Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

Bild:
<< vorherige Seite

Monsieur, versetzte ich, dergleichen Künste als ihr
im Spielen gezeiget habt, müssen ihren Mann nie-
mahls fallen lassen. Ach! sprach er, es ist zwar
etwas, jedoch nicht hinlänglich, denn in Paris, ja in
gantz Franckreich werden die Reichen immer klüger,
die Armen aber immer ärmer, und ich glaube, ehe
ein Jahr verstreicht, wird fast niemand mehr spielen
wollen, derowegen muß man sich auf andere Kün-
ste legen. Unter diesem Gespräche fiel mir ein eiser-
ner, etwa 2. Ellen langer Guardinen-Stab, vom
Fenster herunter auf den Kopff, jedoch ohne beson-
dern Schaden, dem ohngeacht brach ich denselben
aus Bosheit, als einen Tobacks-Pfeiffen-Stiel, in
mehr als zwantzig Stücke. La Rosee sperrete darü-
ber Maul und Nase auf, vermeynete auch, daß ich
vielleicht ein Hexen-Meister sey, allein, ich bezeugte
ihm mit vielen mir gar nicht schwer ankommenden
Eydschwüren, daß dieses meine angebohrne Stärcke
also mit sich brächte, zerbrach auch vor seinen Au-
gen einen mehr als 6. mahl dickern Fenster-Stab
in etliche Stücken, worüber La Rosee in noch stär-
ckere Verwunderung gerieth, und mich zu einem sei-
ner besten Freunde mit zu gehen bat, welchem er heu-
te eine Visite zu geben versprechen müssen. Jch ließ
mich leicht bereden, zumahlen da selbigen Abend
sonsten keine tüchtige Compagnie wuste. Dem-
nach führete er mich in die Vorstadt St. Marcel,
und zwar in ein nicht allzu ansehnliches Hauß, allwo
in der Unter-Stube des Hinter-Gebäudes, zwey an-
sehnliche Cavaliers im Brete mit einander spieleten,
jedoch bey des La Rosee und meinem Eintritt alsobald
aufsprungen, und uns aufs höfflichste bewillkomme-
ten.

Sie

Monſieur, verſetzte ich, dergleichen Kuͤnſte als ihr
im Spielen gezeiget habt, muͤſſen ihren Mann nie-
mahls fallen laſſen. Ach! ſprach er, es iſt zwar
etwas, jedoch nicht hinlaͤnglich, denn in Paris, ja in
gantz Franckreich werden die Reichen immer kluͤger,
die Armen aber immer aͤrmer, und ich glaube, ehe
ein Jahr verſtreicht, wird faſt niemand mehr ſpielen
wollen, derowegen muß man ſich auf andere Kuͤn-
ſte legen. Unter dieſem Geſpraͤche fiel mir ein eiſer-
ner, etwa 2. Ellen langer Guardinen-Stab, vom
Fenſter herunter auf den Kopff, jedoch ohne beſon-
dern Schaden, dem ohngeacht brach ich denſelben
aus Bosheit, als einen Tobacks-Pfeiffen-Stiel, in
mehr als zwantzig Stuͤcke. La Roſée ſperrete daruͤ-
ber Maul und Naſe auf, vermeynete auch, daß ich
vielleicht ein Hexen-Meiſter ſey, allein, ich bezeugte
ihm mit vielen mir gar nicht ſchwer ankommenden
Eydſchwuͤren, daß dieſes meine angebohrne Staͤrcke
alſo mit ſich braͤchte, zerbrach auch vor ſeinen Au-
gen einen mehr als 6. mahl dickern Fenſter-Stab
in etliche Stuͤcken, woruͤber La Roſée in noch ſtaͤr-
ckere Verwunderung gerieth, und mich zu einem ſei-
ner beſten Freunde mit zu gehen bat, welchem er heu-
te eine Viſite zu geben verſprechen muͤſſen. Jch ließ
mich leicht bereden, zumahlen da ſelbigen Abend
ſonſten keine tuͤchtige Compagnie wuſte. Dem-
nach fuͤhrete er mich in die Vorſtadt St. Marcel,
und zwar in ein nicht allzu anſehnliches Hauß, allwo
in der Unter-Stube des Hinter-Gebaͤudes, zwey an-
ſehnliche Cavaliers im Brete mit einander ſpieleten,
jedoch bey des La Roſée und meinem Eintritt alſobald
aufſprungen, und uns aufs hoͤfflichſte bewillkomme-
ten.

