mir, weil sie noch kein eintziges von ihren Kindes- Kindern, als mich eintzig und allein zu sehen, das Glück gehabt, denn ihre andern zwey Söhne waren ebenfalls in der Ferne verheyrathet, die eintzige Aug- spurgische Tochter aber unfruchtbar. Allein da, wie bereits gemeldet habe, in meinem 17ten Jahre die erschreckliche Zeitung von dem Unglücke meines Vaters einlieff, zog sich die Groß Mutter selbiges der- massen zu Gemüthe, daß sie darüber ihren Geist aufgab, ja es fehlete wenig, meinem lieben Groß- Vater wäre ein gleiches wiederfahren, iedoch der Himmel ließ ihn vielleicht zu meinem Troste noch ei- ne Zeitlang leben. Wir hoffeten nach der Zeit im- mer auf Briefe von meinem Vater, allein gantz ver- gebens, endlich aber, da im Jahre 1713. mein Groß- Vater vor genehm hielt, daß ich mich in fremde Län- der begeben, und die Inventiones anderer geschick- ten Leute in Augenschein nehmen solte, trieb mich dennoch die Liebe zum Vaterlande in meine Ge- burts-Stadt, wiewohl ich mich daselbst unter ei- nem andern Nahmen, gantz incognito aufhielt, und meine Mutter zu sprechen trachtete, allein selbi- ges war nicht möglich, dahingegen kundschaffte ich meine Schwester aus, die bey einer vornehmen Da- me als Aufwarte-Mägdgen, in Diensten stund, und gewann dieselbe mit leichter Mühe, sich mit mir auf die Post zu setzen, und dem Groß-Vater zu zueilen. Sie hatte ihre Mutter ebenfalls seit 5. Jahren nicht gesehen, sondern war, nachdem sie 3. Jahr im Waysen-Hause zugebracht, von besagter Dame her- aus, und in ihre Dienste genommen, auch noch so mittelmäßig tractiret worden, weßwegen sie von
der
q 4
mir, weil ſie noch kein eintziges von ihren Kindes- Kindern, als mich eintzig und allein zu ſehen, das Gluͤck gehabt, denn ihre andern zwey Soͤhne waren ebenfalls in der Ferne verheyrathet, die eintzige Aug- ſpurgiſche Tochter aber unfruchtbar. Allein da, wie bereits gemeldet habe, in meinem 17ten Jahre die erſchreckliche Zeitung von dem Ungluͤcke meines Vaters einlieff, zog ſich die Groß Mutter ſelbiges der- maſſen zu Gemuͤthe, daß ſie daruͤber ihren Geiſt aufgab, ja es fehlete wenig, meinem lieben Groß- Vater waͤre ein gleiches wiederfahren, iedoch der Himmel ließ ihn vielleicht zu meinem Troſte noch ei- ne Zeitlang leben. Wir hoffeten nach der Zeit im- mer auf Briefe von meinem Vater, allein gantz ver- gebens, endlich aber, da im Jahre 1713. mein Groß- Vater vor genehm hielt, daß ich mich in fremde Laͤn- der begeben, und die Inventiones anderer geſchick- ten Leute in Augenſchein nehmen ſolte, trieb mich dennoch die Liebe zum Vaterlande in meine Ge- burts-Stadt, wiewohl ich mich daſelbſt unter ei- nem andern Nahmen, gantz incognito aufhielt, und meine Mutter zu ſprechen trachtete, allein ſelbi- ges war nicht moͤglich, dahingegen kundſchaffte ich meine Schweſter aus, die bey einer vornehmen Da- me als Aufwarte-Maͤgdgen, in Dienſten ſtund, und gewann dieſelbe mit leichter Muͤhe, ſich mit mir auf die Poſt zu ſetzen, und dem Groß-Vater zu zueilen. Sie hatte ihre Mutter ebenfalls ſeit 5. Jahren nicht geſehen, ſondern war, nachdem ſie 3. Jahr im Wayſen-Hauſe zugebracht, von beſagter Dame her- aus, und in ihre Dienſte genommen, auch noch ſo mittelmaͤßig tractiret worden, weßwegen ſie von
der
q 4
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><floatingText><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0261"n="247"/>
mir, weil ſie noch kein eintziges von ihren Kindes-<lb/>
Kindern, als mich eintzig und allein zu ſehen, das<lb/>
Gluͤck gehabt, denn ihre andern zwey Soͤhne waren<lb/>
