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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

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Sache aufgehalten hatten, liebreichen Abschied,
beschenckte ihn und seine gantze Familie reichlich,
und reisete unter ausgebetener gerichtlichen Be-
gleitung in guter Sicherheit nach Nyköping zu-
rücke, allwo wir nur wenige Tage auf ein Seegel-
fertiges Schiff warten mußten, nachhero aber auf
selbigem in unsere Geburts-Stadt überführet
wurden. Jch trat mit meiner Schwester, dem
Holländisch-Schwedischen Dolmetscher, und de-
nen zweyen Bedienten, in einem der vornehmsten
Wirthshäuser ab, allwo ich mich durch den Dol-
metscher vorhero unter der Hand erkundigen ließ,
wie es um meines Vaters Wesen stünde, erfuhr
aber zu meinen größten Freuden gar bald, daß der-
selbe nicht nur seine Schulden völlig bezahlet, son-
dern auch bereits sein ehemaliges Haus wieder
bezogen und das Gewölbe eröffnet hätte. So
bald die Abend-Demmerung eintrat, nahm ich
meine Schwester an die Hand und führete dieselbe,
zu unser beyderseits unbeschreiblichen Vergnügen,
nach demjenigen Hause hin, in welchem wir zum
ersten das Licht dieser Welt erblickt hatten. Es
war eben an einem Sonntags Abend, als wir bey
unserm lieben Vater gantz unverhofft in die Stu-
be traten, da er mit einem alten guten Freunde am
Tische saß und im Schacht spielete. Er fieng
hertzlich an zu weinen, als wir ihm fast beyde zu-
gleich um den Hals fielen, so daß sich unsere Freu-
den-Thränen, mit den seinigen, die von Kummer
und Freude zugleich ihren Ursprung nahmen, ver-
mischeten, jedoch da ich dieses merckte, erkannte ich

mich
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Sache aufgehalten hatten, liebreichen Abſchied,
beſchenckte ihn und ſeine gantze Familie reichlich,
und reiſete unter ausgebetener gerichtlichen Be-
gleitung in guter Sicherheit nach Nyköping zu-
ruͤcke, allwo wir nur wenige Tage auf ein Seegel-
fertiges Schiff warten mußten, nachhero aber auf
ſelbigem in unſere Geburts-Stadt uͤberfuͤhret
wurden. Jch trat mit meiner Schweſter, dem
Hollaͤndiſch-Schwediſchen Dolmetſcher, und de-
nen zweyen Bedienten, in einem der vornehmſten
Wirthshaͤuſer ab, allwo ich mich durch den Dol-
metſcher vorhero unter der Hand erkundigen ließ,
wie es um meines Vaters Weſen ſtuͤnde, erfuhr
aber zu meinen groͤßten Freuden gar bald, daß der-
ſelbe nicht nur ſeine Schulden voͤllig bezahlet, ſon-
dern auch bereits ſein ehemaliges Haus wieder
bezogen und das Gewoͤlbe eroͤffnet haͤtte. So
bald die Abend-Demmerung eintrat, nahm ich
meine Schweſter an die Hand und fuͤhrete dieſelbe,
zu unſer beyderſeits unbeſchreiblichen Vergnuͤgen,
nach demjenigen Hauſe hin, in welchem wir zum
erſten das Licht dieſer Welt erblickt hatten. Es
war eben an einem Sonntags Abend, als wir bey
unſerm lieben Vater gantz unverhofft in die Stu-
be traten, da er mit einem alten guten Freunde am
Tiſche ſaß und im Schacht ſpielete. Er fieng
hertzlich an zu weinen, als wir ihm faſt beyde zu-
gleich um den Hals fielen, ſo daß ſich unſere Freu-
den-Thraͤnen, mit den ſeinigen, die von Kummer
und Freude zugleich ihren Urſprung nahmen, ver-
miſcheten, jedoch da ich dieſes merckte, erkannte ich

mich
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[599/0615] Sache aufgehalten hatten, liebreichen Abſchied, beſchenckte ihn und ſeine gantze Familie reichlich, und reiſete unter ausgebetener gerichtlichen Be- gleitung in guter Sicherheit nach Nyköping zu- ruͤcke, allwo wir nur wenige Tage auf ein Seegel- fertiges Schiff warten mußten, nachhero aber auf ſelbigem in unſere Geburts-Stadt uͤberfuͤhret wurden. Jch trat mit meiner Schweſter, dem Hollaͤndiſch-Schwediſchen Dolmetſcher, und de- nen zweyen Bedienten, in einem der vornehmſten Wirthshaͤuſer ab, allwo ich mich durch den Dol- metſcher vorhero unter der Hand erkundigen ließ, wie es um meines Vaters Weſen ſtuͤnde, erfuhr aber zu meinen groͤßten Freuden gar bald, daß der- ſelbe nicht nur ſeine Schulden voͤllig bezahlet, ſon- dern auch bereits ſein ehemaliges Haus wieder bezogen und das Gewoͤlbe eroͤffnet haͤtte. So bald die Abend-Demmerung eintrat, nahm ich meine Schweſter an die Hand und fuͤhrete dieſelbe, zu unſer beyderſeits unbeſchreiblichen Vergnuͤgen, nach demjenigen Hauſe hin, in welchem wir zum erſten das Licht dieſer Welt erblickt hatten. Es war eben an einem Sonntags Abend, als wir bey unſerm lieben Vater gantz unverhofft in die Stu- be traten, da er mit einem alten guten Freunde am Tiſche ſaß und im Schacht ſpielete. Er fieng hertzlich an zu weinen, als wir ihm faſt beyde zu- gleich um den Hals fielen, ſo daß ſich unſere Freu- den-Thraͤnen, mit den ſeinigen, die von Kummer und Freude zugleich ihren Urſprung nahmen, ver- miſcheten, jedoch da ich dieſes merckte, erkannte ich mich p p 4

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 599. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/615>, abgerufen am 02.05.2024.