hohen Felſen-Mauern neben
ſich, und den Himmel uͤber ſich ſehen konte, ſo war
auch dieſer ſchmale Weg, der 3. Kruͤmmen hatte,
100. und etliche 30. Schritte lang. Monſ. van
Blac,
der ſehr emſig im Gehen war, blieb endlich ſte-
hen, und rieff zuruͤck: Halt! hier iſt das Ende, wei-
ter koͤnnen wir nicht kommen. Demnach verſam̃-
leten wir uns alle, als wir aus dem ſchmalen Gan-
ge heraus gekommen waren, um ihn hernm, auf

einem
III. Theil. (U)
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[305/0313] hoͤren; nachdem ſie ſich aber gaͤntzlich aus unſern Geſicht und Gehoͤr verlohren, ſahen wir alle den Monſ. van Blac an, und verwunderten uns hoͤch- lich, daß ſein Traum auch in dieſem Stuͤcke ſo ac- curat eingetroffen waͤre. Er hingegen ſchien ſehr muthig zu ſeyn, und ſagte: Meine Herren und Freunde, ich bin in meinem Hertzen vollkommen verſichert, daß wir in dieſem Gebuͤrge, nach der alten Art zu reden, ein beſonderes Abentheuer an- treffen werden, derowegen laſſet uns, weil es noch hoch am Tage, auf die Felſen-Klufft zu wandern; goͤnnet mir die Ehre, daß ich voraus gehe, und ſe- he, wie es in derſelbigen beſchaffen, indem ich, als ein Menſch, der viele Gefaͤhrlichkeiten ausgeſtanden, Courage genung darzu habe. Wir weigerten uns nicht, ihm zu folgen, und erreichten nach Verlauff einer guten halben Stunde mit vieler Beſchwerlich- keit den Eingang zu der Felſen-Klufft, welchen wir aber gantz anders befanden, als er ſich unſern Au- gen von ferne præſentirete, denn auf beyden Sei- ten hatte, dem Anſehen nach, die Natur, ſo zu ſagen, hohe Mauern oder Pfeilee geſetzt, zwiſchen welchen nur eine Perſon auf demſchmalen Wege hingehen, und ſonſt nichts, als die hohen Felſen-Mauern neben ſich, und den Himmel uͤber ſich ſehen konte, ſo war auch dieſer ſchmale Weg, der 3. Kruͤmmen hatte, 100. und etliche 30. Schritte lang. Monſ. van Blac, der ſehr emſig im Gehen war, blieb endlich ſte- hen, und rieff zuruͤck: Halt! hier iſt das Ende, wei- ter koͤnnen wir nicht kommen. Demnach verſam̃- leten wir uns alle, als wir aus dem ſchmalen Gan- ge heraus gekommen waren, um ihn hernm, auf einem III. Theil. (U)

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/313>, abgerufen am 25.11.2024.