Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739.

Bild:
<< vorherige Seite

redliche Hr. Mag. Ernst Gottlieb Schmelzer, dem
GOtt heute in Felsenburg einen guten Tag gebe.
Er war 4. Jahr lang und zwar von 1716. biß 1720.
bey mir und wäre ohnfehlbar länger geblieben,
wenn ihn nicht unruhige Köpffe hinweg gesprengt
hätten. Jedoch die Vorsicht des Himmels hat es
vielleicht mit Fleiß also fügen wollen. Jnzwischen
fing das Glück, welches mich bißhero so freundlich
angelacht, auf einmahl an, mir die empfindlich-
sten Streiche zu spielen, denn An. 1724. am 16.
Apr. raubete mir der Tod meine hertzgeliebste Ehe-
Gattin in Kindes-Nöthen sammt der getragenen
Leibes-Frucht. Mein Compagnon, dem ich gar ge-
waltige Summen zugeschossen, wurde banqverot
und blieb über 2. Tonnen Goldes schuldig, weil er in
gewissen Stücken allzuviel hazardirt hatte, wie-
wohl, was will ich von ihm sagen, ich war ja selbst
ein Narre und hatte mich in den Actien-Handel der-
gestalt vertiefft, daß ich bey deren damahligen Ver-
fall auf die 100000 Frantz-Gulden einbüssete. Al-
les dieses aber hätte mich dennoch nicht in gäntzlichen
Verfall gebracht, wenn nicht die letzte Hiobs-Post
gekommen wäre, daß, das mehrentheils auf meine
eigene Kosten nach Ost-Jndien ausgerüstete Kauf-
farthey-Schiff an den Africanischen Küsten von den
See-Räubern erobert und ausgeplündert worden.
Diese schlug meine Courage und Credit auf einmahl
völlig darnieder, weßwegen ich mich gemüßiget sa-
he, Hauß, Hof, Gewölbe, Stadt und alles mit
den Rücken anzusehen; demnach nahm ich meine
Baarschafften und kostbaresten Sachen zusammen,
ließ das übrige alles in Stiche, schaffte aber vorhero

meine
III. Theil. (B)

redliche Hr. Mag. Ernſt Gottlieb Schmelzer, dem
GOtt heute in Felſenburg einen guten Tag gebe.
Er war 4. Jahr lang und zwar von 1716. biß 1720.
bey mir und waͤre ohnfehlbar laͤnger geblieben,
wenn ihn nicht unruhige Koͤpffe hinweg geſprengt
haͤtten. Jedoch die Vorſicht des Himmels hat es
vielleicht mit Fleiß alſo fuͤgen wollen. Jnzwiſchen
fing das Gluͤck, welches mich bißhero ſo freundlich
angelacht, auf einmahl an, mir die empfindlich-
ſten Streiche zu ſpielen, denn An. 1724. am 16.
Apr. raubete mir der Tod meine hertzgeliebſte Ehe-
Gattin in Kindes-Noͤthen ſammt der getragenen
Leibes-Frucht. Mein Compagnon, dem ich gar ge-
waltige Summen zugeſchoſſen, wurde banqverot
und blieb uͤber 2. Tonnen Goldes ſchuldig, weil er in
gewiſſen Stuͤcken allzuviel hazardirt hatte, wie-
wohl, was will ich von ihm ſagen, ich war ja ſelbſt
ein Narre und hatte mich in den Actien-Handel der-
geſtalt vertiefft, daß ich bey deren damahligen Ver-
fall auf die 100000 Frantz-Gulden einbuͤſſete. Al-
les dieſes aber haͤtte mich dennoch nicht in gaͤntzlichen
Verfall gebracht, wenn nicht die letzte Hiobs-Poſt
gekommen waͤre, daß, das mehrentheils auf meine
eigene Koſten nach Oſt-Jndien ausgeruͤſtete Kauf-
farthey-Schiff an den Africaniſchen Kuͤſten von den
See-Raͤubern erobert und ausgepluͤndert worden.
Dieſe ſchlug meine Courage und Credit auf einmahl
voͤllig darnieder, weßwegen ich mich gemuͤßiget ſa-
he, Hauß, Hof, Gewoͤlbe, Stadt und alles mit
den Ruͤcken anzuſehen; demnach nahm ich meine
Baarſchafften und koſtbareſten Sachen zuſammen,
ließ das uͤbrige alles in Stiche, ſchaffte aber vorhero

