Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

Bild:
<< vorherige Seite

mehro 36. Jahren auf einem Dorffe ohnweit Al-,
tenburg, zur Welt gebohren worden. Mein Vater,
hatte zwar ein kleines Haus, nebst etlichen Ackern-
Feld, überließ aber die Wirthschafft deßfalls mei
ner Mutter, und verdiente sein Geld hier und dar
mit der Geige, Schallmeye, und sonderlich mit dem
Hacke-Brete, welches, er in Betrachtung, daß al-
les ein von sich selbst gelernetes Werck war, sehr gut
spielen kunte, und dieserwegen unter noch 6. andern
dergleichen Dorff-Musicanten, der so genannte
Premieur wurde. Seiner Kinder waren 5, nem-
lich drey Töchter und zwey Söhne, mein ältester
Bruder, der in der Schule mit größter Mühe nebst
dem Catechismo, etwas weniges lesen und schrei-
ben gelernet, wolte sich zu nichts anders als dem
Acker-Baue bequemen, wurde derowegen darbey
gelassen, ich als der jüngste aber, hätte es vermuth-
lich etwas weiter bringen können, wenn mich der
Vater nicht sehr frühzeitig mit auf die Hochzeiten
und andere Aufwartungen genommen, allwo ich
die Pratsche par force mit spielen mußte, es mochte
auch klingen oder klappen, jedoch ausser der Zeit,
wenn nemlich nichts zu thun war, hatte doch mein
Vater die Sorgfalt, mich dann und wann wieder
in die Schule zu schicken, und weil ich eine Sache
weit leichter, als mein Bruder, fassen konte, so ge-
schahe es, daß mir nebst dem Lesen, Schreiben und
Rechnen etwas weniges vom Donate in den Kopf
gebracht wurde. Um die Haus-Arbeit aber durffte ich
mich wenig oder nichts bekümmern, sondern mußte aus-
ser den Schul-Stunden, meine Zeit auf das Hacke-
Bret, Schallmeye und Discant-Geige wenden, und

sol-

mehro 36. Jahren auf einem Dorffe ohnweit Al-,
tenburg, zur Welt gebohren worden. Mein Vater,
hatte zwar ein kleines Haus, nebſt etlichen Ackern-
Feld, uͤberließ aber die Wirthſchafft deßfalls mei
ner Mutter, und verdiente ſein Geld hier und dar
mit der Geige, Schallmeye, und ſonderlich mit dem
Hacke-Brete, welches, er in Betrachtung, daß al-
les ein von ſich ſelbſt gelernetes Werck war, ſehr gut
ſpielen kunte, und dieſerwegen unter noch 6. andern
dergleichen Dorff-Muſicanten, der ſo genannte
Premieur wurde. Seiner Kinder waren 5, nem-
lich drey Toͤchter und zwey Soͤhne, mein aͤlteſter
Bruder, der in der Schule mit groͤßter Muͤhe nebſt
dem Catechiſmo, etwas weniges leſen und ſchrei-
ben gelernet, wolte ſich zu nichts anders als dem
Acker-Baue bequemen, wurde derowegen darbey
gelaſſen, ich als der juͤngſte aber, haͤtte es vermuth-
lich etwas weiter bringen koͤnnen, wenn mich der
Vater nicht ſehr fruͤhzeitig mit auf die Hochzeiten
und andere Aufwartungen genommen, allwo ich
die Pratſche par force mit ſpielen mußte, es mochte
auch klingen oder klappen, jedoch auſſer der Zeit,
wenn nemlich nichts zu thun war, hatte doch mein
Vater die Sorgfalt, mich dann und wann wieder
in die Schule zu ſchicken, und weil ich eine Sache
weit leichter, als mein Bruder, faſſen konte, ſo ge-
ſchahe es, daß mir nebſt dem Leſen, Schreiben und
Rechnen etwas weniges vom Donate in den Kopf
gebracht wurde. Um die Haus-Arbeit aber durffte ich
mich wenig oder nichts bekuͤm̃ern, ſondern mußte auſ-
ſer den Schul-Stunden, meine Zeit auf das Hacke-
Bret, Schallmeye und Diſcant-Geige wenden, und

