Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739.

Bild:
<< vorherige Seite

Jnzwischen überredete sie mich, mein überschickt
bekommenes Kästlein zu eröffnen, worinnen sich
denn 3000. Stück Zechinen nebst verschiedenen
Kleinodin und allerhand Geschmeide befanden,
welches alles ihr denn mehr als mir in die Augen
leuchtete, so, daß sie sagte: Madame! ich nehme
nur 100. Zechinen, und schlieffe diese Nacht vor euch
bey dem Kayser. Mir kam gleich ein glücklicher
Einfall in den Kopff, derowegen sagte ich: Moda-
me,
nicht hundert, sondern tausend will ich euch
zahlen, woferne ihr mich durch eine kluge List von
meinem Tode wenigstens noch auf einige Zeit be-
freyen wollet; denn, wie schon gesagt, lebendiger und
gutwilliger weise lasse ich mich nimmermehr an
eines Unchristen Seite legen, sondern will mich viel
lieber enthaupten lassen, so wie er es bereits vielen
andern vor mir gemacht hat.

Jch höre, sehe und spüre wohl, sagte die Fran-
zösin, daß ihr so eigensinnig als schöne seyd, ich hät-
te mich vor 6. Jahren auch nicht darzu verstanden,
wenn mir mein Leben nicht allzu lieb gewesen wä-
re, allein, da ich es ein und etliche mahl gezwunge-
ner Weise habe thun müssen, so ist nunmehro nichts
weiter draus zu machen, und da ich zumahlen seit
länger als einem Jahre her von dem Kayser fast
gäntzlich zurück gesetzt worden bin, will ich euch zum
Vergnügen, ihn aber zum Possen einmahl einen
lustigen Streich spielen, und diese Nacht, statt eurer
mit verhülleten Haupte, wie gewöhnlich ist, zu
ihm gehen, denn die Mahometanet pflegen des
Nachts das Werck der Liebe nicht bey brennendem
Lichte zu verrichten. Es gehet auch die Sache dar-

um
(L 3)

Jnzwiſchen uͤberredete ſie mich, mein uͤberſchickt
bekommenes Kaͤſtlein zu eroͤffnen, worinnen ſich
denn 3000. Stuͤck Zechinen nebſt verſchiedenen
Kleinodin und allerhand Geſchmeide befanden,
welches alles ihr denn mehr als mir in die Augen
leuchtete, ſo, daß ſie ſagte: Madame! ich nehme
nur 100. Zechinen, und ſchlieffe dieſe Nacht vor euch
bey dem Kayſer. Mir kam gleich ein gluͤcklicher
Einfall in den Kopff, derowegen ſagte ich: Moda-
me,
nicht hundert, ſondern tauſend will ich euch
zahlen, woferne ihr mich durch eine kluge Liſt von
meinem Tode wenigſtens noch auf einige Zeit be-
freyen wollet; denn, wie ſchon geſagt, lebendiger und
gutwilliger weiſe laſſe ich mich nimmermehr an
eines Unchriſten Seite legen, ſondern will mich viel
lieber enthaupten laſſen, ſo wie er es bereits vielen
andern vor mir gemacht hat.

Jch hoͤre, ſehe und ſpuͤre wohl, ſagte die Fran-
zoͤſin, daß ihr ſo eigenſinnig als ſchoͤne ſeyd, ich haͤt-
te mich vor 6. Jahren auch nicht darzu verſtanden,
wenn mir mein Leben nicht allzu lieb geweſen waͤ-
re, allein, da ich es ein und etliche mahl gezwunge-
ner Weiſe habe thun muͤſſen, ſo iſt nunmehro nichts
weiter draus zu machen, und da ich zumahlen ſeit
laͤnger als einem Jahre her von dem Kayſer faſt
gaͤntzlich zuruͤck geſetzt worden bin, will ich euch zum
Vergnuͤgen, ihn aber zum Poſſen einmahl einen
luſtigen Streich ſpielen, und dieſe Nacht, ſtatt eurer
mit verhuͤlleten Haupte, wie gewoͤhnlich iſt, zu
ihm gehen, denn die Mahometanet pflegen des
Nachts das Werck der Liebe nicht bey brennendem
Lichte zu verrichten. Es gehet auch die Sache dar-

