Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

Bild:
<< vorherige Seite

Nachtigall gleichenden Discant-Stimme, das dar-
auf folgende Recitativ heraus drechselte, und mein
Geferte mir das verabredete Zeichen gab, daß die-
ses seine verliebte Correspondentin sey, hätte ich
abermahls vor übermäßiger Verwunderung aus
der Haut fahren mögen. Jnzwischen stund mir
der alte Zeisel-Bär, nemlich die alte Nonne, wel-
che den Bass sunge, mit ihrer Concerte beständig
im Wege, die auf dem Clavicien spielende Nonne,
im Gesichte zu sehen, so lange bis endlich dieses Stück
völlig abgethan war.

Jndem das alte Brumm-Eisen nun auf die Seite
trat, war die wunderschöne Organistin eben im Be-
griff, die bey ihr stehenden zwey Wachs-Lichter zu
putzen, und also fiel mir ihre unvergleichliche Ge-
sichts-Bildung auf einmahl vollkommen in die Au-
gen Dieser eintzige allererste Anblick war ver-
mögend, mein Hertz vollkommen verliebt zu machen,
so, daß ich kein Auge von derselben verwenden konte,
bis mir endlich andere darzwischen tretende, den
Prospect aufs neue verhinderten. Mittlerweile sa-
he ich die charmante Seele meines Geferten desto
genauer an, und befand, daß die Gesichts-Bildung
derselben, nicht halb so angenehm, als der schönen
Organistin Gestalt war, allein wie ich nachhero an
ihm vermerckt, so hatte er im Gegentheil vor seine
Liebste eben so vortheilhaffte Gedancken, als ich vor
die meinige. Nachhero, da ich die eingebildete
Glückseligkeit aufs neue hatte, die letztere frey zu
betrachten, wurde meine hefftige Liebe dermassen be-
festiget, daß ich beschloß so gar mein Leben daran zu
wagen, um nur fein offte den Vortheil zu erlangen,

mit

Nachtigall gleichenden Diſcant-Stimme, das dar-
auf folgende Recitativ heraus drechſelte, und mein
Geferte mir das verabredete Zeichen gab, daß die-
ſes ſeine verliebte Correſpondentin ſey, haͤtte ich
abermahls vor uͤbermaͤßiger Verwunderung aus
der Haut fahren moͤgen. Jnzwiſchen ſtund mir
der alte Zeiſel-Baͤr, nemlich die alte Nonne, wel-
che den Baſſ ſunge, mit ihrer Concerte beſtaͤndig
im Wege, die auf dem Clavicien ſpielende Nonne,
im Geſichte zu ſehen, ſo lange bis endlich dieſes Stuͤck
voͤllig abgethan war.

Jndem das alte Brumm-Eiſen nun auf die Seite
trat, war die wunderſchoͤne Organiſtin eben im Be-
griff, die bey ihr ſtehenden zwey Wachs-Lichter zu
putzen, und alſo fiel mir ihre unvergleichliche Ge-
ſichts-Bildung auf einmahl vollkommen in die Au-
gen Dieſer eintzige allererſte Anblick war ver-
moͤgend, mein Hertz vollkommen verliebt zu machen,
ſo, daß ich kein Auge von derſelben verwenden konte,
bis mir endlich andere darzwiſchen tretende, den
Proſpect aufs neue verhinderten. Mittlerweile ſa-
he ich die charmante Seele meines Geferten deſto
genauer an, und befand, daß die Geſichts-Bildung
derſelben, nicht halb ſo angenehm, als der ſchoͤnen
Organiſtin Geſtalt war, allein wie ich nachhero an
ihm vermerckt, ſo hatte er im Gegentheil vor ſeine
Liebſte eben ſo vortheilhaffte Gedancken, als ich vor
die meinige. Nachhero, da ich die eingebildete
Gluͤckſeligkeit aufs neue hatte, die letztere frey zu
betrachten, wurde meine hefftige Liebe dermaſſen be-
feſtiget, daß ich beſchloß ſo gar mein Leben daran zu
wagen, um nur fein offte den Vortheil zu erlangen,

