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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

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Leben voritzo nicht mehr als 10. Pfennige baares
Geld aufzubringen wüßte. Demnach überreichte ich
ihm eine gantze Hand voll Silber-Geld, wovon er
aber nicht mehr als etliche Groschen auslase, und
das übrige durchaus nicht annehmen wolte, sondern
mit starcken Kopfschütteln davon ging, nachdem
er versprochen, binnen einer Stunde wieder bey mir
zu seyn. Er hielt sein Wort redlich, kam mit der
Abend-Demmerung zurück, brachte einen halben
Schincken, ein starck Stücke Wurst, ein halbes
Brod, eine Flasche Bier, wie auch Butter und Käse
in seinem Rantzen getragen, ließ mich nach Belieben
davon speisen, er aber setzte sich etliche Schritt von
mir hinweg, und erzehlete binnen der Zeit seiner Ein-
falt nach, verschiedene kluge Streiche, die von einem
Manne, der täglich mit niemanden, als unvernünff-
tigen Vieh umging, nicht leicht zu vermuthen wa-
ren. So bald die Nacht herein brach, führete er
mich glücklich über die Grentzen meines verhaßten
Vaterlandes, ruhete hernach über 3. Stunden, in
einem dicken Gebüsche, an meiner Seite, und zeigete
mir hernach die richtige Strasse, worauf ich ohnfehl-
bar binnen 3. oder 4. Stunden eine kleine Stadt er-
reichen würde, in welcher nicht die geringste Gefahr
vor mich zu befürchten, hergegen alle Sicherheit an-
zutreffen sey. Jch fragte, was er vor seine Bemü-
hung haben wolte, und der gute Mann forderte nicht
mehr als 2. Groschen, welches mich dermassen affi-
ci
rte, daß ich ihm 2. spec. Ducaten gab, die er ver-
muthlich nicht angenommen, wenn die Dunckelheit
ihn nicht verhindert hätte, Gold- und Silber-Geld
zu unterscheiden.

Nun-

Leben voritzo nicht mehr als 10. Pfennige baares
Geld aufzubringen wuͤßte. Demnach uͤberreichte ich
ihm eine gantze Hand voll Silber-Geld, wovon er
aber nicht mehr als etliche Groſchen auslaſe, und
das uͤbrige durchaus nicht annehmen wolte, ſondern
mit ſtarcken Kopfſchuͤtteln davon ging, nachdem
er verſprochen, binnen einer Stunde wieder bey mir
zu ſeyn. Er hielt ſein Wort redlich, kam mit der
Abend-Demmerung zuruͤck, brachte einen halben
Schincken, ein ſtarck Stuͤcke Wurſt, ein halbes
Brod, eine Flaſche Bier, wie auch Butter und Kaͤſe
in ſeinem Rantzen getragen, ließ mich nach Belieben
davon ſpeiſen, er aber ſetzte ſich etliche Schritt von
mir hinweg, und erzehlete binnen der Zeit ſeiner Ein-
falt nach, verſchiedene kluge Streiche, die von einem
Manne, der taͤglich mit niemanden, als unvernuͤnff-
tigen Vieh umging, nicht leicht zu vermuthen wa-
ren. So bald die Nacht herein brach, fuͤhrete er
mich gluͤcklich uͤber die Grentzen meines verhaßten
Vaterlandes, ruhete hernach uͤber 3. Stunden, in
einem dicken Gebuͤſche, an meiner Seite, und zeigete
mir hernach die richtige Straſſe, worauf ich ohnfehl-
bar binnen 3. oder 4. Stunden eine kleine Stadt er-
reichen wuͤrde, in welcher nicht die geringſte Gefahr
vor mich zu befuͤrchten, hergegen alle Sicherheit an-
zutreffen ſey. Jch fragte, was er vor ſeine Bemuͤ-
hung haben wolte, und der gute Mann forderte nicht
mehr als 2. Groſchen, welches mich dermaſſen affi-
ci
rte, daß ich ihm 2. ſpec. Ducaten gab, die er ver-
muthlich nicht angenommen, wenn die Dunckelheit
ihn nicht verhindert haͤtte, Gold- und Silber-Geld
zu unterſcheiden.

Nun-
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[221/0235] Leben voritzo nicht mehr als 10. Pfennige baares Geld aufzubringen wuͤßte. Demnach uͤberreichte ich ihm eine gantze Hand voll Silber-Geld, wovon er aber nicht mehr als etliche Groſchen auslaſe, und das uͤbrige durchaus nicht annehmen wolte, ſondern mit ſtarcken Kopfſchuͤtteln davon ging, nachdem er verſprochen, binnen einer Stunde wieder bey mir zu ſeyn. Er hielt ſein Wort redlich, kam mit der Abend-Demmerung zuruͤck, brachte einen halben Schincken, ein ſtarck Stuͤcke Wurſt, ein halbes Brod, eine Flaſche Bier, wie auch Butter und Kaͤſe in ſeinem Rantzen getragen, ließ mich nach Belieben davon ſpeiſen, er aber ſetzte ſich etliche Schritt von mir hinweg, und erzehlete binnen der Zeit ſeiner Ein- falt nach, verſchiedene kluge Streiche, die von einem Manne, der taͤglich mit niemanden, als unvernuͤnff- tigen Vieh umging, nicht leicht zu vermuthen wa- ren. So bald die Nacht herein brach, fuͤhrete er mich gluͤcklich uͤber die Grentzen meines verhaßten Vaterlandes, ruhete hernach uͤber 3. Stunden, in einem dicken Gebuͤſche, an meiner Seite, und zeigete mir hernach die richtige Straſſe, worauf ich ohnfehl- bar binnen 3. oder 4. Stunden eine kleine Stadt er- reichen wuͤrde, in welcher nicht die geringſte Gefahr vor mich zu befuͤrchten, hergegen alle Sicherheit an- zutreffen ſey. Jch fragte, was er vor ſeine Bemuͤ- hung haben wolte, und der gute Mann forderte nicht mehr als 2. Groſchen, welches mich dermaſſen affi- cirte, daß ich ihm 2. ſpec. Ducaten gab, die er ver- muthlich nicht angenommen, wenn die Dunckelheit ihn nicht verhindert haͤtte, Gold- und Silber-Geld zu unterſcheiden. Nun-

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/235>, abgerufen am 04.05.2024.