ſol-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0334" n="320"/>
mehro 36. Jahren auf einem Dorffe ohnweit Al-,<lb/>
tenburg, zur Welt gebohren worden. Mein Vater,<lb/>
hatte zwar ein kleines Haus, neb&#x017F;t etlichen Ackern-<lb/>
Feld, u&#x0364;berließ aber die Wirth&#x017F;chafft deßfalls mei<lb/>
ner Mutter, und verdiente &#x017F;ein Geld hier und dar<lb/>
mit der Geige, Schallmeye, und &#x017F;onderlich mit dem<lb/>
Hacke-Brete, welches, er in Betrachtung, daß al-<lb/>
les ein von &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t gelernetes Werck war, &#x017F;ehr gut<lb/>
&#x017F;pielen kunte, und die&#x017F;erwegen unter noch 6. andern<lb/>
dergleichen Dorff-<hi rendition="#aq">Mu&#x017F;icant</hi>en, der &#x017F;o genannte<lb/><hi rendition="#aq">Premieur</hi> wurde. Seiner Kinder waren 5, nem-<lb/>
lich drey To&#x0364;chter und zwey So&#x0364;hne, mein a&#x0364;lte&#x017F;ter<lb/>
Bruder, der in der Schule mit gro&#x0364;ßter Mu&#x0364;he neb&#x017F;t<lb/>
dem <hi rendition="#aq">Catechi&#x017F;mo,</hi> etwas weniges le&#x017F;en und &#x017F;chrei-<lb/>
ben gelernet, wolte &#x017F;ich zu nichts anders als dem<lb/>
Acker-Baue bequemen, wurde derowegen darbey<lb/>
gela&#x017F;&#x017F;en, ich als der ju&#x0364;ng&#x017F;te aber, ha&#x0364;tte es vermuth-<lb/>
lich etwas weiter bringen ko&#x0364;nnen, wenn mich der<lb/>
Vater nicht &#x017F;ehr fru&#x0364;hzeitig mit auf die Hochzeiten<lb/>
und andere Aufwartungen genommen, allwo ich<lb/>
die Prat&#x017F;che <hi rendition="#aq">par force</hi> mit &#x017F;pielen mußte, es mochte<lb/>
auch klingen oder klappen, jedoch au&#x017F;&#x017F;er der Zeit,<lb/>
wenn nemlich nichts zu thun war, hatte doch mein<lb/>
Vater die Sorgfalt, mich dann und wann wieder<lb/>
in die Schule zu &#x017F;chicken, und weil ich eine Sache<lb/>
weit leichter, als mein Bruder, fa&#x017F;&#x017F;en konte, &#x017F;o ge-<lb/>
&#x017F;chahe es, daß mir neb&#x017F;t dem Le&#x017F;en, Schreiben und<lb/>
Rechnen etwas weniges vom <hi rendition="#aq">Donate</hi> in den Kopf<lb/>
gebracht wurde. Um die Haus-Arbeit aber durffte ich<lb/>
mich wenig oder nichts beku&#x0364;m&#x0303;ern, &#x017F;ondern mußte au&#x017F;-<lb/>
&#x017F;er den Schul-Stunden, meine Zeit auf das Hacke-<lb/>
Bret, Schallmeye und <hi rendition="#aq">Di&#x017F;cant-</hi>Geige wenden, und<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;ol-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[320/0334] mehro 36. Jahren auf einem Dorffe ohnweit Al-, tenburg, zur Welt gebohren worden. Mein Vater, hatte zwar ein kleines Haus, nebſt etlichen Ackern- Feld, uͤberließ aber die Wirthſchafft deßfalls mei ner Mutter, und verdiente ſein Geld hier und dar mit der Geige, Schallmeye, und ſonderlich mit dem Hacke-Brete, welches, er in Betrachtung, daß al- les ein von ſich ſelbſt gelernetes Werck war, ſehr gut ſpielen kunte, und dieſerwegen unter noch 6. andern dergleichen Dorff-Muſicanten, der ſo genannte Premieur wurde. Seiner Kinder waren 5, nem- lich drey Toͤchter und zwey Soͤhne, mein aͤlteſter Bruder, der in der Schule mit groͤßter Muͤhe nebſt dem Catechiſmo, etwas weniges leſen und ſchrei- ben gelernet, wolte ſich zu nichts anders als dem Acker-Baue bequemen, wurde derowegen darbey gelaſſen, ich als der juͤngſte aber, haͤtte es vermuth- lich etwas weiter bringen koͤnnen, wenn mich der Vater nicht ſehr fruͤhzeitig mit auf die Hochzeiten und andere Aufwartungen genommen, allwo ich die Pratſche par force mit ſpielen mußte, es mochte auch klingen oder klappen, jedoch auſſer der Zeit, wenn nemlich nichts zu thun war, hatte doch mein Vater die Sorgfalt, mich dann und wann wieder in die Schule zu ſchicken, und weil ich eine Sache weit leichter, als mein Bruder, faſſen konte, ſo ge- ſchahe es, daß mir nebſt dem Leſen, Schreiben und Rechnen etwas weniges vom Donate in den Kopf gebracht wurde. Um die Haus-Arbeit aber durffte ich mich wenig oder nichts bekuͤm̃ern, ſondern mußte auſ- ſer den Schul-Stunden, meine Zeit auf das Hacke- Bret, Schallmeye und Diſcant-Geige wenden, und ſol-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/334
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/334>, abgerufen am 22.11.2024.