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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

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solcher gestalt sahe ich schon in meinem 12ten Jahre, ei-
nem halb vollkommenen musicalischen Pfuscher so
ähnlich, als ein Ey dem andern.

Mein Vater hatte eine besondere Freude, daß ich
in seiner Profession so trefflich wohl einschlug, und
bey so jungen Jahren mein Brod, nicht allein mit
musiciren, sondern vielmehr mit haseliren verdie-
nen konte. Denn ich machte mich mit den vor-
nehmsten Lieder-Trägern bekandt, kauffte ihnen ie-
derzeit die neuesten und lustigsten Lieder ab, lernete
dieselben aufs beweglichste singen, auf dem Hacke-
Brete selbst darzu spielen, und verdiente also, zumah-
len wenn der Vater den Baß darzu brummete, man-
chen schönen Groschen besonders, welches Geld ich
aber mehrentheils dem Schulmeister zuwendete,
der mir die Noten und das Orgel-Spielen lernen
mußte.

Dem Schulmeister stund mein anschlägischer
Kopf vor allen andern sehr wohl an, denn ich lernete
einen feinen Discant singen, also konte er mich bey
seiner Kirchen-Music, die mein Vater und seine
Consorten, wenn sie mit spielen solten, vorhero aus-
wendig lernen mußten, sehr gut brauchen. Vor al-
len Dingen war ich ihm ein sehr nützlicher Pursche,
wenn wir um die neue Jahrs-Zeit stapuliren
gingen, und auf den umliegenden Dörffern das
neue Jahr sungen, denn solches währete gemeinig-
lich 14. Tage, bis 3. Wochen, wir nahmen aber
täglich, selten mehr als ein oder ein halbes Dorff
vor, setzten uns hernach abends in die Schencke,
allwo ich gemeiniglich mein kleines Hacke-Bret
und des Schulmeisters Geige aufzuheben gegeben

hatte,
II. Theil. x

ſolcher geſtalt ſahe ich ſchon in meinem 12ten Jahre, ei-
nem halb vollkommenen muſicaliſchen Pfuſcher ſo
aͤhnlich, als ein Ey dem andern.

Mein Vater hatte eine beſondere Freude, daß ich
in ſeiner Profeſſion ſo trefflich wohl einſchlug, und
bey ſo jungen Jahren mein Brod, nicht allein mit
muſiciren, ſondern vielmehr mit haſeliren verdie-
nen konte. Denn ich machte mich mit den vor-
nehmſten Lieder-Traͤgern bekandt, kauffte ihnen ie-
derzeit die neueſten und luſtigſten Lieder ab, lernete
dieſelben aufs beweglichſte ſingen, auf dem Hacke-
Brete ſelbſt darzu ſpielen, und verdiente alſo, zumah-
len wenn der Vater den Baß darzu brummete, man-
chen ſchoͤnen Groſchen beſonders, welches Geld ich
aber mehrentheils dem Schulmeiſter zuwendete,
der mir die Noten und das Orgel-Spielen lernen
mußte.

Dem Schulmeiſter ſtund mein anſchlaͤgiſcher
Kopf vor allen andern ſehr wohl an, denn ich lernete
einen feinen Diſcant ſingen, alſo konte er mich bey
ſeiner Kirchen-Muſic, die mein Vater und ſeine
Conſorten, wenn ſie mit ſpielen ſolten, vorhero aus-
wendig lernen mußten, ſehr gut brauchen. Vor al-
len Dingen war ich ihm ein ſehr nuͤtzlicher Purſche,
wenn wir um die neue Jahrs-Zeit ſtapuliren
gingen, und auf den umliegenden Doͤrffern das
neue Jahr ſungen, denn ſolches waͤhrete gemeinig-
lich 14. Tage, bis 3. Wochen, wir nahmen aber
taͤglich, ſelten mehr als ein oder ein halbes Dorff
vor, ſetzten uns hernach abends in die Schencke,
allwo ich gemeiniglich mein kleines Hacke-Bret
und des Schulmeiſters Geige aufzuheben gegeben

hatte,
II. Theil. x
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[321/0335] ſolcher geſtalt ſahe ich ſchon in meinem 12ten Jahre, ei- nem halb vollkommenen muſicaliſchen Pfuſcher ſo aͤhnlich, als ein Ey dem andern. Mein Vater hatte eine beſondere Freude, daß ich in ſeiner Profeſſion ſo trefflich wohl einſchlug, und bey ſo jungen Jahren mein Brod, nicht allein mit muſiciren, ſondern vielmehr mit haſeliren verdie- nen konte. Denn ich machte mich mit den vor- nehmſten Lieder-Traͤgern bekandt, kauffte ihnen ie- derzeit die neueſten und luſtigſten Lieder ab, lernete dieſelben aufs beweglichſte ſingen, auf dem Hacke- Brete ſelbſt darzu ſpielen, und verdiente alſo, zumah- len wenn der Vater den Baß darzu brummete, man- chen ſchoͤnen Groſchen beſonders, welches Geld ich aber mehrentheils dem Schulmeiſter zuwendete, der mir die Noten und das Orgel-Spielen lernen mußte. Dem Schulmeiſter ſtund mein anſchlaͤgiſcher Kopf vor allen andern ſehr wohl an, denn ich lernete einen feinen Diſcant ſingen, alſo konte er mich bey ſeiner Kirchen-Muſic, die mein Vater und ſeine Conſorten, wenn ſie mit ſpielen ſolten, vorhero aus- wendig lernen mußten, ſehr gut brauchen. Vor al- len Dingen war ich ihm ein ſehr nuͤtzlicher Purſche, wenn wir um die neue Jahrs-Zeit ſtapuliren gingen, und auf den umliegenden Doͤrffern das neue Jahr ſungen, denn ſolches waͤhrete gemeinig- lich 14. Tage, bis 3. Wochen, wir nahmen aber taͤglich, ſelten mehr als ein oder ein halbes Dorff vor, ſetzten uns hernach abends in die Schencke, allwo ich gemeiniglich mein kleines Hacke-Bret und des Schulmeiſters Geige aufzuheben gegeben hatte, II. Theil. x

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 321. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/335>, abgerufen am 09.05.2024.