meine
III. Theil. (B)
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0025" n="17"/>
redliche Hr. <hi rendition="#aq">Mag. Ern&#x017F;t Gottlieb Schmelzer,</hi> dem<lb/>
GOtt heute in Fel&#x017F;enburg einen guten Tag gebe.<lb/>
Er war 4. Jahr lang und zwar von 1716. biß 1720.<lb/>
bey mir und wa&#x0364;re ohnfehlbar la&#x0364;nger geblieben,<lb/>
wenn ihn nicht unruhige Ko&#x0364;pffe hinweg ge&#x017F;prengt<lb/>
ha&#x0364;tten. Jedoch die Vor&#x017F;icht des Himmels hat es<lb/>
vielleicht mit Fleiß al&#x017F;o fu&#x0364;gen wollen. Jnzwi&#x017F;chen<lb/>
fing das Glu&#x0364;ck, welches mich bißhero &#x017F;o freundlich<lb/>
angelacht, auf einmahl an, mir die empfindlich-<lb/>
&#x017F;ten Streiche zu &#x017F;pielen, denn An. 1724. am 16.<lb/>
Apr. raubete mir der Tod meine hertzgelieb&#x017F;te Ehe-<lb/>
Gattin in Kindes-No&#x0364;then &#x017F;ammt der getragenen<lb/>
Leibes-Frucht. Mein <hi rendition="#aq">Compagnon,</hi> dem ich gar ge-<lb/>
waltige Summen zuge&#x017F;cho&#x017F;&#x017F;en, wurde <hi rendition="#aq">banqverot</hi><lb/>
und blieb u&#x0364;ber 2. Tonnen Goldes &#x017F;chuldig, weil er in<lb/>
gewi&#x017F;&#x017F;en Stu&#x0364;cken allzuviel <hi rendition="#aq">hazardirt</hi> hatte, wie-<lb/>
wohl, was will ich von ihm &#x017F;agen, ich war ja &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
ein Narre und hatte mich in den <hi rendition="#aq">Actien</hi>-Handel der-<lb/>
ge&#x017F;talt vertiefft, daß ich bey deren damahligen Ver-<lb/>
fall auf die 100000 Frantz-Gulden einbu&#x0364;&#x017F;&#x017F;ete. Al-<lb/>
les die&#x017F;es aber ha&#x0364;tte mich dennoch nicht in ga&#x0364;ntzlichen<lb/>
Verfall gebracht, wenn nicht die letzte Hiobs-Po&#x017F;t<lb/>
gekommen wa&#x0364;re, daß, das mehrentheils auf meine<lb/>
eigene Ko&#x017F;ten nach O&#x017F;t-Jndien ausgeru&#x0364;&#x017F;tete Kauf-<lb/>
farthey-Schiff an den Africani&#x017F;chen Ku&#x0364;&#x017F;ten von den<lb/>
See-Ra&#x0364;ubern erobert und ausgeplu&#x0364;ndert worden.<lb/>
Die&#x017F;e &#x017F;chlug meine <hi rendition="#aq">Courage</hi> und <hi rendition="#aq">Credit</hi> auf einmahl<lb/>
vo&#x0364;llig darnieder, weßwegen ich mich gemu&#x0364;ßiget &#x017F;a-<lb/>
he, Hauß, Hof, Gewo&#x0364;lbe, Stadt und alles mit<lb/>
den Ru&#x0364;cken anzu&#x017F;ehen; demnach nahm ich meine<lb/>
Baar&#x017F;chafften und ko&#x017F;tbare&#x017F;ten Sachen zu&#x017F;ammen,<lb/>
ließ das u&#x0364;brige alles in Stiche, &#x017F;chaffte aber vorhero<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#aq">III.</hi><hi rendition="#fr">Theil.</hi> (B)</fw><fw place="bottom" type="catch">meine</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[17/0025] redliche Hr. Mag. Ernſt Gottlieb Schmelzer, dem GOtt heute in Felſenburg einen guten Tag gebe. Er war 4. Jahr lang und zwar von 1716. biß 1720. bey mir und waͤre ohnfehlbar laͤnger geblieben, wenn ihn nicht unruhige Koͤpffe hinweg geſprengt haͤtten. Jedoch die Vorſicht des Himmels hat es vielleicht mit Fleiß alſo fuͤgen wollen. Jnzwiſchen fing das Gluͤck, welches mich bißhero ſo freundlich angelacht, auf einmahl an, mir die empfindlich- ſten Streiche zu ſpielen, denn An. 1724. am 16. Apr. raubete mir der Tod meine hertzgeliebſte Ehe- Gattin in Kindes-Noͤthen ſammt der getragenen Leibes-Frucht. Mein Compagnon, dem ich gar ge- waltige Summen zugeſchoſſen, wurde banqverot und blieb uͤber 2. Tonnen Goldes ſchuldig, weil er in gewiſſen Stuͤcken allzuviel hazardirt hatte, wie- wohl, was will ich von ihm ſagen, ich war ja ſelbſt ein Narre und hatte mich in den Actien-Handel der- geſtalt vertiefft, daß ich bey deren damahligen Ver- fall auf die 100000 Frantz-Gulden einbuͤſſete. Al- les dieſes aber haͤtte mich dennoch nicht in gaͤntzlichen Verfall gebracht, wenn nicht die letzte Hiobs-Poſt gekommen waͤre, daß, das mehrentheils auf meine eigene Koſten nach Oſt-Jndien ausgeruͤſtete Kauf- farthey-Schiff an den Africaniſchen Kuͤſten von den See-Raͤubern erobert und ausgepluͤndert worden. Dieſe ſchlug meine Courage und Credit auf einmahl voͤllig darnieder, weßwegen ich mich gemuͤßiget ſa- he, Hauß, Hof, Gewoͤlbe, Stadt und alles mit den Ruͤcken anzuſehen; demnach nahm ich meine Baarſchafften und koſtbareſten Sachen zuſammen, ließ das uͤbrige alles in Stiche, ſchaffte aber vorhero meine III. Theil. (B)

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/25
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/25>, abgerufen am 23.11.2024.