Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

Bild:
<< vorherige Seite

Es wurde immittelst auf eines jeden Thun und
Lassen sehr genaue Achtung gegeben, da wir aber
vermerckten, daß einer so wohl als der andere die
allergrößte Lust bezeigte, auf der Jnsul zu verblei-
ben, wurden die 6. erstgemeldten Handwercker
eines Tages zum Alt-Vater beschieden, welcher
ihnen durch Herrn Wolffgangen seine Meinung
vortragen ließ, ob sie nemlich, wo nicht auf Le-
bens-Zeit, jedoch etwa auf 3. oder 4. Jahr, in
dieser Jnsul zu verharren, und ihre Professionen
den Unsern zu lehren Belieben trügen, da ihnen
denn letztern Falls, die freye Abfuhre nach Euro-
pa nebst einem Geschencke von 2000. Thlr. zu stat-
ten kommen solte. Sie nahmen also den Vorschlag
ohne eintziges Bedencken sämtlich mit Vergnügen
an, und legten gleich darauf folgenden Tages,
den, ihnen allen zur Uberlegung aufgeschriebenen
und zugestelleten Eyd der Treue ab, wurden auch
alsofort unter die Zahl der Felsenburgischen Ein-
wohner gerechnet.

Dietrich der Peruquier hatte dieses kaum ver-
nommen, als er mit gantz betrübten Gebärden zu
mir kam, und fragte, warum denn er unter seinen
6. übrigen Cameraden allein vor so unwürdig und
verächtlich geachtet, und nicht auch auf dieser Jn-
sul gedultet werden solte, da er doch aus Liebe zu
dieser angenehmen Lebens-Art seine Eltern, Ge-
schwister, Erbschafft und alles zurück setzen, und
sich so ehrlich, als wohl einer von den andern
sechseu, aufführen wolte? Jch gab ihm hierauf
zur Antwort: Mein werther Freund, an eurer

Per-

Es wurde immittelſt auf eines jeden Thun und
Laſſen ſehr genaue Achtung gegeben, da wir aber
vermerckten, daß einer ſo wohl als der andere die
allergroͤßte Luſt bezeigte, auf der Jnſul zu verblei-
ben, wurden die 6. erſtgemeldten Handwercker
eines Tages zum Alt-Vater beſchieden, welcher
ihnen durch Herrn Wolffgangen ſeine Meinung
vortragen ließ, ob ſie nemlich, wo nicht auf Le-
bens-Zeit, jedoch etwa auf 3. oder 4. Jahr, in
dieſer Jnſul zu verharren, und ihre Profeſſionen
den Unſern zu lehren Belieben truͤgen, da ihnen
denn letztern Falls, die freye Abfuhre nach Euro-
pa nebſt einem Geſchencke von 2000. Thlr. zu ſtat-
ten kommen ſolte. Sie nahmen alſo den Vorſchlag
ohne eintziges Bedencken ſaͤmtlich mit Vergnuͤgen
an, und legten gleich darauf folgenden Tages,
den, ihnen allen zur Uberlegung aufgeſchriebenen
und zugeſtelleten Eyd der Treue ab, wurden auch
alſofort unter die Zahl der Felſenburgiſchen Ein-
wohner gerechnet.

Dietrich der Peruquier hatte dieſes kaum ver-
nommen, als er mit gantz betruͤbten Gebaͤrden zu
mir kam, und fragte, warum denn er unter ſeinen
6. uͤbrigen Cameraden allein vor ſo unwuͤrdig und
veraͤchtlich geachtet, und nicht auch auf dieſer Jn-
ſul gedultet werden ſolte, da er doch aus Liebe zu
dieſer angenehmen Lebens-Art ſeine Eltern, Ge-
ſchwiſter, Erbſchafft und alles zuruͤck ſetzen, und
ſich ſo ehrlich, als wohl einer von den andern
ſechſeu, auffuͤhren wolte? Jch gab ihm hierauf
zur Antwort: Mein werther Freund, an eurer

