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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

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Fall unter allen denen, die mir von Jugend auf be-
begegnet, der allerschmertzlichste gewesen, und zwar
dergestalt, daß recht bittere Thränen aus meinen
Augen gepresset wurden. Nichts war vermögend
mich zu trösten, am allerwenigsten aber die Barbier-
Stube, nebst denen 300. Thlr. baaren Gelde, wel-
che mir meine sel. Liebste im ordentlichen Testa-
mente
vermacht hatte. Das Letztere wurde mir
gleich nach Verlauff der ersten 4. Trauer-Wochen
eingehändiget, wegen der Barbier-Stube aber, wol-
ten die Vormünder der Kinder, Advocaten-Strei-
che machen, iedoch nachdem mir dieselbe von der
Obrigkeit des Orts adjudicirt worden, war ich so
genereus den beyden Kindern die Barbier-Stube
gegen Erlegung des halben Werths an 450. Thlr zu
überlassen, weiln mir ohnmöglich schien, an diesem,
vor mich ebenfalls fatalen Orte zu bleiben, ohnge-
acht sich viele Freunde die Mühe gaben, meiner
sel. Liebsten leibliche Schwester, mit mir zu ver-
kuppeln.

Der gantze teutsche Erdboden kam endlich bey
reifflicher Uberlegung, meinem Gemüthe unglück-
lich und verdrießlich vor, derowegen brachte alle
meine Sachen in Ordnung, reisete erstlich nach Lü-
beck, und war gleich im Begriff demselben auf ewig
Abschied zu geben, hergegen mein Glück in Schwe-
den oder Dänemarck zu suchen, als der Himmel ge-
genwärtigen Herrn Wolffgang darzwischen führe-
te, dessen Ansinnen mir |augenblicklich das größte
Vergnügen erweckte, mein anderweitiges Project
verrückte, und mich animirte, seinen redlichen Vor-
schlägen willige Folge zu leisten. Der Himmel ge-

be

Fall unter allen denen, die mir von Jugend auf be-
begegnet, der allerſchmertzlichſte geweſen, und zwar
dergeſtalt, daß recht bittere Thraͤnen aus meinen
Augen gepreſſet wurden. Nichts war vermoͤgend
mich zu troͤſten, am allerwenigſten aber die Barbier-
Stube, nebſt denen 300. Thlr. baaren Gelde, wel-
che mir meine ſel. Liebſte im ordentlichen Teſta-
mente
vermacht hatte. Das Letztere wurde mir
gleich nach Verlauff der erſten 4. Trauer-Wochen
eingehaͤndiget, wegen der Barbier-Stube aber, wol-
ten die Vormuͤnder der Kinder, Advocaten-Strei-
che machen, iedoch nachdem mir dieſelbe von der
Obrigkeit des Orts adjudicirt worden, war ich ſo
genereus den beyden Kindern die Barbier-Stube
gegen Erlegung des halben Werths an 450. Thlr zu
uͤberlaſſen, weiln mir ohnmoͤglich ſchien, an dieſem,
vor mich ebenfalls fatalen Orte zu bleiben, ohnge-
acht ſich viele Freunde die Muͤhe gaben, meiner
ſel. Liebſten leibliche Schweſter, mit mir zu ver-
kuppeln.

Der gantze teutſche Erdboden kam endlich bey
reifflicher Uberlegung, meinem Gemuͤthe ungluͤck-
lich und verdrießlich vor, derowegen brachte alle
meine Sachen in Ordnung, reiſete erſtlich nach Luͤ-
beck, und war gleich im Begriff demſelben auf ewig
Abſchied zu geben, hergegen mein Gluͤck in Schwe-
den oder Daͤnemarck zu ſuchen, als der Himmel ge-
genwaͤrtigen Herrn Wolffgang darzwiſchen fuͤhre-
te, deſſen Anſinnen mir |augenblicklich das groͤßte
Vergnuͤgen erweckte, mein anderweitiges Project
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ſchlaͤgen willige Folge zu leiſten. Der Himmel ge-

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[234/0248] Fall unter allen denen, die mir von Jugend auf be- begegnet, der allerſchmertzlichſte geweſen, und zwar dergeſtalt, daß recht bittere Thraͤnen aus meinen Augen gepreſſet wurden. Nichts war vermoͤgend mich zu troͤſten, am allerwenigſten aber die Barbier- Stube, nebſt denen 300. Thlr. baaren Gelde, wel- che mir meine ſel. Liebſte im ordentlichen Teſta- mente vermacht hatte. Das Letztere wurde mir gleich nach Verlauff der erſten 4. Trauer-Wochen eingehaͤndiget, wegen der Barbier-Stube aber, wol- ten die Vormuͤnder der Kinder, Advocaten-Strei- che machen, iedoch nachdem mir dieſelbe von der Obrigkeit des Orts adjudicirt worden, war ich ſo genereus den beyden Kindern die Barbier-Stube gegen Erlegung des halben Werths an 450. Thlr zu uͤberlaſſen, weiln mir ohnmoͤglich ſchien, an dieſem, vor mich ebenfalls fatalen Orte zu bleiben, ohnge- acht ſich viele Freunde die Muͤhe gaben, meiner ſel. Liebſten leibliche Schweſter, mit mir zu ver- kuppeln. Der gantze teutſche Erdboden kam endlich bey reifflicher Uberlegung, meinem Gemuͤthe ungluͤck- lich und verdrießlich vor, derowegen brachte alle meine Sachen in Ordnung, reiſete erſtlich nach Luͤ- beck, und war gleich im Begriff demſelben auf ewig Abſchied zu geben, hergegen mein Gluͤck in Schwe- den oder Daͤnemarck zu ſuchen, als der Himmel ge- genwaͤrtigen Herrn Wolffgang darzwiſchen fuͤhre- te, deſſen Anſinnen mir |augenblicklich das groͤßte Vergnuͤgen erweckte, mein anderweitiges Project verruͤckte, und mich animirte, ſeinen redlichen Vor- ſchlaͤgen willige Folge zu leiſten. Der Himmel ge- be

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/248>, abgerufen am 04.05.2024.