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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

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war dieser mein Bruder nicht allein so redlich mir
30. thlr. baar Geld wieder zurück zu geben, sondern
versprach auch, gleich nach geendigter Messe, eine
Reise an den Ort ihres Aufenthalts zu thun und zu
ihrer desto bessern Verpflegung fernere Anstalten
zu machen. Wir blieben also über 14. Tage bey-
sammen, binnen welcher Zeit ich der Herrschafft
meines Bruders, meine Avanturen eigenmündig
erzehlen, und davor ein Geschencke von 12. harten
Thalern annehmen mußte. Es fehlete mir an
keiner Gelegenheit in Leipzig Arbeit zu bekommen,
weil ich aber grosse Lust hatte die berühmtesten Städ-
te in Böhmen und Schlesien zu besehen, nahm ich
den Verlaß mit meinem Bruder ihm fleißig zu
schreiben, nachhero aber Abschied und reisete mei-
nem Vorsatz zu folgen fort. Es begegnete mir bin-
nen zwey Jahren eben nichts besonders, nach der
Zeit aber der allersonderbarste Streich. Denn
als ich eines Tages in einer Römisch Catholischen
Stadt in der Marter-Woche den Processionen zu-
sahe, wurde ich von ohngefehr meinen ehemahligen
Herrn unter der grossen Versammlung des
Volcks gewahr, wußte aber anfänglich nicht ob ich
meinen Augen trauen solte, bis mir endlich sein al-
ter Reit-Knecht, Martin genannt, hinter ihm zu
Gesichte kam. Jch verwandte kein Auge von bey-
den, bis ich sie als Leute, die einander gantz und
gar nichts anzugehen schienen, in den besten Gasthof
eintreten sahe, allwo sich gleich ein grün und weiß
gekleideter Laquay zum Dienst des Herrn praesen-
tir
te. Jch erkundigte mich so gleich bey vielen Leu-
ten, wer dieser Herr sey, und erfuhr, daß er sich vor

einen

war dieſer mein Bruder nicht allein ſo redlich mir
30. thlr. baar Geld wieder zuruͤck zu geben, ſondern
verſprach auch, gleich nach geendigter Meſſe, eine
Reiſe an den Ort ihres Aufenthalts zu thun und zu
ihrer deſto beſſern Verpflegung fernere Anſtalten
zu machen. Wir blieben alſo uͤber 14. Tage bey-
ſammen, binnen welcher Zeit ich der Herrſchafft
meines Bruders, meine Avanturen eigenmuͤndig
erzehlen, und davor ein Geſchencke von 12. harten
Thalern annehmen mußte. Es fehlete mir an
keiner Gelegenheit in Leipzig Arbeit zu bekommen,
weil ich aber groſſe Luſt hatte die beruͤhmteſten Staͤd-
te in Boͤhmen und Schleſien zu beſehen, nahm ich
den Verlaß mit meinem Bruder ihm fleißig zu
ſchreiben, nachhero aber Abſchied und reiſete mei-
nem Vorſatz zu folgen fort. Es begegnete mir bin-
nen zwey Jahren eben nichts beſonders, nach der
Zeit aber der allerſonderbarſte Streich. Denn
als ich eines Tages in einer Roͤmiſch Catholiſchen
Stadt in der Marter-Woche den Proceſſionen zu-
ſahe, wurde ich von ohngefehr meinen ehemahligen
Herrn unter der groſſen Verſammlung des
Volcks gewahr, wußte aber anfaͤnglich nicht ob ich
meinen Augen trauen ſolte, bis mir endlich ſein al-
ter Reit-Knecht, Martin genannt, hinter ihm zu
Geſichte kam. Jch verwandte kein Auge von bey-
den, bis ich ſie als Leute, die einander gantz und
gar nichts anzugehen ſchienen, in den beſten Gaſthof
eintreten ſahe, allwo ſich gleich ein gruͤn und weiß
gekleideter Laquay zum Dienſt des Herrn præſen-
tir
te. Jch erkundigte mich ſo gleich bey vielen Leu-
ten, wer dieſer Herr ſey, und erfuhr, daß er ſich vor

einen
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[490/0506] war dieſer mein Bruder nicht allein ſo redlich mir 30. thlr. baar Geld wieder zuruͤck zu geben, ſondern verſprach auch, gleich nach geendigter Meſſe, eine Reiſe an den Ort ihres Aufenthalts zu thun und zu ihrer deſto beſſern Verpflegung fernere Anſtalten zu machen. Wir blieben alſo uͤber 14. Tage bey- ſammen, binnen welcher Zeit ich der Herrſchafft meines Bruders, meine Avanturen eigenmuͤndig erzehlen, und davor ein Geſchencke von 12. harten Thalern annehmen mußte. Es fehlete mir an keiner Gelegenheit in Leipzig Arbeit zu bekommen, weil ich aber groſſe Luſt hatte die beruͤhmteſten Staͤd- te in Boͤhmen und Schleſien zu beſehen, nahm ich den Verlaß mit meinem Bruder ihm fleißig zu ſchreiben, nachhero aber Abſchied und reiſete mei- nem Vorſatz zu folgen fort. Es begegnete mir bin- nen zwey Jahren eben nichts beſonders, nach der Zeit aber der allerſonderbarſte Streich. Denn als ich eines Tages in einer Roͤmiſch Catholiſchen Stadt in der Marter-Woche den Proceſſionen zu- ſahe, wurde ich von ohngefehr meinen ehemahligen Herrn unter der groſſen Verſammlung des Volcks gewahr, wußte aber anfaͤnglich nicht ob ich meinen Augen trauen ſolte, bis mir endlich ſein al- ter Reit-Knecht, Martin genannt, hinter ihm zu Geſichte kam. Jch verwandte kein Auge von bey- den, bis ich ſie als Leute, die einander gantz und gar nichts anzugehen ſchienen, in den beſten Gaſthof eintreten ſahe, allwo ſich gleich ein gruͤn und weiß gekleideter Laquay zum Dienſt des Herrn præſen- tirte. Jch erkundigte mich ſo gleich bey vielen Leu- ten, wer dieſer Herr ſey, und erfuhr, daß er ſich vor einen

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 490. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/506>, abgerufen am 25.11.2024.