Leuten, jenseit desselben stünde, und mir immer ein Seil nach dem andern zuwarff, um mich dahin zu bewegen, in den Fluß zu schwimmen, und das Seil zu ergreiffen. Eines Morgens, da ich eben derglei- chen Traum gehabt, sprach ich selbst noch halb im Schlaffe diese Worte zu mir: Du wirst auf diesem Felsen nicht sterben, sondern errettet werden, und deinen Liebsten van Blac endlich wieder zu sehen krie- gen. Ob ich nun schon diese Worte in der Phan- tasie selbst zu mir gesprochen, so trösteten sie mich doch dergestalt, daß ich fast völlige Hoffnung zu meiner Errettung schöpffte. Jmmittelst fiel mir dabey ein, um desto mehrerer Sicherheit meiner Eh- re wegen, die Weibs-Kleider aus- und hergegen ein Manns-Kleid von den Ertrunckenen anzuziehen auch mich vor einen Schiffs-Koch auszugeben, in- dem ich aus den Briefschafften des einen Ertrun- ckenen sahe, daß er ein Koch, und auf der Rück- Reise aus Brasilien nach Portugall begriffen gewe- sen. Meine Kleider warff ich also in die See, und zohe einen völligen Manns-Habit an, schnitt mei- ne Haare vor einem gefundenen Spiegel vollends kurtz ab, weil ich ohne dem wegen der gehabten, jedoch bereits geheilten Haupt-Wunde schon ein ziemlich Theil derselben abgeschnitten hatte. Kurtz von der Sache zu reden, ich sahe meiner Meinung nach einer Manns-Person vollkommen ähnlich, und truge zwischen zweyen Hembdern ein ledern Collett.
Endlich da ich 5. Wochen und 4. Tage auf diesem Felsen zugebracht, erschien die Stunde meiner Er- lösung, denn dieser ehrliche Portugiesische Capi- tain, welcher im Sturme auch viel ausgestanden,
und
Leuten, jenſeit deſſelben ſtuͤnde, und mir immer ein Seil nach dem andern zuwarff, um mich dahin zu bewegen, in den Fluß zu ſchwimmen, und das Seil zu ergreiffen. Eines Morgens, da ich eben derglei- chen Traum gehabt, ſprach ich ſelbſt noch halb im Schlaffe dieſe Worte zu mir: Du wirſt auf dieſem Felſen nicht ſterben, ſondern errettet werden, und deinen Liebſten van Blac endlich wieder zu ſehen krie- gen. Ob ich nun ſchon dieſe Worte in der Phan- taſie ſelbſt zu mir geſprochen, ſo troͤſteten ſie mich doch dergeſtalt, daß ich faſt voͤllige Hoffnung zu meiner Errettung ſchoͤpffte. Jmmittelſt fiel mir dabey ein, um deſto mehrerer Sicherheit meiner Eh- re wegen, die Weibs-Kleider aus- und hergegen ein Manns-Kleid von den Ertrunckenen anzuziehen auch mich vor einen Schiffs-Koch auszugeben, in- dem ich aus den Briefſchafften des einen Ertrun- ckenen ſahe, daß er ein Koch, und auf der Ruͤck- Reiſe aus Braſilien nach Portugall begriffen gewe- ſen. Meine Kleider warff ich alſo in die See, und zohe einen voͤlligen Manns-Habit an, ſchnitt mei- ne Haare vor einem gefundenen Spiegel vollends kurtz ab, weil ich ohne dem wegen der gehabten, jedoch bereits geheilten Haupt-Wunde ſchon ein ziemlich Theil derſelben abgeſchnitten hatte. Kurtz von der Sache zu reden, ich ſahe meiner Meinung nach einer Manns-Perſon vollkommen aͤhnlich, und truge zwiſchen zweyen Hembdern ein ledern Collett.
