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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

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machte, und allen Fleiß anwandte, mich zu einem
perfecten Concertisten zu machen, worbey ich
denn auch, was die Latinität unter dem Rectore
und Conrectore anbetraff, nicht unter die schlimm-
sten, jedoch auch nicht unter die besten zu rechnen
war. Jmmittelst konte doch Jahr aus Jahr ein
so viel verdienen mich in Kleidung, Wäsche und
dergleichen selbst frey zu halten. Da aber dritte-
halb Jahr hernach eben derselbe Schulmeister,
welcher in meinem Geburts-Dorffe an meines
Vaters Stelle gekommen war, verstarb, ließ mir
meine Mutter solches so gleich schrifftlich berichten
und rathen, ich solte eiligst nach Hause kommen,
und um den Dienst anhalten, denn sie zweifelte im
geringsten nicht, daß ich so wohl im Orgel-Spielen,
als andern darzu gehörigen Wissenschafften, so
viel würde begriffen haben, noch eines weit wichti-
gern Dienstes würdig zu seyn.

Diese Post war kaum eingelauffen, als in mei-
nen Gedancken schon alles richtig war, bedaurete
also nichts, als daß ich mir nur vor wenig Wo-
chen ein Spannagel neues Farben-Kleid ange-
schafft hatte, jedoch mein bester Trost war, daß es
könte schwartz gefärbet werden. Meine Mutter,
die mich in so langer Zeit nicht gesehen, erfreuete
sich hertzlich, einen dergestalt ansehnlichen Sohn zu
haben, wie nicht weniger unser Herr Hospes der
Posamentirer, der einen besondern Estim und
Liebe vor mich bezeigte. Ja, was noch mehr, so
verliebte sich noch selbigen ersten Tages, dessen
jüngste Jungfer Tochter in mich, zumahlen da sie
vernahm, daß ich anitzo in Begriff sey, um einen

Schul-

machte, und allen Fleiß anwandte, mich zu einem
perfecten Concertiſten zu machen, worbey ich
denn auch, was die Latinitaͤt unter dem Rectore
und Conrectore anbetraff, nicht unter die ſchlimm-
ſten, jedoch auch nicht unter die beſten zu rechnen
war. Jmmittelſt konte doch Jahr aus Jahr ein
ſo viel verdienen mich in Kleidung, Waͤſche und
dergleichen ſelbſt frey zu halten. Da aber dritte-
halb Jahr hernach eben derſelbe Schulmeiſter,
welcher in meinem Geburts-Dorffe an meines
Vaters Stelle gekommen war, verſtarb, ließ mir
meine Mutter ſolches ſo gleich ſchrifftlich berichten
und rathen, ich ſolte eiligſt nach Hauſe kommen,
und um den Dienſt anhalten, denn ſie zweifelte im
geringſten nicht, daß ich ſo wohl im Orgel-Spielen,
als andern darzu gehoͤrigen Wiſſenſchafften, ſo
viel wuͤrde begriffen haben, noch eines weit wichti-
gern Dienſtes wuͤrdig zu ſeyn.

Dieſe Poſt war kaum eingelauffen, als in mei-
nen Gedancken ſchon alles richtig war, bedaurete
alſo nichts, als daß ich mir nur vor wenig Wo-
chen ein Spannagel neues Farben-Kleid ange-
ſchafft hatte, jedoch mein beſter Troſt war, daß es
koͤnte ſchwartz gefaͤrbet werden. Meine Mutter,
die mich in ſo langer Zeit nicht geſehen, erfreuete
ſich hertzlich, einen dergeſtalt anſehnlichen Sohn zu
haben, wie nicht weniger unſer Herr Hoſpes der
Poſamentirer, der einen beſondern Eſtim und
Liebe vor mich bezeigte. Ja, was noch mehr, ſo
verliebte ſich noch ſelbigen erſten Tages, deſſen
juͤngſte Jungfer Tochter in mich, zumahlen da ſie
vernahm, daß ich anitzo in Begriff ſey, um einen

Schul-
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[440/0454] machte, und allen Fleiß anwandte, mich zu einem perfecten Concertiſten zu machen, worbey ich denn auch, was die Latinitaͤt unter dem Rectore und Conrectore anbetraff, nicht unter die ſchlimm- ſten, jedoch auch nicht unter die beſten zu rechnen war. Jmmittelſt konte doch Jahr aus Jahr ein ſo viel verdienen mich in Kleidung, Waͤſche und dergleichen ſelbſt frey zu halten. Da aber dritte- halb Jahr hernach eben derſelbe Schulmeiſter, welcher in meinem Geburts-Dorffe an meines Vaters Stelle gekommen war, verſtarb, ließ mir meine Mutter ſolches ſo gleich ſchrifftlich berichten und rathen, ich ſolte eiligſt nach Hauſe kommen, und um den Dienſt anhalten, denn ſie zweifelte im geringſten nicht, daß ich ſo wohl im Orgel-Spielen, als andern darzu gehoͤrigen Wiſſenſchafften, ſo viel wuͤrde begriffen haben, noch eines weit wichti- gern Dienſtes wuͤrdig zu ſeyn. Dieſe Poſt war kaum eingelauffen, als in mei- nen Gedancken ſchon alles richtig war, bedaurete alſo nichts, als daß ich mir nur vor wenig Wo- chen ein Spannagel neues Farben-Kleid ange- ſchafft hatte, jedoch mein beſter Troſt war, daß es koͤnte ſchwartz gefaͤrbet werden. Meine Mutter, die mich in ſo langer Zeit nicht geſehen, erfreuete ſich hertzlich, einen dergeſtalt anſehnlichen Sohn zu haben, wie nicht weniger unſer Herr Hoſpes der Poſamentirer, der einen beſondern Eſtim und Liebe vor mich bezeigte. Ja, was noch mehr, ſo verliebte ſich noch ſelbigen erſten Tages, deſſen juͤngſte Jungfer Tochter in mich, zumahlen da ſie vernahm, daß ich anitzo in Begriff ſey, um einen Schul-

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 440. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/454>, abgerufen am 22.11.2024.