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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

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Sache wegen völlige Nachricht eingezogen, so er-
zehlete sie mir, auf mein Bitten, in aller Kürtze,
daß ihr par force Bräutigam vor einen der aller-
reichsten Handels-Leute, nicht allein in diesen, son-
dern auch in andern Landen, geschätzt würde.
Unser Vater wäre auf der Reise mit ihm bekandt
worden, und hätte denselben vor Jahrs-Zeit mit
sich nach Stockholm gebracht, allwo dieser Mensch
sie nicht so bald gesehen, als er sich schon auf eine
recht närrische Weise in ihre Person verliebt ge-
habt. Sein Ansehen wäre damahls zwar vor ein
junges Frauenzimmer übel genug, aber des tausen-
den Theils nicht so heßlich gewesen als itzo, so
bald er ihr aber seine hefftige Liebe angetragen, hät-
te sie ihm ein vor allemahl zu verstehen gegeben, daß
sie Zeit Lebens mit guten Willen nicht dahin zu ver-
mögen seyn würde, einen Mann zu nehmen, der mehr
1000. als sie 100. Thlr. im Vermögen hätte. Nun
wäre zwar leichtlich zu mercken gewesen, daß er mit
ihrem Vater in sehr wichtigen Handlungs-Tracta-
ten gestanden, endlich aber sey es heraus gekommen,
daß eben unser Vater sich von der Noth gedrungen
gesehen, zwischen seiner eintzigen Tochter und einem
sehr ecklen Menschen, seines Vortheils wegen, eine
Verbindung gut zu heissen, die er in seinem Wohl-
stande, ehe mit etlichen 1000. Thlr. zu hintertreiben,
gesucht hätte.

Mittlerweile wäre ein gewisser Cavalier der Herr
von L** ebenfalls mit verliebten Regungen gegen
diese meine Schwester angefüllet worden, der sich,
so bald er nur gehöret, daß sie dem Kauffmanne

(wel-

Sache wegen voͤllige Nachricht eingezogen, ſo er-
zehlete ſie mir, auf mein Bitten, in aller Kuͤrtze,
daß ihr par force Braͤutigam vor einen der aller-
reichſten Handels-Leute, nicht allein in dieſen, ſon-
dern auch in andern Landen, geſchaͤtzt wuͤrde.
Unſer Vater waͤre auf der Reiſe mit ihm bekandt
worden, und haͤtte denſelben vor Jahrs-Zeit mit
ſich nach Stockholm gebracht, allwo dieſer Menſch
ſie nicht ſo bald geſehen, als er ſich ſchon auf eine
recht naͤrriſche Weiſe in ihre Perſon verliebt ge-
habt. Sein Anſehen waͤre damahls zwar vor ein
junges Frauenzimmer uͤbel genug, aber des tauſen-
den Theils nicht ſo heßlich geweſen als itzo, ſo
bald er ihr aber ſeine hefftige Liebe angetragen, haͤt-
te ſie ihm ein vor allemahl zu verſtehen gegeben, daß
ſie Zeit Lebens mit guten Willen nicht dahin zu ver-
moͤgen ſeyn wuͤrde, einen Mann zu nehmen, der mehr
1000. als ſie 100. Thlr. im Vermoͤgen haͤtte. Nun
waͤre zwar leichtlich zu mercken geweſen, daß er mit
ihrem Vater in ſehr wichtigen Handlungs-Tracta-
ten geſtanden, endlich aber ſey es heraus gekommen,
daß eben unſer Vater ſich von der Noth gedrungen
geſehen, zwiſchen ſeiner eintzigen Tochter und einem
ſehr ecklen Menſchen, ſeines Vortheils wegen, eine
Verbindung gut zu heiſſen, die er in ſeinem Wohl-
ſtande, ehe mit etlichen 1000. Thlr. zu hintertreiben,
geſucht haͤtte.

Mittlerweile waͤre ein gewiſſer Cavalier der Herr
von L** ebenfalls mit verliebten Regungen gegen
dieſe meine Schweſter angefuͤllet worden, der ſich,
ſo bald er nur gehoͤret, daß ſie dem Kauffmanne

(wel-
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[587/0603] Sache wegen voͤllige Nachricht eingezogen, ſo er- zehlete ſie mir, auf mein Bitten, in aller Kuͤrtze, daß ihr par force Braͤutigam vor einen der aller- reichſten Handels-Leute, nicht allein in dieſen, ſon- dern auch in andern Landen, geſchaͤtzt wuͤrde. Unſer Vater waͤre auf der Reiſe mit ihm bekandt worden, und haͤtte denſelben vor Jahrs-Zeit mit ſich nach Stockholm gebracht, allwo dieſer Menſch ſie nicht ſo bald geſehen, als er ſich ſchon auf eine recht naͤrriſche Weiſe in ihre Perſon verliebt ge- habt. Sein Anſehen waͤre damahls zwar vor ein junges Frauenzimmer uͤbel genug, aber des tauſen- den Theils nicht ſo heßlich geweſen als itzo, ſo bald er ihr aber ſeine hefftige Liebe angetragen, haͤt- te ſie ihm ein vor allemahl zu verſtehen gegeben, daß ſie Zeit Lebens mit guten Willen nicht dahin zu ver- moͤgen ſeyn wuͤrde, einen Mann zu nehmen, der mehr 1000. als ſie 100. Thlr. im Vermoͤgen haͤtte. Nun waͤre zwar leichtlich zu mercken geweſen, daß er mit ihrem Vater in ſehr wichtigen Handlungs-Tracta- ten geſtanden, endlich aber ſey es heraus gekommen, daß eben unſer Vater ſich von der Noth gedrungen geſehen, zwiſchen ſeiner eintzigen Tochter und einem ſehr ecklen Menſchen, ſeines Vortheils wegen, eine Verbindung gut zu heiſſen, die er in ſeinem Wohl- ſtande, ehe mit etlichen 1000. Thlr. zu hintertreiben, geſucht haͤtte. Mittlerweile waͤre ein gewiſſer Cavalier der Herr von L** ebenfalls mit verliebten Regungen gegen dieſe meine Schweſter angefuͤllet worden, der ſich, ſo bald er nur gehoͤret, daß ſie dem Kauffmanne (wel-

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 587. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/603>, abgerufen am 22.11.2024.