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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

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gen, unter andern brachte einer ex tempore folgen-
des lateinisches Distichon zu Marckte:

Quo Lutheranus, dic possit nomine dici?
Hoeresium dici bibliotheca potest.

Es solte etwa auf teutsch so viel zu verstehen
geben:

Sag an: Was eigentlich ein Lutheraner
sey?
Er ist der Jnbegriff von aller Ketzerey.

Jch weiß nicht wie es kam, daß, indem ich unter An-
hörung dieser Verse ein Spitz-Gläsgen Wein
tranck, meine Vena Poetica gantz ausserordentlich
begeistert wurde, weiln, da ich solches nach 2. mah-
ligen kurtzen Absetzen gäntzlich ausgeleeret hatte, fol-
gendes Distichon nicht so bald fertig, als unbedacht-
sam von mir heraus gesagt war:

Ordine neil melius, sed neil est ordine pejus,
Qui Jesu nomen, non tamen omen habet.

teutsch:

Das ist der beste zwar, doch auch der
böste Orden,
Der sich nach JESU nennt, und ihm nie
gleich geworden.

Man ersahe augenblicklich an den ergrimmten Ge-
sichtern unserer beyden Wiedersacher, daß ihnen die
Galle aufs greulichste über die Grentzen trat, indem
sie von einem sechzehentehalb jährigen Knaben, der-
massen häßlich abgekappt worden. Ein gewisser Mu-
sicus
aber, der ein sehr guter Lateiner war, bat
mich, dieses Distichon noch einmahl her zu sagen,
und da mich dessen aus Ubereilung nicht wegerte,

schrie-

gen, unter andern brachte einer ex tempore folgen-
des lateiniſches Diſtichon zu Marckte:

Quô Lutheranus, dic posſit nomine dici?
Hœreſium dici bibliotheca poteſt.

Es ſolte etwa auf teutſch ſo viel zu verſtehen
geben:

Sag an: Was eigentlich ein Lutheraner
ſey?
Er iſt der Jnbegriff von aller Ketzerey.

Jch weiß nicht wie es kam, daß, indem ich unter An-
hoͤrung dieſer Verſe ein Spitz-Glaͤsgen Wein
tranck, meine Vena Poetica gantz auſſerordentlich
begeiſtert wurde, weiln, da ich ſolches nach 2. mah-
ligen kurtzen Abſetzen gaͤntzlich ausgeleeret hatte, fol-
gendes Diſtichon nicht ſo bald fertig, als unbedacht-
ſam von mir heraus geſagt war:

Ordine nîl melius, ſed nîl eſt ordine pejus,
Qui Jeſu nomen, non tamen omen habet.

teutſch:

Das iſt der beſte zwar, doch auch der
boͤſte Orden,
Der ſich nach JESU nennt, und ihm nie
gleich geworden.

Man erſahe augenblicklich an den ergrimmten Ge-
ſichtern unſerer beyden Wiederſacher, daß ihnen die
Galle aufs greulichſte uͤber die Grentzen trat, indem
ſie von einem ſechzehentehalb jaͤhrigen Knaben, der-
maſſen haͤßlich abgekappt worden. Ein gewiſſer Mu-
ſicus
aber, der ein ſehr guter Lateiner war, bat
mich, dieſes Diſtichon noch einmahl her zu ſagen,
und da mich deſſen aus Ubereilung nicht wegerte,

ſchrie-
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[14/0028] gen, unter andern brachte einer ex tempore folgen- des lateiniſches Diſtichon zu Marckte: Quô Lutheranus, dic posſit nomine dici? Hœreſium dici bibliotheca poteſt. Es ſolte etwa auf teutſch ſo viel zu verſtehen geben: Sag an: Was eigentlich ein Lutheraner ſey? Er iſt der Jnbegriff von aller Ketzerey. Jch weiß nicht wie es kam, daß, indem ich unter An- hoͤrung dieſer Verſe ein Spitz-Glaͤsgen Wein tranck, meine Vena Poetica gantz auſſerordentlich begeiſtert wurde, weiln, da ich ſolches nach 2. mah- ligen kurtzen Abſetzen gaͤntzlich ausgeleeret hatte, fol- gendes Diſtichon nicht ſo bald fertig, als unbedacht- ſam von mir heraus geſagt war: Ordine nîl melius, ſed nîl eſt ordine pejus, Qui Jeſu nomen, non tamen omen habet. teutſch: Das iſt der beſte zwar, doch auch der boͤſte Orden, Der ſich nach JESU nennt, und ihm nie gleich geworden. Man erſahe augenblicklich an den ergrimmten Ge- ſichtern unſerer beyden Wiederſacher, daß ihnen die Galle aufs greulichſte uͤber die Grentzen trat, indem ſie von einem ſechzehentehalb jaͤhrigen Knaben, der- maſſen haͤßlich abgekappt worden. Ein gewiſſer Mu- ſicus aber, der ein ſehr guter Lateiner war, bat mich, dieſes Diſtichon noch einmahl her zu ſagen, und da mich deſſen aus Ubereilung nicht wegerte, ſchrie-

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/28>, abgerufen am 28.03.2024.