fenen Weins wegen, in einen tieffen Schlaf ver- fallen waren. Die aufgehende liebliche Sonne schickte einen eintzigen von ihren erwärmenden Strahlen, durch eine geringe Oeffnung des Wagens auf mein Gesicht und Hände, welches, indem es mir als etwas seltsames vorkam, mich von der Sonne bescheint zu sehen, ein inner- und äusserliches Ver- gnügen verursachte. Jch verrichtete derowegen mein andächtiges Morgen-Gebet, und bat GOTT mit heissen Zähren, daferne es sein heil. Wille wä- re, mich armes Schlacht-Schaaf, auf was vor Art ihm beliebte, aus den Händen meiner Feinde zu reissen, damit ich bey so starcken Anfechtungen, nicht etwa in Verzweifelung fallen, oder gezwungener Weise, den wahren, allein seligmachenden Glau- ben verläugnen möchte.
Dieses mein heimliches Schreyen war also noch ehe ichs vermuthete erhöret, und der Tag meiner Er- lösung erschienen, denn ehe noch eine Stunde verlieff, hielt unser Kutscher plötzlich stille, riß den Wagen auf, und fragte mit ängstlichen Geberden in Polni- scher Sprache: Was er anfangen solte, indem er von ferne eine Schwedische Parthey zu Pferde auf uns zu kommen sähe? Jch verstund alles sehr wohl, ohne daß es meine Feinde vermeineten, wünschte also von Hertzen, daß uns die Herren Schweden anhal- ten möchten. Die Patres so wohl als ihre jungen Henckers-Buben, lieffen deutlich mercken, daß ihnen das Hertz im Leibe zittere, wenn sie nur das Wort, Schweden, nennen höreten, wurden auch sämtlich so blaß wie Leichen, fasseten aber einen kurtzen Schluß und sagten: Der Kutscher solle nur lincks um ma-
chen,
fenen Weins wegen, in einen tieffen Schlaf ver- fallen waren. Die aufgehende liebliche Sonne ſchickte einen eintzigen von ihren erwaͤrmenden Strahlen, durch eine geringe Oeffnung des Wagens auf mein Geſicht und Haͤnde, welches, indem es mir als etwas ſeltſames vorkam, mich von der Sonne beſcheint zu ſehen, ein inner- und aͤuſſerliches Ver- gnuͤgen verurſachte. Jch verrichtete derowegen mein andaͤchtiges Morgen-Gebet, und bat GOTT mit heiſſen Zaͤhren, daferne es ſein heil. Wille waͤ- re, mich armes Schlacht-Schaaf, auf was vor Art ihm beliebte, aus den Haͤnden meiner Feinde zu reiſſen, damit ich bey ſo ſtarcken Anfechtungen, nicht etwa in Verzweifelung fallen, oder gezwungener Weiſe, den wahren, allein ſeligmachenden Glau- ben verlaͤugnen moͤchte.
Dieſes mein heimliches Schreyen war alſo noch ehe ichs vermuthete erhoͤret, und der Tag meiner Er- loͤſung erſchienen, denn ehe noch eine Stunde verlieff, hielt unſer Kutſcher ploͤtzlich ſtille, riß den Wagen auf, und fragte mit aͤngſtlichen Geberden in Polni- ſcher Sprache: Was er anfangen ſolte, indem er von ferne eine Schwediſche Parthey zu Pferde auf uns zu kommen ſaͤhe? Jch verſtund alles ſehr wohl, ohne daß es meine Feinde vermeineten, wuͤnſchte alſo von Hertzen, daß uns die Herren Schweden anhal- ten moͤchten. Die Patres ſo wohl als ihre jungen Henckers-Buben, lieffen deutlich mercken, daß ihnen das Hertz im Leibe zittere, wenn ſie nur das Wort, Schweden, nennen hoͤreten, wurden auch ſaͤmtlich ſo blaß wie Leichen, faſſeten aber einen kurtzen Schluß und ſagten: Der Kutſcher ſolle nur lincks um ma-
chen,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0042"n="28"/>
fenen Weins wegen, in einen tieffen Schlaf ver-<lb/>
fallen waren. Die aufgehende liebliche Sonne<lb/>ſchickte einen eintzigen von ihren erwaͤrmenden<lb/>