Sie
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0397" n="383"/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Mon&#x017F;ieur</hi>,</hi> ver&#x017F;etzte ich, dergleichen Ku&#x0364;n&#x017F;te als ihr<lb/>
im Spielen gezeiget habt, mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en ihren Mann nie-<lb/>
mahls fallen la&#x017F;&#x017F;en. Ach! &#x017F;prach er, es i&#x017F;t zwar<lb/>
etwas, jedoch nicht hinla&#x0364;nglich, denn in Paris, ja in<lb/>
gantz Franckreich werden die Reichen immer klu&#x0364;ger,<lb/>
die Armen aber immer a&#x0364;rmer, und ich glaube, ehe<lb/>
ein Jahr ver&#x017F;treicht, wird fa&#x017F;t niemand mehr &#x017F;pielen<lb/>
wollen, derowegen muß man &#x017F;ich auf andere Ku&#x0364;n-<lb/>
&#x017F;te legen. Unter die&#x017F;em Ge&#x017F;pra&#x0364;che fiel mir ein ei&#x017F;er-<lb/>
ner, etwa 2. Ellen langer <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Guardin</hi></hi>en-Stab, vom<lb/>
Fen&#x017F;ter herunter auf den Kopff, jedoch ohne be&#x017F;on-<lb/>
dern Schaden, dem ohngeacht brach ich den&#x017F;elben<lb/>
aus Bosheit, als einen Tobacks-Pfeiffen-Stiel, in<lb/>
mehr als zwantzig Stu&#x0364;cke. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">La Ro&#x017F;ée</hi></hi> &#x017F;perrete daru&#x0364;-<lb/>
ber Maul und Na&#x017F;e auf, vermeynete auch, daß ich<lb/>
vielleicht ein Hexen-Mei&#x017F;ter &#x017F;ey, allein, ich bezeugte<lb/>
ihm mit vielen mir gar nicht &#x017F;chwer ankommenden<lb/>
Eyd&#x017F;chwu&#x0364;ren, daß die&#x017F;es meine angebohrne Sta&#x0364;rcke<lb/>
al&#x017F;o mit &#x017F;ich bra&#x0364;chte, zerbrach auch vor &#x017F;einen Au-<lb/>
gen einen mehr als 6. mahl dickern Fen&#x017F;ter-Stab<lb/>
in etliche Stu&#x0364;cken, woru&#x0364;ber <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">La Ro&#x017F;ée</hi></hi> in noch &#x017F;ta&#x0364;r-<lb/>
ckere Verwunderung gerieth, und mich zu einem &#x017F;ei-<lb/>
ner be&#x017F;ten Freunde mit zu gehen bat, welchem er heu-<lb/>
te eine <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Vi&#x017F;ite</hi></hi> zu geben ver&#x017F;prechen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en. Jch ließ<lb/>
mich leicht bereden, zumahlen da &#x017F;elbigen Abend<lb/>
&#x017F;on&#x017F;ten keine tu&#x0364;chtige <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Compagnie</hi></hi> wu&#x017F;te. Dem-<lb/>
nach fu&#x0364;hrete er mich in die Vor&#x017F;tadt <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">St. Marcel</hi>,</hi><lb/>
und zwar in ein nicht allzu an&#x017F;ehnliches Hauß, allwo<lb/>
in der Unter-Stube des Hinter-Geba&#x0364;udes, zwey an-<lb/>
&#x017F;ehnliche <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Cavaliers</hi></hi> im Brete mit einander &#x017F;pieleten,<lb/>
jedoch bey des <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">La Ro&#x017F;ée</hi></hi> und meinem Eintritt al&#x017F;obald<lb/>
auf&#x017F;prungen, und uns aufs ho&#x0364;fflich&#x017F;te bewillkomme-<lb/>
ten.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Sie</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[383/0397] Monſieur, verſetzte ich, dergleichen Kuͤnſte als ihr im Spielen gezeiget habt, muͤſſen ihren Mann nie- mahls fallen laſſen. Ach! ſprach er, es iſt zwar etwas, jedoch nicht hinlaͤnglich, denn in Paris, ja in gantz Franckreich werden die Reichen immer kluͤger, die Armen aber immer aͤrmer, und ich glaube, ehe ein Jahr verſtreicht, wird faſt niemand mehr ſpielen wollen, derowegen muß man ſich auf andere Kuͤn- ſte legen. Unter dieſem Geſpraͤche fiel mir ein eiſer- ner, etwa 2. Ellen langer Guardinen-Stab, vom Fenſter herunter auf den Kopff, jedoch ohne beſon- dern Schaden, dem ohngeacht brach ich denſelben aus Bosheit, als einen Tobacks-Pfeiffen-Stiel, in mehr als zwantzig Stuͤcke. La Roſée ſperrete daruͤ- ber Maul und Naſe auf, vermeynete auch, daß ich vielleicht ein Hexen-Meiſter ſey, allein, ich bezeugte ihm mit vielen mir gar nicht ſchwer ankommenden Eydſchwuͤren, daß dieſes meine angebohrne Staͤrcke alſo mit ſich braͤchte, zerbrach auch vor ſeinen Au- gen einen mehr als 6. mahl dickern Fenſter-Stab in etliche Stuͤcken, woruͤber La Roſée in noch ſtaͤr- ckere Verwunderung gerieth, und mich zu einem ſei- ner beſten Freunde mit zu gehen bat, welchem er heu- te eine Viſite zu geben verſprechen muͤſſen. Jch ließ mich leicht bereden, zumahlen da ſelbigen Abend ſonſten keine tuͤchtige Compagnie wuſte. Dem- nach fuͤhrete er mich in die Vorſtadt St. Marcel, und zwar in ein nicht allzu anſehnliches Hauß, allwo in der Unter-Stube des Hinter-Gebaͤudes, zwey an- ſehnliche Cavaliers im Brete mit einander ſpieleten, jedoch bey des La Roſée und meinem Eintritt alſobald aufſprungen, und uns aufs hoͤfflichſte bewillkomme- ten. Sie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/397
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 383. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/397>, abgerufen am 18.05.2024.