um
(L 3)
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0173" n="165"/>
          <p>Jnzwi&#x017F;chen u&#x0364;berredete &#x017F;ie mich, mein u&#x0364;ber&#x017F;chickt<lb/>
bekommenes Ka&#x0364;&#x017F;tlein zu ero&#x0364;ffnen, worinnen &#x017F;ich<lb/>
denn 3000. Stu&#x0364;ck Zechinen neb&#x017F;t ver&#x017F;chiedenen<lb/>
Kleinodin und allerhand Ge&#x017F;chmeide befanden,<lb/>
welches alles ihr denn mehr als mir in die Augen<lb/>
leuchtete, &#x017F;o, daß &#x017F;ie &#x017F;agte: <hi rendition="#aq">Madame!</hi> ich nehme<lb/>
nur 100. Zechinen, und &#x017F;chlieffe die&#x017F;e Nacht vor euch<lb/>
bey dem Kay&#x017F;er. Mir kam gleich ein glu&#x0364;cklicher<lb/>
Einfall in den Kopff, derowegen &#x017F;agte ich: <hi rendition="#aq">Moda-<lb/>
me,</hi> nicht hundert, &#x017F;ondern tau&#x017F;end will ich euch<lb/>
zahlen, woferne ihr mich durch eine kluge Li&#x017F;t von<lb/>
meinem Tode wenig&#x017F;tens noch auf einige Zeit be-<lb/>
freyen wollet; denn, wie &#x017F;chon ge&#x017F;agt, lebendiger und<lb/>
gutwilliger wei&#x017F;e la&#x017F;&#x017F;e ich mich nimmermehr an<lb/>
eines Unchri&#x017F;ten Seite legen, &#x017F;ondern will mich viel<lb/>
lieber enthaupten la&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;o wie er es bereits vielen<lb/>
andern vor mir gemacht hat.</p><lb/>
          <p>Jch ho&#x0364;re, &#x017F;ehe und &#x017F;pu&#x0364;re wohl, &#x017F;agte die Fran-<lb/>
zo&#x0364;&#x017F;in, daß ihr &#x017F;o eigen&#x017F;innig als &#x017F;cho&#x0364;ne &#x017F;eyd, ich ha&#x0364;t-<lb/>
te mich vor 6. Jahren auch nicht darzu ver&#x017F;tanden,<lb/>
wenn mir mein Leben nicht allzu lieb gewe&#x017F;en wa&#x0364;-<lb/>
re, allein, da ich es ein und etliche mahl gezwunge-<lb/>
ner Wei&#x017F;e habe thun mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;o i&#x017F;t nunmehro nichts<lb/>
weiter draus zu machen, und da ich zumahlen &#x017F;eit<lb/>
la&#x0364;nger als einem Jahre her von dem Kay&#x017F;er fa&#x017F;t<lb/>
ga&#x0364;ntzlich zuru&#x0364;ck ge&#x017F;etzt worden bin, will ich euch zum<lb/>
Vergnu&#x0364;gen, ihn aber zum Po&#x017F;&#x017F;en einmahl einen<lb/>
lu&#x017F;tigen Streich &#x017F;pielen, und die&#x017F;e Nacht, &#x017F;tatt eurer<lb/>
mit verhu&#x0364;lleten Haupte, wie gewo&#x0364;hnlich i&#x017F;t, zu<lb/>
ihm gehen, denn die <hi rendition="#aq">Mahometanet</hi> pflegen des<lb/>
Nachts das Werck der Liebe nicht bey brennendem<lb/>
Lichte zu verrichten. Es gehet auch die Sache dar-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">(L 3)</fw><fw place="bottom" type="catch">um</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[165/0173] Jnzwiſchen uͤberredete ſie mich, mein uͤberſchickt bekommenes Kaͤſtlein zu eroͤffnen, worinnen ſich denn 3000. Stuͤck Zechinen nebſt verſchiedenen Kleinodin und allerhand Geſchmeide befanden, welches alles ihr denn mehr als mir in die Augen leuchtete, ſo, daß ſie ſagte: Madame! ich nehme nur 100. Zechinen, und ſchlieffe dieſe Nacht vor euch bey dem Kayſer. Mir kam gleich ein gluͤcklicher Einfall in den Kopff, derowegen ſagte ich: Moda- me, nicht hundert, ſondern tauſend will ich euch zahlen, woferne ihr mich durch eine kluge Liſt von meinem Tode wenigſtens noch auf einige Zeit be- freyen wollet; denn, wie ſchon geſagt, lebendiger und gutwilliger weiſe laſſe ich mich nimmermehr an eines Unchriſten Seite legen, ſondern will mich viel lieber enthaupten laſſen, ſo wie er es bereits vielen andern vor mir gemacht hat. Jch hoͤre, ſehe und ſpuͤre wohl, ſagte die Fran- zoͤſin, daß ihr ſo eigenſinnig als ſchoͤne ſeyd, ich haͤt- te mich vor 6. Jahren auch nicht darzu verſtanden, wenn mir mein Leben nicht allzu lieb geweſen waͤ- re, allein, da ich es ein und etliche mahl gezwunge- ner Weiſe habe thun muͤſſen, ſo iſt nunmehro nichts weiter draus zu machen, und da ich zumahlen ſeit laͤnger als einem Jahre her von dem Kayſer faſt gaͤntzlich zuruͤck geſetzt worden bin, will ich euch zum Vergnuͤgen, ihn aber zum Poſſen einmahl einen luſtigen Streich ſpielen, und dieſe Nacht, ſtatt eurer mit verhuͤlleten Haupte, wie gewoͤhnlich iſt, zu ihm gehen, denn die Mahometanet pflegen des Nachts das Werck der Liebe nicht bey brennendem Lichte zu verrichten. Es gehet auch die Sache dar- um (L 3)

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/173
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/173>, abgerufen am 03.05.2024.