Strahlen, durch eine geringe Oeffnung des Wagens<lb/>
auf mein Geſicht und Haͤnde, welches, indem es mir<lb/>
als etwas ſeltſames vorkam, mich von der Sonne<lb/>
beſcheint zu ſehen, ein inner- und aͤuſſerliches Ver-<lb/>
gnuͤgen verurſachte. Jch verrichtete derowegen<lb/>
mein andaͤchtiges Morgen-Gebet, und bat GOTT<lb/>
mit heiſſen Zaͤhren, daferne es ſein heil. Wille waͤ-<lb/>
re, mich armes Schlacht-Schaaf, auf was vor Art<lb/>
ihm beliebte, aus den Haͤnden meiner Feinde zu<lb/>
reiſſen, damit ich bey ſo ſtarcken Anfechtungen, nicht<lb/>
etwa in Verzweifelung fallen, oder gezwungener<lb/>
Weiſe, den wahren, allein ſeligmachenden Glau-<lb/>
ben verlaͤugnen moͤchte.</p><lb/><p>Dieſes mein heimliches Schreyen war alſo noch<lb/>
ehe ichs vermuthete erhoͤret, und der Tag meiner Er-<lb/>
loͤſung erſchienen, denn ehe noch eine Stunde verlieff,<lb/>
hielt unſer Kutſcher ploͤtzlich ſtille, riß den Wagen<lb/>
auf, und fragte mit aͤngſtlichen Geberden in Polni-<lb/>ſcher Sprache: Was er anfangen ſolte, indem er<lb/>
von ferne eine Schwediſche Parthey zu Pferde auf<lb/>
uns zu kommen ſaͤhe? Jch verſtund alles ſehr wohl,<lb/>
ohne daß es meine Feinde vermeineten, wuͤnſchte alſo<lb/>
von Hertzen, daß uns die Herren Schweden anhal-<lb/>
ten moͤchten. Die <hirendition="#aq">Patres</hi>ſo wohl als ihre jungen<lb/>
Henckers-Buben, lieffen deutlich mercken, daß ihnen<lb/>
das Hertz im Leibe zittere, wenn ſie nur das Wort,<lb/>
Schweden, nennen hoͤreten, wurden auch ſaͤmtlich<lb/>ſo blaß wie Leichen, faſſeten aber einen kurtzen Schluß<lb/>
und ſagten: Der Kutſcher ſolle nur lincks um ma-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">chen,</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[28/0042]
fenen Weins wegen, in einen tieffen Schlaf ver-
fallen waren. Die aufgehende liebliche Sonne
ſchickte einen eintzigen von ihren erwaͤrmenden
Strahlen, durch eine geringe Oeffnung des Wagens
auf mein Geſicht und Haͤnde, welches, indem es mir
als etwas ſeltſames vorkam, mich von der Sonne
beſcheint zu ſehen, ein inner- und aͤuſſerliches Ver-
gnuͤgen verurſachte. Jch verrichtete derowegen
mein andaͤchtiges Morgen-Gebet, und bat GOTT
mit heiſſen Zaͤhren, daferne es ſein heil. Wille waͤ-
re, mich armes Schlacht-Schaaf, auf was vor Art
ihm beliebte, aus den Haͤnden meiner Feinde zu
reiſſen, damit ich bey ſo ſtarcken Anfechtungen, nicht
etwa in Verzweifelung fallen, oder gezwungener
Weiſe, den wahren, allein ſeligmachenden Glau-
ben verlaͤugnen moͤchte.
Dieſes mein heimliches Schreyen war alſo noch
ehe ichs vermuthete erhoͤret, und der Tag meiner Er-
loͤſung erſchienen, denn ehe noch eine Stunde verlieff,
hielt unſer Kutſcher ploͤtzlich ſtille, riß den Wagen
auf, und fragte mit aͤngſtlichen Geberden in Polni-
ſcher Sprache: Was er anfangen ſolte, indem er
von ferne eine Schwediſche Parthey zu Pferde auf
uns zu kommen ſaͤhe? Jch verſtund alles ſehr wohl,
ohne daß es meine Feinde vermeineten, wuͤnſchte alſo
von Hertzen, daß uns die Herren Schweden anhal-
ten moͤchten. Die Patres ſo wohl als ihre jungen
Henckers-Buben, lieffen deutlich mercken, daß ihnen
das Hertz im Leibe zittere, wenn ſie nur das Wort,
Schweden, nennen hoͤreten, wurden auch ſaͤmtlich
ſo blaß wie Leichen, faſſeten aber einen kurtzen Schluß
und ſagten: Der Kutſcher ſolle nur lincks um ma-
chen,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/42>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.