Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739.

Bild:
<< vorherige Seite

Leuten, jenseit desselben stünde, und mir immer ein
Seil nach dem andern zuwarff, um mich dahin zu
bewegen, in den Fluß zu schwimmen, und das Seil
zu ergreiffen. Eines Morgens, da ich eben derglei-
chen Traum gehabt, sprach ich selbst noch halb im
Schlaffe diese Worte zu mir: Du wirst auf diesem
Felsen nicht sterben, sondern errettet werden, und
deinen Liebsten van Blac endlich wieder zu sehen krie-
gen. Ob ich nun schon diese Worte in der Phan-
tasie
selbst zu mir gesprochen, so trösteten sie mich
doch dergestalt, daß ich fast völlige Hoffnung zu
meiner Errettung schöpffte. Jmmittelst fiel mir
dabey ein, um desto mehrerer Sicherheit meiner Eh-
re wegen, die Weibs-Kleider aus- und hergegen
ein Manns-Kleid von den Ertrunckenen anzuziehen
auch mich vor einen Schiffs-Koch auszugeben, in-
dem ich aus den Briefschafften des einen Ertrun-
ckenen sahe, daß er ein Koch, und auf der Rück-
Reise aus Brasilien nach Portugall begriffen gewe-
sen. Meine Kleider warff ich also in die See, und
zohe einen völligen Manns-Habit an, schnitt mei-
ne Haare vor einem gefundenen Spiegel vollends
kurtz ab, weil ich ohne dem wegen der gehabten,
jedoch bereits geheilten Haupt-Wunde schon ein
ziemlich Theil derselben abgeschnitten hatte. Kurtz
von der Sache zu reden, ich sahe meiner Meinung
nach einer Manns-Person vollkommen ähnlich, und
truge zwischen zweyen Hembdern ein ledern Collett.

Endlich da ich 5. Wochen und 4. Tage auf diesem
Felsen zugebracht, erschien die Stunde meiner Er-
lösung, denn dieser ehrliche Portugiesische Capi-
tain,
welcher im Sturme auch viel ausgestanden,

und

Leuten, jenſeit deſſelben ſtuͤnde, und mir immer ein
Seil nach dem andern zuwarff, um mich dahin zu
bewegen, in den Fluß zu ſchwimmen, und das Seil
zu ergreiffen. Eines Morgens, da ich eben derglei-
chen Traum gehabt, ſprach ich ſelbſt noch halb im
Schlaffe dieſe Worte zu mir: Du wirſt auf dieſem
Felſen nicht ſterben, ſondern errettet werden, und
deinen Liebſten van Blac endlich wieder zu ſehen krie-
gen. Ob ich nun ſchon dieſe Worte in der Phan-
taſie
ſelbſt zu mir geſprochen, ſo troͤſteten ſie mich
doch dergeſtalt, daß ich faſt voͤllige Hoffnung zu
meiner Errettung ſchoͤpffte. Jmmittelſt fiel mir
dabey ein, um deſto mehrerer Sicherheit meiner Eh-
re wegen, die Weibs-Kleider aus- und hergegen
ein Manns-Kleid von den Ertrunckenen anzuziehen
auch mich vor einen Schiffs-Koch auszugeben, in-
dem ich aus den Briefſchafften des einen Ertrun-
ckenen ſahe, daß er ein Koch, und auf der Ruͤck-
Reiſe aus Braſilien nach Portugall begriffen gewe-
ſen. Meine Kleider warff ich alſo in die See, und
zohe einen voͤlligen Manns-Habit an, ſchnitt mei-
ne Haare vor einem gefundenen Spiegel vollends
kurtz ab, weil ich ohne dem wegen der gehabten,
jedoch bereits geheilten Haupt-Wunde ſchon ein
ziemlich Theil derſelben abgeſchnitten hatte. Kurtz
von der Sache zu reden, ich ſahe meiner Meinung
nach einer Manns-Perſon vollkommen aͤhnlich, und
truge zwiſchen zweyen Hembdern ein ledern Collett.

Endlich da ich 5. Wochen und 4. Tage auf dieſem
Felſen zugebracht, erſchien die Stunde meiner Er-
loͤſung, denn dieſer ehrliche Portugieſiſche Capi-
tain,
welcher im Sturme auch viel ausgeſtanden,

