einen Schwedischen Baron von Lilienfeld ausgäbe. Jn Betrachtung, daß es seine alte Weise gewesen, bald diesen bald jenen Nahmen zu führen, verur- sachte mir dieses, daß er sich letztens in Ulm vor einen Herrn von Franckenstein ausgegeben, weniges Nachdencken, nahm aber Gelegenheit den alten Martin aufzusuchen und mit ihm in Geheim zu spre- chen, auch denselben zu bitten, mich bey seinem Herrn zu melden. Martin erfreuete sich von Hertzen über meine Gegenwart, eröffnete von seinem und seines Herrn Zustande so viel, als er sich bey demsel- ben zu verantworten getrauete, warnete mich aber in Zeiten, gegen niemanden mercken zu lassen, daß er, nemlich Martin, in des Baron Lilienfelds Dien- sten stünde, oder gestanden hätte, noch vielweniger solte ich von dessen voriger Lebens-Art etwas erzeh- len, bis mir der Herr selbst mündlichen Unterricht gegeben hätte. Solchem nach kam ich bey späten Abende zur Audience, der Herr Baron war gantz allein in seinem Zimmer, verschloß dasselbe gleich nach meinem Eintritte und empfieng mich nicht etwa als einen ehemahligen Bedienten oder Bettel-Jun- gen, sondern als seinen leiblichen Sohn oder Bru- der. Jch wurde allerdings beschämt über derglei- chen unerwartete Höflichkeit und Liebes-Bezeu- gungen, nachdem er mich aber ein grosses Glaß Wein aus zu trincken genöthiget, mußte ich ihm er- zehlen, wie es mir seit seiner Abreise so wohl in Ulm als anderer Orten ergangen sey. Er stellete sich, do ich mit Reden fertig war, höchst vergnügt über mein gantzes Wesen an, erzehlete mir auch, wie er damahls auf seiner Rück-Reise aus Franckreich
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einen Schwediſchen Baron von Lilienfeld ausgaͤbe. Jn Betrachtung, daß es ſeine alte Weiſe geweſen, bald dieſen bald jenen Nahmen zu fuͤhren, verur- ſachte mir dieſes, daß er ſich letztens in Ulm vor einen Herrn von Franckenſtein ausgegeben, weniges Nachdencken, nahm aber Gelegenheit den alten Martin aufzuſuchen und mit ihm in Geheim zu ſpre- chen, auch denſelben zu bitten, mich bey ſeinem Herrn zu melden. Martin erfreuete ſich von Hertzen uͤber meine Gegenwart, eroͤffnete von ſeinem und ſeines Herrn Zuſtande ſo viel, als er ſich bey demſel- ben zu verantworten getrauete, warnete mich aber in Zeiten, gegen niemanden mercken zu laſſen, daß er, nemlich Martin, in des Baron Lilienfelds Dien- ſten ſtuͤnde, oder geſtanden haͤtte, noch vielweniger ſolte ich von deſſen voriger Lebens-Art etwas erzeh- len, bis mir der Herr ſelbſt muͤndlichen Unterricht gegeben haͤtte. Solchem nach kam ich bey ſpaͤten Abende zur Audience, der Herr Baron war gantz allein in ſeinem Zimmer, verſchloß daſſelbe gleich nach meinem Eintritte und empfieng mich nicht etwa als einen ehemahligen Bedienten oder Bettel-Jun- gen, ſondern als ſeinen leiblichen Sohn oder Bru- der. Jch wurde allerdings beſchaͤmt uͤber derglei- chen unerwartete Hoͤflichkeit und Liebes-Bezeu- gungen, nachdem er mich aber ein groſſes Glaß Wein aus zu trincken genoͤthiget, mußte ich ihm er- zehlen, wie es mir ſeit ſeiner Abreiſe ſo wohl in Ulm als anderer Orten ergangen ſey. Er ſtellete ſich, do ich mit Reden fertig war, hoͤchſt vergnuͤgt uͤber mein gantzes Weſen an, erzehlete mir auch, wie er damahls auf ſeiner Ruͤck-Reiſe aus Franckreich
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einen Schwediſchen Baron von Lilienfeld ausgaͤbe.
Jn Betrachtung, daß es ſeine alte Weiſe geweſen,
bald dieſen bald jenen Nahmen zu fuͤhren, verur-
ſachte mir dieſes, daß er ſich letztens in Ulm vor einen
Herrn von Franckenſtein ausgegeben, weniges
Nachdencken, nahm aber Gelegenheit den alten
Martin aufzuſuchen und mit ihm in Geheim zu ſpre-
chen, auch denſelben zu bitten, mich bey ſeinem
Herrn zu melden. Martin erfreuete ſich von Hertzen
uͤber meine Gegenwart, eroͤffnete von ſeinem und
ſeines Herrn Zuſtande ſo viel, als er ſich bey demſel-
ben zu verantworten getrauete, warnete mich aber
in Zeiten, gegen niemanden mercken zu laſſen, daß
er, nemlich Martin, in des Baron Lilienfelds Dien-
ſten ſtuͤnde, oder geſtanden haͤtte, noch vielweniger
ſolte ich von deſſen voriger Lebens-Art etwas erzeh-
len, bis mir der Herr ſelbſt muͤndlichen Unterricht
gegeben haͤtte. Solchem nach kam ich bey ſpaͤten
Abende zur Audience, der Herr Baron war gantz
allein in ſeinem Zimmer, verſchloß daſſelbe gleich
nach meinem Eintritte und empfieng mich nicht etwa
als einen ehemahligen Bedienten oder Bettel-Jun-
gen, ſondern als ſeinen leiblichen Sohn oder Bru-
der. Jch wurde allerdings beſchaͤmt uͤber derglei-
chen unerwartete Hoͤflichkeit und Liebes-Bezeu-
gungen, nachdem er mich aber ein groſſes Glaß
Wein aus zu trincken genoͤthiget, mußte ich ihm er-
zehlen, wie es mir ſeit ſeiner Abreiſe ſo wohl in Ulm
als anderer Orten ergangen ſey. Er ſtellete ſich, do
ich mit Reden fertig war, hoͤchſt vergnuͤgt uͤber
mein gantzes Weſen an, erzehlete mir auch, wie er
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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 491. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/507>, abgerufen am 22.11.2024.
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