Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739.

Bild:
<< vorherige Seite

liegt, und ich von meinen Eltern ebenfalls, so wie sie,
bestürmet werde, eine zwar reiche, aber desto häß-
lichere Ehe-Gattin zu erwählen.

Wie nun ich mich ziemlich bey diesen Reden be-
troffen fand, so konte nicht gleich mit einer geschick-
ten Antwort fertig werden, weßwegen er nochmahls
zu fragen anfing: Habe ich nicht Recht, Mademoi-
selle,
daß wir beyde fast einerley Schicksal haben?
Mein Herr! gab ich zur Antwort, meine Noth ha-
ben sie wohl errathen, weil dieselbe kein Geheimniß
mehr ist, wiewohl es soll mich keine menschliche Ge-
walt zu einer widerwärtigen Heyrath zwingen; von
ihren Affairen aber habe nicht die geringste Wissen-
schafft. Er fing hierauf an, mir eine weitläufftige
Erzählung von seiner Liebes-Geschicht mit der He-
lena Leards
zu machen, welche ich aber nur kurtz
fassen, und so viel davon melden will, daß er diesel-
be, ob sie gleich nicht sonderlich schön von Gesicht,
jedoch eines lebhafften Geistes und sonst guter Ge-
stalt, vor andern Frauenzimmer geliebt, auch
Hoffnung bekommen hätte, von ihr keinen Korb
zu erhalten, allein, die Eltern auf beyden Seiten
hätten in diese Heyrath nicht willigen wollen, und
also wäre Helena vor wenig Wochen an einen
Procurator verheyrathet worden. Er hingegen
solte bloß nach dem Willen seiner Eltern die Catha-
rina van Nerding
heyrathen, welche ihm doch so
starck zuwider wäre, als der blasse Tod.

Jndem wir nun meine Befreundtin von ferne
auf uns zukommen sahen, brach er seinen fernern
Gespräche ab, und sagte nur noch dieses: Made-
moiselle,
die dritte Ursache meiner heutigen Unru-

he
(K 4)

liegt, und ich von meinen Eltern ebenfalls, ſo wie ſie,
beſtuͤrmet werde, eine zwar reiche, aber deſto haͤß-
lichere Ehe-Gattin zu erwaͤhlen.

Wie nun ich mich ziemlich bey dieſen Reden be-
troffen fand, ſo konte nicht gleich mit einer geſchick-
ten Antwort fertig werden, weßwegen er nochmahls
zu fragen anfing: Habe ich nicht Recht, Mademoi-
ſelle,
daß wir beyde faſt einerley Schickſal haben?
Mein Herr! gab ich zur Antwort, meine Noth ha-
ben ſie wohl errathen, weil dieſelbe kein Geheimniß
mehr iſt, wiewohl es ſoll mich keine menſchliche Ge-
walt zu einer widerwaͤrtigen Heyrath zwingen; von
ihren Affairen aber habe nicht die geringſte Wiſſen-
ſchafft. Er fing hierauf an, mir eine weitlaͤufftige
Erzaͤhlung von ſeiner Liebes-Geſchicht mit der He-
lena Leards
zu machen, welche ich aber nur kurtz
faſſen, und ſo viel davon melden will, daß er dieſel-
be, ob ſie gleich nicht ſonderlich ſchoͤn von Geſicht,
jedoch eines lebhafften Geiſtes und ſonſt guter Ge-
ſtalt, vor andern Frauenzimmer geliebt, auch
Hoffnung bekommen haͤtte, von ihr keinen Korb
zu erhalten, allein, die Eltern auf beyden Seiten
haͤtten in dieſe Heyrath nicht willigen wollen, und
alſo waͤre Helena vor wenig Wochen an einen
Procurator verheyrathet worden. Er hingegen
ſolte bloß nach dem Willen ſeiner Eltern die Catha-
rina van Nerding
heyrathen, welche ihm doch ſo
ſtarck zuwider waͤre, als der blaſſe Tod.

Jndem wir nun meine Befreundtin von ferne
auf uns zukommen ſahen, brach er ſeinen fernern
Geſpraͤche ab, und ſagte nur noch dieſes: Made-
moiſelle,
die dritte Urſache meiner heutigen Unru-