mit
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0358" n="344"/>
Nachtigall gleichenden <hi rendition="#aq">Di&#x017F;cant-</hi>Stimme, das dar-<lb/>
auf folgende <hi rendition="#aq">Recitativ</hi> heraus drech&#x017F;elte, und mein<lb/>
Geferte mir das verabredete Zeichen gab, daß die-<lb/>
&#x017F;es &#x017F;eine verliebte <hi rendition="#aq">Corre&#x017F;pondentin</hi> &#x017F;ey, ha&#x0364;tte ich<lb/>
abermahls vor u&#x0364;berma&#x0364;ßiger Verwunderung aus<lb/>
der Haut fahren mo&#x0364;gen. Jnzwi&#x017F;chen &#x017F;tund mir<lb/>
der alte Zei&#x017F;el-Ba&#x0364;r, nemlich die alte Nonne, wel-<lb/>
che den <hi rendition="#aq">Ba&#x017F;&#x017F;</hi> &#x017F;unge, mit ihrer <hi rendition="#aq">Concerte</hi> be&#x017F;ta&#x0364;ndig<lb/>
im Wege, die auf dem <hi rendition="#aq">Clavicien</hi> &#x017F;pielende Nonne,<lb/>
im Ge&#x017F;ichte zu &#x017F;ehen, &#x017F;o lange bis endlich die&#x017F;es Stu&#x0364;ck<lb/>
vo&#x0364;llig abgethan war.</p><lb/>
          <p>Jndem das alte Brumm-Ei&#x017F;en nun auf die Seite<lb/>
trat, war die wunder&#x017F;cho&#x0364;ne <hi rendition="#aq">Organi&#x017F;tin</hi> eben im Be-<lb/>
griff, die bey ihr &#x017F;tehenden zwey Wachs-Lichter zu<lb/>
putzen, und al&#x017F;o fiel mir ihre unvergleichliche Ge-<lb/>
&#x017F;ichts-Bildung auf einmahl vollkommen in die Au-<lb/>
gen Die&#x017F;er eintzige allerer&#x017F;te Anblick war ver-<lb/>
mo&#x0364;gend, mein Hertz vollkommen verliebt zu machen,<lb/>
&#x017F;o, daß ich kein Auge von der&#x017F;elben verwenden konte,<lb/>
bis mir endlich andere darzwi&#x017F;chen tretende, den<lb/><hi rendition="#aq">Pro&#x017F;pect</hi> aufs neue verhinderten. Mittlerweile &#x017F;a-<lb/>
he ich die <hi rendition="#aq">charmante</hi> Seele meines Geferten de&#x017F;to<lb/>
genauer an, und befand, daß die Ge&#x017F;ichts-Bildung<lb/>
der&#x017F;elben, nicht halb &#x017F;o angenehm, als der &#x017F;cho&#x0364;nen<lb/><hi rendition="#aq">Organi&#x017F;tin</hi> Ge&#x017F;talt war, allein wie ich nachhero an<lb/>
ihm vermerckt, &#x017F;o hatte er im Gegentheil vor &#x017F;eine<lb/>
Lieb&#x017F;te eben &#x017F;o vortheilhaffte Gedancken, als ich vor<lb/>
die meinige. Nachhero, da ich die eingebildete<lb/>
Glu&#x0364;ck&#x017F;eligkeit aufs neue hatte, die letztere frey zu<lb/>
betrachten, wurde meine hefftige Liebe derma&#x017F;&#x017F;en be-<lb/>
fe&#x017F;tiget, daß ich be&#x017F;chloß &#x017F;o gar mein Leben daran zu<lb/>
wagen, um nur fein offte den Vortheil zu erlangen,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">mit</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[344/0358] Nachtigall gleichenden Diſcant-Stimme, das dar- auf folgende Recitativ heraus drechſelte, und mein Geferte mir das verabredete Zeichen gab, daß die- ſes ſeine verliebte Correſpondentin ſey, haͤtte ich abermahls vor uͤbermaͤßiger Verwunderung aus der Haut fahren moͤgen. Jnzwiſchen ſtund mir der alte Zeiſel-Baͤr, nemlich die alte Nonne, wel- che den Baſſ ſunge, mit ihrer Concerte beſtaͤndig im Wege, die auf dem Clavicien ſpielende Nonne, im Geſichte zu ſehen, ſo lange bis endlich dieſes Stuͤck voͤllig abgethan war. Jndem das alte Brumm-Eiſen nun auf die Seite trat, war die wunderſchoͤne Organiſtin eben im Be- griff, die bey ihr ſtehenden zwey Wachs-Lichter zu putzen, und alſo fiel mir ihre unvergleichliche Ge- ſichts-Bildung auf einmahl vollkommen in die Au- gen Dieſer eintzige allererſte Anblick war ver- moͤgend, mein Hertz vollkommen verliebt zu machen, ſo, daß ich kein Auge von derſelben verwenden konte, bis mir endlich andere darzwiſchen tretende, den Proſpect aufs neue verhinderten. Mittlerweile ſa- he ich die charmante Seele meines Geferten deſto genauer an, und befand, daß die Geſichts-Bildung derſelben, nicht halb ſo angenehm, als der ſchoͤnen Organiſtin Geſtalt war, allein wie ich nachhero an ihm vermerckt, ſo hatte er im Gegentheil vor ſeine Liebſte eben ſo vortheilhaffte Gedancken, als ich vor die meinige. Nachhero, da ich die eingebildete Gluͤckſeligkeit aufs neue hatte, die letztere frey zu betrachten, wurde meine hefftige Liebe dermaſſen be- feſtiget, daß ich beſchloß ſo gar mein Leben daran zu wagen, um nur fein offte den Vortheil zu erlangen, mit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/358
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 344. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/358>, abgerufen am 17.05.2024.