und
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0272" n="264"/>
Leuten, jen&#x017F;eit de&#x017F;&#x017F;elben &#x017F;tu&#x0364;nde, und mir immer ein<lb/>
Seil nach dem andern zuwarff, um mich dahin zu<lb/>
bewegen, in den Fluß zu &#x017F;chwimmen, und das Seil<lb/>
zu ergreiffen. Eines Morgens, da ich eben derglei-<lb/>
chen Traum gehabt, &#x017F;prach ich &#x017F;elb&#x017F;t noch halb im<lb/>
Schlaffe die&#x017F;e Worte zu mir: Du wir&#x017F;t auf die&#x017F;em<lb/>
Fel&#x017F;en nicht &#x017F;terben, &#x017F;ondern errettet werden, und<lb/>
deinen Lieb&#x017F;ten <hi rendition="#aq">van Blac</hi> endlich wieder zu &#x017F;ehen krie-<lb/>
gen. Ob ich nun &#x017F;chon die&#x017F;e Worte in der <hi rendition="#aq">Phan-<lb/>
ta&#x017F;ie</hi> &#x017F;elb&#x017F;t zu mir ge&#x017F;prochen, &#x017F;o tro&#x0364;&#x017F;teten &#x017F;ie mich<lb/>
doch derge&#x017F;talt, daß ich fa&#x017F;t vo&#x0364;llige Hoffnung zu<lb/>
meiner Errettung &#x017F;cho&#x0364;pffte. Jmmittel&#x017F;t fiel mir<lb/>
dabey ein, um de&#x017F;to mehrerer Sicherheit meiner Eh-<lb/>
re wegen, die Weibs-Kleider aus- und hergegen<lb/>
ein Manns-Kleid von den Ertrunckenen anzuziehen<lb/>
auch mich vor einen Schiffs-Koch auszugeben, in-<lb/>
dem ich aus den Brief&#x017F;chafften des einen Ertrun-<lb/>
ckenen &#x017F;ahe, daß er ein Koch, und auf der Ru&#x0364;ck-<lb/>
Rei&#x017F;e aus Bra&#x017F;ilien nach Portugall begriffen gewe-<lb/>
&#x017F;en. Meine Kleider warff ich al&#x017F;o in die See, und<lb/>
zohe einen vo&#x0364;lligen Manns-Habit an, &#x017F;chnitt mei-<lb/>
ne Haare vor einem gefundenen Spiegel vollends<lb/>
kurtz ab, weil ich ohne dem wegen der gehabten,<lb/>
jedoch bereits geheilten Haupt-Wunde &#x017F;chon ein<lb/>
ziemlich Theil der&#x017F;elben abge&#x017F;chnitten hatte. Kurtz<lb/>
von der Sache zu reden, ich &#x017F;ahe meiner Meinung<lb/>
nach einer Manns-Per&#x017F;on vollkommen a&#x0364;hnlich, und<lb/>
truge zwi&#x017F;chen zweyen Hembdern ein ledern Collett.</p><lb/>
          <p>Endlich da ich 5. Wochen und 4. Tage auf die&#x017F;em<lb/>
Fel&#x017F;en zugebracht, er&#x017F;chien die Stunde meiner Er-<lb/>
lo&#x0364;&#x017F;ung, denn die&#x017F;er ehrliche Portugie&#x017F;i&#x017F;che <hi rendition="#aq">Capi-<lb/>
tain,</hi> welcher im Sturme auch viel ausge&#x017F;tanden,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">und</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[264/0272] Leuten, jenſeit deſſelben ſtuͤnde, und mir immer ein Seil nach dem andern zuwarff, um mich dahin zu bewegen, in den Fluß zu ſchwimmen, und das Seil zu ergreiffen. Eines Morgens, da ich eben derglei- chen Traum gehabt, ſprach ich ſelbſt noch halb im Schlaffe dieſe Worte zu mir: Du wirſt auf dieſem Felſen nicht ſterben, ſondern errettet werden, und deinen Liebſten van Blac endlich wieder zu ſehen krie- gen. Ob ich nun ſchon dieſe Worte in der Phan- taſie ſelbſt zu mir geſprochen, ſo troͤſteten ſie mich doch dergeſtalt, daß ich faſt voͤllige Hoffnung zu meiner Errettung ſchoͤpffte. Jmmittelſt fiel mir dabey ein, um deſto mehrerer Sicherheit meiner Eh- re wegen, die Weibs-Kleider aus- und hergegen ein Manns-Kleid von den Ertrunckenen anzuziehen auch mich vor einen Schiffs-Koch auszugeben, in- dem ich aus den Briefſchafften des einen Ertrun- ckenen ſahe, daß er ein Koch, und auf der Ruͤck- Reiſe aus Braſilien nach Portugall begriffen gewe- ſen. Meine Kleider warff ich alſo in die See, und zohe einen voͤlligen Manns-Habit an, ſchnitt mei- ne Haare vor einem gefundenen Spiegel vollends kurtz ab, weil ich ohne dem wegen der gehabten, jedoch bereits geheilten Haupt-Wunde ſchon ein ziemlich Theil derſelben abgeſchnitten hatte. Kurtz von der Sache zu reden, ich ſahe meiner Meinung nach einer Manns-Perſon vollkommen aͤhnlich, und truge zwiſchen zweyen Hembdern ein ledern Collett. Endlich da ich 5. Wochen und 4. Tage auf dieſem Felſen zugebracht, erſchien die Stunde meiner Er- loͤſung, denn dieſer ehrliche Portugieſiſche Capi- tain, welcher im Sturme auch viel ausgeſtanden, und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/272
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/272>, abgerufen am 15.05.2024.