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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

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Etwa eine Stunde hernach, wurde alles völlig
munter, und die Musicanten liessen sich zu meinem
damahligen größten Verdruß tapfer wieder hö-
ren, ich war bereits angekleidet, trat derowegen
aus meiner Cammer heraus, und fragte nach
meiner Schwester Zimmer, als wohin mich die
bereits abgerichtete Amme so gleich führete. Es
befand sich niemand bey ihr, als unsere Baase,
indem ich aber meine Schwester weinend antraff,
fragte ich alsobald, was ihre gestrige und noch itzi-
ge betrübte Aufführungen zu bedeuten hätte. Jn-
dem nun meine Schwester vor Thränen nicht ant-
worten konte, nöthigte mich die Baase zum nie-
dersitzen, und fing eine weitläufftige Erzehlung
an, von derjenigen Glückseligkeit, worein meine
Schwester nicht allein sich selbst, sondern auch
meinen Vater und meine eigene Person setzen kön-
te, daferne sie ihren Eigensinn bräche, ein wenig
in einen sauren Apfel bisse, und dem Peterson sich
gefällig bezeigte, dessen verlobte Braut sie nun oh-
nedem schon wäre. Was? rief ich aus, soll
meine Schwester etwa mit Gewalt den ungestal-
ten Menschen heyrathen? Das wolle der Him-
mel nimmermehr. Es ist nun nicht anders, ant-
wortete meine Baase, denn gestern Abend vor eu-
rer Ankunfft, mein Vetter, ist das Verlöbniß schon
geschehen. Ey was Verlöbniß? fieng nunmehro
meine Schwester zu reden an, wer hat von mir ein
Ja-Wort gehört? hat man nicht meine Hand mit
Gewalt in seine Hand geleget? Man frage doch den
dabey gewesenen Priester, was der darzu sagt. Sie

beru-

Etwa eine Stunde hernach, wurde alles voͤllig
munter, und die Muſicanten lieſſen ſich zu meinem
damahligen groͤßten Verdruß tapfer wieder hoͤ-
ren, ich war bereits angekleidet, trat derowegen
aus meiner Cammer heraus, und fragte nach
meiner Schweſter Zimmer, als wohin mich die
bereits abgerichtete Amme ſo gleich fuͤhrete. Es
befand ſich niemand bey ihr, als unſere Baaſe,
indem ich aber meine Schweſter weinend antraff,
fragte ich alſobald, was ihre geſtrige und noch itzi-
ge betruͤbte Auffuͤhrungen zu bedeuten haͤtte. Jn-
dem nun meine Schweſter vor Thraͤnen nicht ant-
worten konte, noͤthigte mich die Baaſe zum nie-
derſitzen, und fing eine weitlaͤufftige Erzehlung
an, von derjenigen Gluͤckſeligkeit, worein meine
Schweſter nicht allein ſich ſelbſt, ſondern auch
meinen Vater und meine eigene Perſon ſetzen koͤn-
te, daferne ſie ihren Eigenſinn braͤche, ein wenig
in einen ſauren Apfel biſſe, und dem Peterſon ſich
gefaͤllig bezeigte, deſſen verlobte Braut ſie nun oh-
nedem ſchon waͤre. Was? rief ich aus, ſoll
meine Schweſter etwa mit Gewalt den ungeſtal-
ten Menſchen heyrathen? Das wolle der Him-
mel nimmermehr. Es iſt nun nicht anders, ant-
wortete meine Baaſe, denn geſtern Abend vor eu-
rer Ankunfft, mein Vetter, iſt das Verloͤbniß ſchon
geſchehen. Ey was Verloͤbniß? fieng nunmehro
meine Schweſter zu reden an, wer hat von mir ein
Ja-Wort gehoͤrt? hat man nicht meine Hand mit
Gewalt in ſeine Hand geleget? Man frage doch den
dabey geweſenen Prieſter, was der darzu ſagt. Sie

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[591/0607] Etwa eine Stunde hernach, wurde alles voͤllig munter, und die Muſicanten lieſſen ſich zu meinem damahligen groͤßten Verdruß tapfer wieder hoͤ- ren, ich war bereits angekleidet, trat derowegen aus meiner Cammer heraus, und fragte nach meiner Schweſter Zimmer, als wohin mich die bereits abgerichtete Amme ſo gleich fuͤhrete. Es befand ſich niemand bey ihr, als unſere Baaſe, indem ich aber meine Schweſter weinend antraff, fragte ich alſobald, was ihre geſtrige und noch itzi- ge betruͤbte Auffuͤhrungen zu bedeuten haͤtte. Jn- dem nun meine Schweſter vor Thraͤnen nicht ant- worten konte, noͤthigte mich die Baaſe zum nie- derſitzen, und fing eine weitlaͤufftige Erzehlung an, von derjenigen Gluͤckſeligkeit, worein meine Schweſter nicht allein ſich ſelbſt, ſondern auch meinen Vater und meine eigene Perſon ſetzen koͤn- te, daferne ſie ihren Eigenſinn braͤche, ein wenig in einen ſauren Apfel biſſe, und dem Peterſon ſich gefaͤllig bezeigte, deſſen verlobte Braut ſie nun oh- nedem ſchon waͤre. Was? rief ich aus, ſoll meine Schweſter etwa mit Gewalt den ungeſtal- ten Menſchen heyrathen? Das wolle der Him- mel nimmermehr. Es iſt nun nicht anders, ant- wortete meine Baaſe, denn geſtern Abend vor eu- rer Ankunfft, mein Vetter, iſt das Verloͤbniß ſchon geſchehen. Ey was Verloͤbniß? fieng nunmehro meine Schweſter zu reden an, wer hat von mir ein Ja-Wort gehoͤrt? hat man nicht meine Hand mit Gewalt in ſeine Hand geleget? Man frage doch den dabey geweſenen Prieſter, was der darzu ſagt. Sie beru-

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 591. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/607>, abgerufen am 24.11.2024.