man hinter den grossen Garten in der Gegend zwi- schen den zweyen Flüssen viele Feuer-Flammen auf- steigen und herum vagiren sähe. Wir lieffen gleich hin zu den Fenstern, und fanden, daß es wahr war, Mons. Litzberg und andere judicirten, daß es Dün- ste aus der Erde oder so genannte Jrrwische wären, allein, da das Lerm grösser wurde, und sich der Alt- Vater selbst an das eine Fenster führen ließ, saate er gleich: Meine Kinder! diese Flammen stei- gen aus dem GOttes-Acker empor, die Tod- ren ruffen mich zu sich in ihre Ruhe, nun ist nichts mehr übrig, als daß ich mein Hauß be- stelle, denn eben dergleichen weisse, lichte Flamme zeigte sich kurtz vorhero, ehe der selige Carl Franz van Leuwen von dieser Welt Abschied nehmen muste Dazumahl, [fuhr er fort] lag nur ein Christlicher Cörper auf die- sem GOttes-Acker, itzo aber sind ihrer mehr, die sich nach meiner Gesellschafft sehnen. Wir brauchten zwar insgesammt alle Beredsam- keit, dem Alt-Vater die Sterbens-Gedancken auf dieses mahl auszureden, allein, er kehrete sich an nichts, ließ hernach Bet-Stunde halten, und bath Herrn Mag. Schmeltzern, daß er einigen Knaben besehlen möchte, unter einer doucen Musique den Choral zu singen: Wer weiß, wie nahe mir mein Ende etc.
Er begab sich hierauf zur Ruhe, mein Vater und ich aber blieben fast wider seinen Willen vor seinem Bette sitzen, und bewachten ihn, da zugleich meine Schwester nebst vielen andern im Neben- Zimmer ebenfalls die Wache hielten. Wir be-
merckten
man hinter den groſſen Garten in der Gegend zwi- ſchen den zweyen Fluͤſſen viele Feuer-Flammen auf- ſteigen und herum vagiren ſaͤhe. Wir lieffen gleich hin zu den Fenſtern, und fanden, daß es wahr war, Monſ. Litzberg und andere judicirten, daß es Duͤn- ſte aus der Erde oder ſo genannte Jrrwiſche waͤren, allein, da das Lerm groͤſſer wurde, und ſich der Alt- Vater ſelbſt an das eine Fenſter fuͤhren ließ, ſaate er gleich: Meine Kinder! dieſe Flammen ſtei- gen aus dem GOttes-Acker empor, die Tod- ren ruffen mich zu ſich in ihre Ruhe, nun iſt nichts mehr uͤbrig, als daß ich mein Hauß be- ſtelle, denn eben dergleichen weiſſe, lichte Flamme zeigte ſich kurtz vorhero, ehe der ſelige Carl Franz van Leuwen von dieſer Welt Abſchied nehmen muſte Dazumahl, [fuhr er fort] lag nur ein Chriſtlicher Coͤrper auf die- ſem GOttes-Acker, itzo aber ſind ihrer mehr, die ſich nach meiner Geſellſchafft ſehnen. Wir brauchten zwar insgeſammt alle Beredſam- keit, dem Alt-Vater die Sterbens-Gedancken auf dieſes mahl auszureden, allein, er kehrete ſich an nichts, ließ hernach Bet-Stunde halten, und bath Herrn Mag. Schmeltzern, daß er einigen Knaben beſehlen moͤchte, unter einer douçen Muſique den Choral zu ſingen: Wer weiß, wie nahe mir mein Ende ꝛc.