he
(K 4)
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0159" n="151"/>
liegt, und ich von meinen Eltern ebenfalls, &#x017F;o wie &#x017F;ie,<lb/>
be&#x017F;tu&#x0364;rmet werde, eine zwar reiche, aber de&#x017F;to ha&#x0364;ß-<lb/>
lichere Ehe-Gattin zu erwa&#x0364;hlen.</p><lb/>
          <p>Wie nun ich mich ziemlich bey die&#x017F;en Reden be-<lb/>
troffen fand, &#x017F;o konte nicht gleich mit einer ge&#x017F;chick-<lb/>
ten Antwort fertig werden, weßwegen er nochmahls<lb/>
zu fragen anfing: Habe ich nicht Recht, <hi rendition="#aq">Mademoi-<lb/>
&#x017F;elle,</hi> daß wir beyde fa&#x017F;t einerley Schick&#x017F;al haben?<lb/>
Mein Herr! gab ich zur Antwort, meine Noth ha-<lb/>
ben &#x017F;ie wohl errathen, weil die&#x017F;elbe kein Geheimniß<lb/>
mehr i&#x017F;t, wiewohl es &#x017F;oll mich keine men&#x017F;chliche Ge-<lb/>
walt zu einer widerwa&#x0364;rtigen Heyrath zwingen; von<lb/>
ihren <hi rendition="#aq">Affair</hi>en aber habe nicht die gering&#x017F;te Wi&#x017F;&#x017F;en-<lb/>
&#x017F;chafft. Er fing hierauf an, mir eine weitla&#x0364;ufftige<lb/>
Erza&#x0364;hlung von &#x017F;einer Liebes-Ge&#x017F;chicht mit der <hi rendition="#aq">He-<lb/>
lena Leards</hi> zu machen, welche ich aber nur kurtz<lb/>
fa&#x017F;&#x017F;en, und &#x017F;o viel davon melden will, daß er die&#x017F;el-<lb/>
be, ob &#x017F;ie gleich nicht &#x017F;onderlich &#x017F;cho&#x0364;n von Ge&#x017F;icht,<lb/>
jedoch eines lebhafften Gei&#x017F;tes und &#x017F;on&#x017F;t guter Ge-<lb/>
&#x017F;talt, vor andern Frauenzimmer geliebt, auch<lb/>
Hoffnung bekommen ha&#x0364;tte, von ihr keinen Korb<lb/>
zu erhalten, allein, die Eltern auf beyden Seiten<lb/>
ha&#x0364;tten in die&#x017F;e Heyrath nicht willigen wollen, und<lb/>
al&#x017F;o wa&#x0364;re <hi rendition="#aq">Helena</hi> vor wenig Wochen an einen<lb/><hi rendition="#aq">Procurator</hi> verheyrathet worden. Er hingegen<lb/>
&#x017F;olte bloß nach dem Willen &#x017F;einer Eltern die <hi rendition="#aq">Catha-<lb/>
rina van Nerding</hi> heyrathen, welche ihm doch &#x017F;o<lb/>
&#x017F;tarck zuwider wa&#x0364;re, als der bla&#x017F;&#x017F;e Tod.</p><lb/>
          <p>Jndem wir nun meine Befreundtin von ferne<lb/>
auf uns zukommen &#x017F;ahen, brach er &#x017F;einen fernern<lb/>
Ge&#x017F;pra&#x0364;che ab, und &#x017F;agte nur noch die&#x017F;es: <hi rendition="#aq">Made-<lb/>
moi&#x017F;elle,</hi> die dritte Ur&#x017F;ache meiner heutigen Unru-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">(K 4)</fw><fw place="bottom" type="catch">he</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[151/0159] liegt, und ich von meinen Eltern ebenfalls, ſo wie ſie, beſtuͤrmet werde, eine zwar reiche, aber deſto haͤß- lichere Ehe-Gattin zu erwaͤhlen. Wie nun ich mich ziemlich bey dieſen Reden be- troffen fand, ſo konte nicht gleich mit einer geſchick- ten Antwort fertig werden, weßwegen er nochmahls zu fragen anfing: Habe ich nicht Recht, Mademoi- ſelle, daß wir beyde faſt einerley Schickſal haben? Mein Herr! gab ich zur Antwort, meine Noth ha- ben ſie wohl errathen, weil dieſelbe kein Geheimniß mehr iſt, wiewohl es ſoll mich keine menſchliche Ge- walt zu einer widerwaͤrtigen Heyrath zwingen; von ihren Affairen aber habe nicht die geringſte Wiſſen- ſchafft. Er fing hierauf an, mir eine weitlaͤufftige Erzaͤhlung von ſeiner Liebes-Geſchicht mit der He- lena Leards zu machen, welche ich aber nur kurtz faſſen, und ſo viel davon melden will, daß er dieſel- be, ob ſie gleich nicht ſonderlich ſchoͤn von Geſicht, jedoch eines lebhafften Geiſtes und ſonſt guter Ge- ſtalt, vor andern Frauenzimmer geliebt, auch Hoffnung bekommen haͤtte, von ihr keinen Korb zu erhalten, allein, die Eltern auf beyden Seiten haͤtten in dieſe Heyrath nicht willigen wollen, und alſo waͤre Helena vor wenig Wochen an einen Procurator verheyrathet worden. Er hingegen ſolte bloß nach dem Willen ſeiner Eltern die Catha- rina van Nerding heyrathen, welche ihm doch ſo ſtarck zuwider waͤre, als der blaſſe Tod. Jndem wir nun meine Befreundtin von ferne auf uns zukommen ſahen, brach er ſeinen fernern Geſpraͤche ab, und ſagte nur noch dieſes: Made- moiſelle, die dritte Urſache meiner heutigen Unru- he (K 4)

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/159
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/159>, abgerufen am 03.05.2024.