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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

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mir so viel Nachricht, so wohl von ihr als meiner
Baase gegeben worden, daß mein Vater nur vor
wenig Tagen nach meiner Geburts-Stadt abge-
reiset wäre, um daselbst noch einen grossen Theil
seiner Schulden zu bezahlen, und mit einem neuen
Compagnon in frische Handlung zu treten, auch
seine gantze Haushaltung daselbst von neuen wie-
der anzufangen.

Man machte sich hierauf viele Mühe, mich als der
Braut Bruder aufs beste zu verpflegen, allein weil
es bereits sehr späte war, hatte ich die beste Gelegen-
heit, mich dieses mahl gar bald von dem verdrießli-
chen Herrn Schwager so wohl, als der andern Ruh
bedürfftigen Gesellschafft, los zu wickeln, und den
übrigen Theil der Nacht mit sehr verdrießlichen Ge-
dancken zu zubringen.

Kaum war der Tag völlig angebrochen, als meine
Schwester nebst ihrer Aufwarte-Frauen, die in der
Kindheit ihre Amme gewesen war, zu mir in die
Schlaf-Kammer kamen, und nach gebotenen guten
Morgen, an statt fernerer Worte häuffige Thränen
hervor brachten. Die erstere setzte sich auf mein Bet-
te nieder, und sagte endlich mit kläglichen Seuffzen:
Ach mein allerliebster Bruder, ist noch ein eintziger
Trost in meinem Jammer zu finden, so ist es gewiß
dieser, daß doch ihr selbsten Zeuge seyd und mit sicht-
lichen Augen sehet, wie blos um meines Vaters Re-
nomme
einigermassen wieder herzustellen, ich mich
in den allerbeklagens-würdigsten Zustand setze. Jn-
massen nun ich mich gegen meine Schwester weiter
mit nichts heraus lassen wolte, bis ich der Haupt-

Sa-

mir ſo viel Nachricht, ſo wohl von ihr als meiner
Baaſe gegeben worden, daß mein Vater nur vor
wenig Tagen nach meiner Geburts-Stadt abge-
reiſet waͤre, um daſelbſt noch einen groſſen Theil
ſeiner Schulden zu bezahlen, und mit einem neuen
Compagnon in friſche Handlung zu treten, auch
ſeine gantze Haushaltung daſelbſt von neuen wie-
der anzufangen.

Man machte ſich hierauf viele Muͤhe, mich als der
Braut Bruder aufs beſte zu verpflegen, allein weil
es bereits ſehr ſpaͤte war, hatte ich die beſte Gelegen-
heit, mich dieſes mahl gar bald von dem verdrießli-
chen Herrn Schwager ſo wohl, als der andern Ruh
beduͤrfftigen Geſellſchafft, los zu wickeln, und den
uͤbrigen Theil der Nacht mit ſehr verdrießlichen Ge-
dancken zu zubringen.

Kaum war der Tag voͤllig angebrochen, als meine
Schweſter nebſt ihrer Aufwarte-Frauen, die in der
Kindheit ihre Amme geweſen war, zu mir in die
Schlaf-Kammer kamen, und nach gebotenen guten
Morgen, an ſtatt fernerer Worte haͤuffige Thraͤnen
hervor brachten. Die erſtere ſetzte ſich auf mein Bet-
te nieder, und ſagte endlich mit klaͤglichen Seuffzen:
Ach mein allerliebſter Bruder, iſt noch ein eintziger
Troſt in meinem Jammer zu finden, ſo iſt es gewiß
dieſer, daß doch ihr ſelbſten Zeuge ſeyd und mit ſicht-
lichen Augen ſehet, wie blos um meines Vaters Re-
nommé
einigermaſſen wieder herzuſtellen, ich mich
in den allerbeklagens-wuͤrdigſten Zuſtand ſetze. Jn-
maſſen nun ich mich gegen meine Schweſter weiter
mit nichts heraus laſſen wolte, bis ich der Haupt-

Sa-
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[586/0602] mir ſo viel Nachricht, ſo wohl von ihr als meiner Baaſe gegeben worden, daß mein Vater nur vor wenig Tagen nach meiner Geburts-Stadt abge- reiſet waͤre, um daſelbſt noch einen groſſen Theil ſeiner Schulden zu bezahlen, und mit einem neuen Compagnon in friſche Handlung zu treten, auch ſeine gantze Haushaltung daſelbſt von neuen wie- der anzufangen. Man machte ſich hierauf viele Muͤhe, mich als der Braut Bruder aufs beſte zu verpflegen, allein weil es bereits ſehr ſpaͤte war, hatte ich die beſte Gelegen- heit, mich dieſes mahl gar bald von dem verdrießli- chen Herrn Schwager ſo wohl, als der andern Ruh beduͤrfftigen Geſellſchafft, los zu wickeln, und den uͤbrigen Theil der Nacht mit ſehr verdrießlichen Ge- dancken zu zubringen. Kaum war der Tag voͤllig angebrochen, als meine Schweſter nebſt ihrer Aufwarte-Frauen, die in der Kindheit ihre Amme geweſen war, zu mir in die Schlaf-Kammer kamen, und nach gebotenen guten Morgen, an ſtatt fernerer Worte haͤuffige Thraͤnen hervor brachten. Die erſtere ſetzte ſich auf mein Bet- te nieder, und ſagte endlich mit klaͤglichen Seuffzen: Ach mein allerliebſter Bruder, iſt noch ein eintziger Troſt in meinem Jammer zu finden, ſo iſt es gewiß dieſer, daß doch ihr ſelbſten Zeuge ſeyd und mit ſicht- lichen Augen ſehet, wie blos um meines Vaters Re- nommé einigermaſſen wieder herzuſtellen, ich mich in den allerbeklagens-wuͤrdigſten Zuſtand ſetze. Jn- maſſen nun ich mich gegen meine Schweſter weiter mit nichts heraus laſſen wolte, bis ich der Haupt- Sa-

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 586. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/602>, abgerufen am 22.11.2024.