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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739.

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Noch eins hätte ich bald vergessen! Tags vor-
hero ehe wir abreisen wolten, als ich meine Schwe-
ster, welche noch ein und andere Kleinigkeiten ein-
zukauffen willens war, an der Hand durch eine en-
ge Strasse führete, jedoch aber von 6. des Horns
Sclaven begleitet wurde, begegnete mir ein
Mensch in Bettlers-Habit, welcher so gleich die
Hände über den Kopfe zusammen schlug, fast laut
zu schreyen und zu heulen anfing und sich in einen
Winckel verkroch. Meinen und meiner Schwe-
ster Gedancken nach, war es ein rasender Mensch,
weßwegen meine Schwester einen Holländischen
Gulden aus der Ficke zohe und selbigen diesen Arm-
seeligen durch einen Sclaven wolte einhändigen las-
sen. Jndem drehete sich dieser Elende mit dem
Kopfe in etwas wieder herum, da wir denn gleich
erkannten, daß es mein Schwedischer Dollmetscher
war, der mir und meiner Schwester so viel gute
Dienste gethan hatte. Hierbey muß ich melden,
daß ich ihm auf der Reise seine Besoldung nicht al-
lein redlich bezahlt, sondern auch, weil ich ihn nicht
weiter nöthig zu seyn erachtete, biß in meines Va-
ters Hauß, ihm nebst vielen Dancke, noch 50. Du-
caten gegeben und gemeldet, daß er nunmehro in
GOttes Naymen wieder nach Hause reisen könte.
Mein Vater und meine Schwester hatten ihm
gleichfalls, jedes 10. Ducaten geschenckt, dero-
wegen rieff ich voller Bestürtzung aus: Hilff Him-
mel Mons. van Blac wie treffe ich euch hier also ver-
ändert an? Ach mein Herr, gab er mit thränenden
Augen zur Antwort: ich bin der unglückseeligste
Mensch von der Welt, 500. Gulden und noch ein

meh-
(A) 4

Noch eins haͤtte ich bald vergeſſen! Tags vor-
hero ehe wir abreiſen wolten, als ich meine Schwe-
ſter, welche noch ein und andere Kleinigkeiten ein-
zukauffen willens war, an der Hand durch eine en-
ge Straſſe fuͤhrete, jedoch aber von 6. des Horns
Sclaven begleitet wurde, begegnete mir ein
Menſch in Bettlers-Habit, welcher ſo gleich die
Haͤnde uͤber den Kopfe zuſammen ſchlug, faſt laut
zu ſchreyen und zu heulen anfing und ſich in einen
Winckel verkroch. Meinen und meiner Schwe-
ſter Gedancken nach, war es ein raſender Menſch,
weßwegen meine Schweſter einen Hollaͤndiſchen
Gulden aus der Ficke zohe und ſelbigen dieſen Arm-
ſeeligen durch einen Sclaven wolte einhaͤndigen laſ-
ſen. Jndem drehete ſich dieſer Elende mit dem
Kopfe in etwas wieder herum, da wir denn gleich
erkannten, daß es mein Schwediſcher Dollmetſcher
war, der mir und meiner Schweſter ſo viel gute
Dienſte gethan hatte. Hierbey muß ich melden,
daß ich ihm auf der Reiſe ſeine Beſoldung nicht al-
lein redlich bezahlt, ſondern auch, weil ich ihn nicht
weiter noͤthig zu ſeyn erachtete, biß in meines Va-
ters Hauß, ihm nebſt vielen Dancke, noch 50. Du-
caten gegeben und gemeldet, daß er nunmehro in
GOttes Naymen wieder nach Hauſe reiſen koͤnte.
Mein Vater und meine Schweſter hatten ihm
gleichfalls, jedes 10. Ducaten geſchenckt, dero-
wegen rieff ich voller Beſtuͤrtzung aus: Hilff Him-
mel Monſ. van Blac wie treffe ich euch hier alſo ver-
aͤndert an? Ach mein Herr, gab er mit thraͤnenden
Augen zur Antwort: ich bin der ungluͤckſeeligſte
Menſch von der Welt, 500. Gulden und noch ein

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[7/0015] Noch eins haͤtte ich bald vergeſſen! Tags vor- hero ehe wir abreiſen wolten, als ich meine Schwe- ſter, welche noch ein und andere Kleinigkeiten ein- zukauffen willens war, an der Hand durch eine en- ge Straſſe fuͤhrete, jedoch aber von 6. des Horns Sclaven begleitet wurde, begegnete mir ein Menſch in Bettlers-Habit, welcher ſo gleich die Haͤnde uͤber den Kopfe zuſammen ſchlug, faſt laut zu ſchreyen und zu heulen anfing und ſich in einen Winckel verkroch. Meinen und meiner Schwe- ſter Gedancken nach, war es ein raſender Menſch, weßwegen meine Schweſter einen Hollaͤndiſchen Gulden aus der Ficke zohe und ſelbigen dieſen Arm- ſeeligen durch einen Sclaven wolte einhaͤndigen laſ- ſen. Jndem drehete ſich dieſer Elende mit dem Kopfe in etwas wieder herum, da wir denn gleich erkannten, daß es mein Schwediſcher Dollmetſcher war, der mir und meiner Schweſter ſo viel gute Dienſte gethan hatte. Hierbey muß ich melden, daß ich ihm auf der Reiſe ſeine Beſoldung nicht al- lein redlich bezahlt, ſondern auch, weil ich ihn nicht weiter noͤthig zu ſeyn erachtete, biß in meines Va- ters Hauß, ihm nebſt vielen Dancke, noch 50. Du- caten gegeben und gemeldet, daß er nunmehro in GOttes Naymen wieder nach Hauſe reiſen koͤnte. Mein Vater und meine Schweſter hatten ihm gleichfalls, jedes 10. Ducaten geſchenckt, dero- wegen rieff ich voller Beſtuͤrtzung aus: Hilff Him- mel Monſ. van Blac wie treffe ich euch hier alſo ver- aͤndert an? Ach mein Herr, gab er mit thraͤnenden Augen zur Antwort: ich bin der ungluͤckſeeligſte Menſch von der Welt, 500. Gulden und noch ein meh- (A) 4

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/15>, abgerufen am 26.04.2024.