Er begab ſich hierauf zur Ruhe, mein Vater und ich aber blieben faſt wider ſeinen Willen vor ſeinem Bette ſitzen, und bewachten ihn, da zugleich meine Schweſter nebſt vielen andern im Neben- Zimmer ebenfalls die Wache hielten. Wir be-
merckten
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0240"n="232"/>
man hinter den groſſen Garten in der Gegend zwi-<lb/>ſchen den zweyen Fluͤſſen viele Feuer-Flammen auf-<lb/>ſteigen und herum vagiren ſaͤhe. Wir lieffen gleich<lb/>
hin zu den Fenſtern, und fanden, daß es wahr war,<lb/><hirendition="#aq">Monſ.</hi> Litzberg und andere judicirten, daß es Duͤn-<lb/>ſte aus der Erde oder ſo genannte Jrrwiſche waͤren,<lb/>
allein, da das Lerm groͤſſer wurde, und ſich der Alt-<lb/>
Vater ſelbſt an das eine Fenſter fuͤhren ließ, ſaate<lb/>
er gleich: <hirendition="#fr">Meine Kinder! dieſe Flammen ſtei-<lb/>
gen aus dem GOttes-Acker empor, die Tod-<lb/>
ren ruffen mich zu ſich in ihre Ruhe, nun iſt<lb/>
nichts mehr uͤbrig, als daß ich mein Hauß be-<lb/>ſtelle, denn eben dergleichen weiſſe, lichte<lb/>
Flamme zeigte ſich kurtz vorhero, ehe der<lb/>ſelige Carl Franz van Leuwen von dieſer Welt<lb/>
Abſchied nehmen muſte Dazumahl,</hi> [fuhr er<lb/>
fort] <hirendition="#fr">lag nur ein Chriſtlicher Coͤrper auf die-<lb/>ſem GOttes-Acker, itzo aber ſind ihrer mehr,<lb/>
die ſich nach meiner Geſellſchafft ſehnen.</hi><lb/>
Wir brauchten zwar insgeſammt alle Beredſam-<lb/>
keit, dem Alt-Vater die Sterbens-Gedancken auf<lb/>
dieſes mahl auszureden, allein, er kehrete ſich an<lb/>
nichts, ließ hernach Bet-Stunde halten, und bath<lb/>
Herrn <hirendition="#aq">Mag.</hi> Schmeltzern, daß er einigen Knaben<lb/>
beſehlen moͤchte, unter einer <hirendition="#aq">douçen Muſique</hi> den<lb/><hirendition="#aq">Choral</hi> zu ſingen: <hirendition="#fr">Wer weiß, wie nahe mir<lb/>
mein Ende ꝛc.</hi></p><lb/><p>Er begab ſich hierauf zur Ruhe, mein Vater<lb/>
und ich aber blieben faſt wider ſeinen Willen vor<lb/>ſeinem Bette ſitzen, und bewachten ihn, da zugleich<lb/>
meine Schweſter nebſt vielen andern im Neben-<lb/>
Zimmer ebenfalls die Wache hielten. Wir be-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">merckten</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[232/0240]
man hinter den groſſen Garten in der Gegend zwi-
ſchen den zweyen Fluͤſſen viele Feuer-Flammen auf-
ſteigen und herum vagiren ſaͤhe. Wir lieffen gleich
hin zu den Fenſtern, und fanden, daß es wahr war,
Monſ. Litzberg und andere judicirten, daß es Duͤn-
ſte aus der Erde oder ſo genannte Jrrwiſche waͤren,
allein, da das Lerm groͤſſer wurde, und ſich der Alt-
Vater ſelbſt an das eine Fenſter fuͤhren ließ, ſaate
er gleich: Meine Kinder! dieſe Flammen ſtei-
gen aus dem GOttes-Acker empor, die Tod-
ren ruffen mich zu ſich in ihre Ruhe, nun iſt
nichts mehr uͤbrig, als daß ich mein Hauß be-
ſtelle, denn eben dergleichen weiſſe, lichte
Flamme zeigte ſich kurtz vorhero, ehe der
ſelige Carl Franz van Leuwen von dieſer Welt
Abſchied nehmen muſte Dazumahl, [fuhr er
fort] lag nur ein Chriſtlicher Coͤrper auf die-
ſem GOttes-Acker, itzo aber ſind ihrer mehr,
die ſich nach meiner Geſellſchafft ſehnen.
Wir brauchten zwar insgeſammt alle Beredſam-
keit, dem Alt-Vater die Sterbens-Gedancken auf
dieſes mahl auszureden, allein, er kehrete ſich an
nichts, ließ hernach Bet-Stunde halten, und bath
Herrn Mag. Schmeltzern, daß er einigen Knaben
beſehlen moͤchte, unter einer douçen Muſique den
Choral zu ſingen: Wer weiß, wie nahe mir
mein Ende ꝛc.
Er begab ſich hierauf zur Ruhe, mein Vater
und ich aber blieben faſt wider ſeinen Willen vor
ſeinem Bette ſitzen, und bewachten ihn, da zugleich
meine Schweſter nebſt vielen andern im Neben-
Zimmer ebenfalls die Wache hielten. Wir be-
merckten
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/240>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.