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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

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gestalt erbärmlich, daß die Steine hätten mögen
zum Mitleiden bewogen werden, meine Felsenhar-
ten Peiniger aber, trieben ihr Gespötte drüber, und
sagten endlich, da ihr Henckers-Knecht vom Zuhau-
en krafftlos war: Nun könte ich aus der Erfah-
rung reden, ob die Jesuiten gute oder böse Leute wä-
ren, und dasselbe in weitläufftigern Versen aus-
führen, gingen hiermit ingesamt davon, und liessen
mich in der allerdicksten Finsterniß, im größten
Schmertzen alleine zurücke, doch kam nach Ver-
lauff etlicher Stunden der Knecht, und brachte ein
Stück Brod, nebst einem Topfe Wasser zu mei-
ner kümmerlichen Lebens-Erhaltung, wiewohl ich
vor Angst und Schmertzen wenig oder gar nicht an
die Nahrungs-Mittel gedachte.

Man solte zwar wohl meinen, daß diese grimmi-
gen Furien solchergestalt ihr Müthlein sattsam an
mir gekühlet hätten, allein nichts weniger als die-
ses, denn des andern Tages kamen dieselben um vo-
rige Zeit wieder, und trieben eben dasselbe Mord-
Spiel mit meinem schwachen Cörper. Am dritten
Tage geschahe dergleichen, so daß nunmehr fast gar
nichts gesundes am gantzen Leibe zu finden, son-
dern die etliche tausendmahl zerkerbte Haut über-
all mit Eyter und Blut unterlauffen war. Ach wie
betete ich so fleißig, daß mich ein baldiger seliger
Tod, aus diesem peinlichen Zustande erlösen möch-
te, weil auf anderweitige Befreyung gantz und gar
nicht zu gedencken war. Jedoch kein Selbst-Mör-
der zu werden, nahm ich in der dritten Nacht zum
erstenmahle etwas Brod und Wasser zu mir, konte
aber selbiges nicht bey mir behalten, sondern mußte

es

geſtalt erbaͤrmlich, daß die Steine haͤtten moͤgen
zum Mitleiden bewogen werden, meine Felſenhar-
ten Peiniger aber, trieben ihr Geſpoͤtte druͤber, und
ſagten endlich, da ihr Henckers-Knecht vom Zuhau-
en krafftlos war: Nun koͤnte ich aus der Erfah-
rung reden, ob die Jeſuiten gute oder boͤſe Leute waͤ-
ren, und daſſelbe in weitlaͤufftigern Verſen aus-
fuͤhren, gingen hiermit ingeſamt davon, und lieſſen
mich in der allerdickſten Finſterniß, im groͤßten
Schmertzen alleine zuruͤcke, doch kam nach Ver-
lauff etlicher Stunden der Knecht, und brachte ein
Stuͤck Brod, nebſt einem Topfe Waſſer zu mei-
ner kuͤmmerlichen Lebens-Erhaltung, wiewohl ich
vor Angſt und Schmertzen wenig oder gar nicht an
die Nahrungs-Mittel gedachte.

Man ſolte zwar wohl meinen, daß dieſe grimmi-
gen Furien ſolchergeſtalt ihr Muͤthlein ſattſam an
mir gekuͤhlet haͤtten, allein nichts weniger als die-
ſes, denn des andern Tages kamen dieſelben um vo-
rige Zeit wieder, und trieben eben daſſelbe Mord-
Spiel mit meinem ſchwachen Coͤrper. Am dritten
Tage geſchahe dergleichen, ſo daß nunmehr faſt gar
nichts geſundes am gantzen Leibe zu finden, ſon-
dern die etliche tauſendmahl zerkerbte Haut uͤber-
all mit Eyter und Blut unterlauffen war. Ach wie
betete ich ſo fleißig, daß mich ein baldiger ſeliger
Tod, aus dieſem peinlichen Zuſtande erloͤſen moͤch-
te, weil auf anderweitige Befreyung gantz und gar
nicht zu gedencken war. Jedoch kein Selbſt-Moͤr-
der zu werden, nahm ich in der dritten Nacht zum
erſtenmahle etwas Brod und Waſſer zu mir, konte
aber ſelbiges nicht bey mir behalten, ſondern mußte

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[20/0034] geſtalt erbaͤrmlich, daß die Steine haͤtten moͤgen zum Mitleiden bewogen werden, meine Felſenhar- ten Peiniger aber, trieben ihr Geſpoͤtte druͤber, und ſagten endlich, da ihr Henckers-Knecht vom Zuhau- en krafftlos war: Nun koͤnte ich aus der Erfah- rung reden, ob die Jeſuiten gute oder boͤſe Leute waͤ- ren, und daſſelbe in weitlaͤufftigern Verſen aus- fuͤhren, gingen hiermit ingeſamt davon, und lieſſen mich in der allerdickſten Finſterniß, im groͤßten Schmertzen alleine zuruͤcke, doch kam nach Ver- lauff etlicher Stunden der Knecht, und brachte ein Stuͤck Brod, nebſt einem Topfe Waſſer zu mei- ner kuͤmmerlichen Lebens-Erhaltung, wiewohl ich vor Angſt und Schmertzen wenig oder gar nicht an die Nahrungs-Mittel gedachte. Man ſolte zwar wohl meinen, daß dieſe grimmi- gen Furien ſolchergeſtalt ihr Muͤthlein ſattſam an mir gekuͤhlet haͤtten, allein nichts weniger als die- ſes, denn des andern Tages kamen dieſelben um vo- rige Zeit wieder, und trieben eben daſſelbe Mord- Spiel mit meinem ſchwachen Coͤrper. Am dritten Tage geſchahe dergleichen, ſo daß nunmehr faſt gar nichts geſundes am gantzen Leibe zu finden, ſon- dern die etliche tauſendmahl zerkerbte Haut uͤber- all mit Eyter und Blut unterlauffen war. Ach wie betete ich ſo fleißig, daß mich ein baldiger ſeliger Tod, aus dieſem peinlichen Zuſtande erloͤſen moͤch- te, weil auf anderweitige Befreyung gantz und gar nicht zu gedencken war. Jedoch kein Selbſt-Moͤr- der zu werden, nahm ich in der dritten Nacht zum erſtenmahle etwas Brod und Waſſer zu mir, konte aber ſelbiges nicht bey mir behalten, ſondern mußte es

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/34>, abgerufen am 28.03.2024.