Endlich da ich 5. Wochen und 4. Tage auf dieſem Felſen zugebracht, erſchien die Stunde meiner Er- loͤſung, denn dieſer ehrliche Portugieſiſche Capi- tain, welcher im Sturme auch viel ausgeſtanden,
und
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0272"n="264"/>
Leuten, jenſeit deſſelben ſtuͤnde, und mir immer ein<lb/>
Seil nach dem andern zuwarff, um mich dahin zu<lb/>
bewegen, in den Fluß zu ſchwimmen, und das Seil<lb/>
zu ergreiffen. Eines Morgens, da ich eben derglei-<lb/>
chen Traum gehabt, ſprach ich ſelbſt noch halb im<lb/>
Schlaffe dieſe Worte zu mir: Du wirſt auf dieſem<lb/>
Felſen nicht ſterben, ſondern errettet werden, und<lb/>
deinen Liebſten <hirendition="#aq">van Blac</hi> endlich wieder zu ſehen krie-<lb/>
gen. Ob ich nun ſchon dieſe Worte in der <hirendition="#aq">Phan-<lb/>
taſie</hi>ſelbſt zu mir geſprochen, ſo troͤſteten ſie mich<lb/>
doch dergeſtalt, daß ich faſt voͤllige Hoffnung zu<lb/>
meiner Errettung ſchoͤpffte. Jmmittelſt fiel mir<lb/>
dabey ein, um deſto mehrerer Sicherheit meiner Eh-<lb/>
re wegen, die Weibs-Kleider aus- und hergegen<lb/>
ein Manns-Kleid von den Ertrunckenen anzuziehen<lb/>
auch mich vor einen Schiffs-Koch auszugeben, in-<lb/>
dem ich aus den Briefſchafften des einen Ertrun-<lb/>
ckenen ſahe, daß er ein Koch, und auf der Ruͤck-<lb/>
Reiſe aus Braſilien nach Portugall begriffen gewe-<lb/>ſen. Meine Kleider warff ich alſo in die See, und<lb/>
zohe einen voͤlligen Manns-Habit an, ſchnitt mei-<lb/>
ne Haare vor einem gefundenen Spiegel vollends<lb/>
kurtz ab, weil ich ohne dem wegen der gehabten,<lb/>
jedoch bereits geheilten Haupt-Wunde ſchon ein<lb/>
ziemlich Theil derſelben abgeſchnitten hatte. Kurtz<lb/>
von der Sache zu reden, ich ſahe meiner Meinung<lb/>
nach einer Manns-Perſon vollkommen aͤhnlich, und<lb/>
truge zwiſchen zweyen Hembdern ein ledern Collett.</p><lb/><p>Endlich da ich 5. Wochen und 4. Tage auf dieſem<lb/>
Felſen zugebracht, erſchien die Stunde meiner Er-<lb/>
loͤſung, denn dieſer ehrliche Portugieſiſche <hirendition="#aq">Capi-<lb/>
tain,</hi> welcher im Sturme auch viel ausgeſtanden,<lb/><fwplace="bottom"type="catch">und</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[264/0272]
Leuten, jenſeit deſſelben ſtuͤnde, und mir immer ein
Seil nach dem andern zuwarff, um mich dahin zu
bewegen, in den Fluß zu ſchwimmen, und das Seil
zu ergreiffen. Eines Morgens, da ich eben derglei-
chen Traum gehabt, ſprach ich ſelbſt noch halb im
Schlaffe dieſe Worte zu mir: Du wirſt auf dieſem
Felſen nicht ſterben, ſondern errettet werden, und
deinen Liebſten van Blac endlich wieder zu ſehen krie-
gen. Ob ich nun ſchon dieſe Worte in der Phan-
taſie ſelbſt zu mir geſprochen, ſo troͤſteten ſie mich
doch dergeſtalt, daß ich faſt voͤllige Hoffnung zu
meiner Errettung ſchoͤpffte. Jmmittelſt fiel mir
dabey ein, um deſto mehrerer Sicherheit meiner Eh-
re wegen, die Weibs-Kleider aus- und hergegen
ein Manns-Kleid von den Ertrunckenen anzuziehen
auch mich vor einen Schiffs-Koch auszugeben, in-
dem ich aus den Briefſchafften des einen Ertrun-
ckenen ſahe, daß er ein Koch, und auf der Ruͤck-
Reiſe aus Braſilien nach Portugall begriffen gewe-
ſen. Meine Kleider warff ich alſo in die See, und
zohe einen voͤlligen Manns-Habit an, ſchnitt mei-
ne Haare vor einem gefundenen Spiegel vollends
kurtz ab, weil ich ohne dem wegen der gehabten,
jedoch bereits geheilten Haupt-Wunde ſchon ein
ziemlich Theil derſelben abgeſchnitten hatte. Kurtz
von der Sache zu reden, ich ſahe meiner Meinung
nach einer Manns-Perſon vollkommen aͤhnlich, und
truge zwiſchen zweyen Hembdern ein ledern Collett.
Endlich da ich 5. Wochen und 4. Tage auf dieſem
Felſen zugebracht, erſchien die Stunde meiner Er-
loͤſung, denn dieſer ehrliche Portugieſiſche Capi-
tain, welcher im Sturme auch viel ausgeſtanden,
und
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/272>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.