ebenfalls in der Ferne verheyrathet, die eintzige Aug-<lb/>ſpurgiſche Tochter aber unfruchtbar. Allein da,<lb/>
wie bereits gemeldet habe, in meinem 17ten Jahre<lb/>
die erſchreckliche Zeitung von dem Ungluͤcke meines<lb/>
Vaters einlieff, zog ſich die Groß Mutter ſelbiges der-<lb/>
maſſen zu Gemuͤthe, daß ſie daruͤber ihren Geiſt<lb/>
aufgab, ja es fehlete wenig, meinem lieben Groß-<lb/>
Vater waͤre ein gleiches wiederfahren, iedoch der<lb/>
Himmel ließ ihn vielleicht zu meinem Troſte noch ei-<lb/>
ne Zeitlang leben. Wir hoffeten nach der Zeit im-<lb/>
mer auf Briefe von meinem Vater, allein gantz ver-<lb/>
gebens, endlich aber, da im Jahre 1713. mein Groß-<lb/>
Vater vor genehm hielt, daß ich mich in fremde Laͤn-<lb/>
der begeben, und die <hirendition="#aq">Inventiones</hi> anderer geſchick-<lb/>
ten Leute in Augenſchein nehmen ſolte, trieb mich<lb/>
dennoch die Liebe zum Vaterlande in meine Ge-<lb/>
burts-Stadt, wiewohl ich mich daſelbſt unter ei-<lb/>
nem andern Nahmen, gantz <hirendition="#aq">incognito</hi> aufhielt,<lb/>
und meine Mutter zu ſprechen trachtete, allein ſelbi-<lb/>
ges war nicht moͤglich, dahingegen kundſchaffte ich<lb/>
meine Schweſter aus, die bey einer vornehmen <hirendition="#aq">Da-<lb/>
me</hi> als Aufwarte-Maͤgdgen, in Dienſten ſtund, und<lb/>
gewann dieſelbe mit leichter Muͤhe, ſich mit mir auf<lb/>
die Poſt zu ſetzen, und dem Groß-Vater zu zueilen.<lb/>
Sie hatte ihre Mutter ebenfalls ſeit 5. Jahren nicht<lb/>
geſehen, ſondern war, nachdem ſie 3. Jahr im<lb/>
Wayſen-Hauſe zugebracht, von beſagter <hirendition="#aq">Dame</hi> her-<lb/>
aus, und in ihre Dienſte genommen, auch noch ſo<lb/>
mittelmaͤßig <hirendition="#aq">tracti</hi>ret worden, weßwegen ſie von<lb/><fwplace="bottom"type="sig">q 4</fw><fwplace="bottom"type="catch">der</fw><lb/></p></div></body></floatingText></div></div></body></text></TEI>
[247/0261]
mir, weil ſie noch kein eintziges von ihren Kindes-
Kindern, als mich eintzig und allein zu ſehen, das
Gluͤck gehabt, denn ihre andern zwey Soͤhne waren
ebenfalls in der Ferne verheyrathet, die eintzige Aug-
ſpurgiſche Tochter aber unfruchtbar. Allein da,
wie bereits gemeldet habe, in meinem 17ten Jahre
die erſchreckliche Zeitung von dem Ungluͤcke meines
Vaters einlieff, zog ſich die Groß Mutter ſelbiges der-
maſſen zu Gemuͤthe, daß ſie daruͤber ihren Geiſt
aufgab, ja es fehlete wenig, meinem lieben Groß-
Vater waͤre ein gleiches wiederfahren, iedoch der
Himmel ließ ihn vielleicht zu meinem Troſte noch ei-
ne Zeitlang leben. Wir hoffeten nach der Zeit im-
mer auf Briefe von meinem Vater, allein gantz ver-
gebens, endlich aber, da im Jahre 1713. mein Groß-
Vater vor genehm hielt, daß ich mich in fremde Laͤn-
der begeben, und die Inventiones anderer geſchick-
ten Leute in Augenſchein nehmen ſolte, trieb mich
dennoch die Liebe zum Vaterlande in meine Ge-
burts-Stadt, wiewohl ich mich daſelbſt unter ei-
nem andern Nahmen, gantz incognito aufhielt,
und meine Mutter zu ſprechen trachtete, allein ſelbi-
ges war nicht moͤglich, dahingegen kundſchaffte ich
meine Schweſter aus, die bey einer vornehmen Da-
me als Aufwarte-Maͤgdgen, in Dienſten ſtund, und
gewann dieſelbe mit leichter Muͤhe, ſich mit mir auf
die Poſt zu ſetzen, und dem Groß-Vater zu zueilen.
Sie hatte ihre Mutter ebenfalls ſeit 5. Jahren nicht
geſehen, ſondern war, nachdem ſie 3. Jahr im
Wayſen-Hauſe zugebracht, von beſagter Dame her-
aus, und in ihre Dienſte genommen, auch noch ſo
mittelmaͤßig tractiret worden, weßwegen ſie von
der
q 4
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/261>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.