Per-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0578" n="562"/>
            <p>Es wurde immittel&#x017F;t auf eines jeden Thun und<lb/>
La&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ehr genaue Achtung gegeben, da wir aber<lb/>
vermerckten, daß einer &#x017F;o wohl als der andere die<lb/>
allergro&#x0364;ßte Lu&#x017F;t bezeigte, auf der Jn&#x017F;ul zu verblei-<lb/>
ben, wurden die 6. er&#x017F;tgemeldten Handwercker<lb/>
eines Tages zum Alt-Vater be&#x017F;chieden, welcher<lb/>
ihnen durch Herrn Wolffgangen &#x017F;eine Meinung<lb/>
vortragen ließ, ob &#x017F;ie nemlich, wo nicht auf Le-<lb/>
bens-Zeit, jedoch etwa auf 3. oder 4. Jahr, in<lb/>
die&#x017F;er Jn&#x017F;ul zu verharren, und ihre <hi rendition="#aq">Profe&#x017F;&#x017F;ion</hi>en<lb/>
den Un&#x017F;ern zu lehren Belieben tru&#x0364;gen, da ihnen<lb/>
denn letztern Falls, die freye Abfuhre nach Euro-<lb/>
pa neb&#x017F;t einem Ge&#x017F;chencke von 2000. Thlr. zu &#x017F;tat-<lb/>
ten kommen &#x017F;olte. Sie nahmen al&#x017F;o den Vor&#x017F;chlag<lb/>
ohne eintziges Bedencken &#x017F;a&#x0364;mtlich mit Vergnu&#x0364;gen<lb/>
an, und legten gleich darauf folgenden Tages,<lb/>
den, ihnen allen zur Uberlegung aufge&#x017F;chriebenen<lb/>
und zuge&#x017F;telleten Eyd der Treue ab, wurden auch<lb/>
al&#x017F;ofort unter die Zahl der Fel&#x017F;enburgi&#x017F;chen Ein-<lb/>
wohner gerechnet.</p><lb/>
            <p>Dietrich der <hi rendition="#aq">Peruquier</hi> hatte die&#x017F;es kaum ver-<lb/>
nommen, als er mit gantz betru&#x0364;bten Geba&#x0364;rden zu<lb/>
mir kam, und fragte, warum denn er unter &#x017F;einen<lb/>
6. u&#x0364;brigen <hi rendition="#aq">Camerad</hi>en allein vor &#x017F;o unwu&#x0364;rdig und<lb/>
vera&#x0364;chtlich geachtet, und nicht auch auf die&#x017F;er Jn-<lb/>
&#x017F;ul gedultet werden &#x017F;olte, da er doch aus Liebe zu<lb/>
die&#x017F;er angenehmen Lebens-Art &#x017F;eine Eltern, Ge-<lb/>
&#x017F;chwi&#x017F;ter, Erb&#x017F;chafft und alles zuru&#x0364;ck &#x017F;etzen, und<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;o ehrlich, als wohl einer von den andern<lb/>
&#x017F;ech&#x017F;eu, auffu&#x0364;hren wolte? Jch gab ihm hierauf<lb/>
zur Antwort: Mein werther Freund, an eurer<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Per-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[562/0578] Es wurde immittelſt auf eines jeden Thun und Laſſen ſehr genaue Achtung gegeben, da wir aber vermerckten, daß einer ſo wohl als der andere die allergroͤßte Luſt bezeigte, auf der Jnſul zu verblei- ben, wurden die 6. erſtgemeldten Handwercker eines Tages zum Alt-Vater beſchieden, welcher ihnen durch Herrn Wolffgangen ſeine Meinung vortragen ließ, ob ſie nemlich, wo nicht auf Le- bens-Zeit, jedoch etwa auf 3. oder 4. Jahr, in dieſer Jnſul zu verharren, und ihre Profeſſionen den Unſern zu lehren Belieben truͤgen, da ihnen denn letztern Falls, die freye Abfuhre nach Euro- pa nebſt einem Geſchencke von 2000. Thlr. zu ſtat- ten kommen ſolte. Sie nahmen alſo den Vorſchlag ohne eintziges Bedencken ſaͤmtlich mit Vergnuͤgen an, und legten gleich darauf folgenden Tages, den, ihnen allen zur Uberlegung aufgeſchriebenen und zugeſtelleten Eyd der Treue ab, wurden auch alſofort unter die Zahl der Felſenburgiſchen Ein- wohner gerechnet. Dietrich der Peruquier hatte dieſes kaum ver- nommen, als er mit gantz betruͤbten Gebaͤrden zu mir kam, und fragte, warum denn er unter ſeinen 6. uͤbrigen Cameraden allein vor ſo unwuͤrdig und veraͤchtlich geachtet, und nicht auch auf dieſer Jn- ſul gedultet werden ſolte, da er doch aus Liebe zu dieſer angenehmen Lebens-Art ſeine Eltern, Ge- ſchwiſter, Erbſchafft und alles zuruͤck ſetzen, und ſich ſo ehrlich, als wohl einer von den andern ſechſeu, auffuͤhren wolte? Jch gab ihm hierauf zur Antwort: Mein werther Freund, an eurer Per-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/578
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 562. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/578>, abgerufen am 19.05.2024.