Trunckenheit mehr ergeben gewesen, als eben er. Jn Praxi war ihm ein und andere Cur von ohn- gefähr noch so ziemlich eingeschlagen, doch in Theo- ria alles sehr schwach und elend bestellet, woher denn kam, daß sein gantzer Professions-Bau auf einem wacklenden Grunde ruhete. Jn der Prahlerey, Aufschneiderey und läppischen Raisonir-Kunst hat- te er hingegen einen dermassen starcken Habitum, daß er sich auch nicht scheuete vor geschickten und ge- lehrten Leuten, ohne Scheu, alles heraus zu platzen, was ihm nur vors Maul kam, es mochte practica- ble, wahrscheinlich, und vernünfftig seyn oder nicht. Einsmahls wolte er einem gestürtzten Patienten, ein grosses Stück des Cranii ausgehoben, duram ma- trem zerschnitten, piam matrem aber vom cere- bello abseparirt, und das geronnene Geblüt, wie auch 11/2 Loth vom Gehirne selbst, mit dem Thee- Löffel heraus genommen haben. Einem andern Patienten hatte er, seinen Sagen nach einen Poly- pum cordis, oder so genannten Hertz-Wurm per sedes abgetrieben, und zeigte denselben annoch in einem mit Spiritu Vini angefülleten Glase. Wie- der einem andern solte durch seine Geschicklichkeit, und künstliche Hefftung die mit groben Schrot durchschossenen dünnen Gedärmer, und des Ma- gens, das liebe Leben erhalten seyn. Alle Arten der Blindheit, so gar auch des schwartzen Staars, ver- maß er sich ohne eintzige innnerliche oder äusserliche Medicin, blos vermittelst eines Geheimniß-vollen sympathetischen Schnupf-Tobacks zu curiren; Allein ich habe niemand ausforschen können, der ei- ne Probe davon gesehen oder empfunden.
Jndem
Trunckenheit mehr ergeben geweſen, als eben er. Jn Praxi war ihm ein und andere Cur von ohn- gefaͤhr noch ſo ziemlich eingeſchlagen, doch in Theo- ria alles ſehr ſchwach und elend beſtellet, woher denn kam, daß ſein gantzer Profeſſions-Bau auf einem wacklenden Grunde ruhete. Jn der Prahlerey, Aufſchneiderey und laͤppiſchen Raiſonir-Kunſt hat- te er hingegen einen dermaſſen ſtarcken Habitum, daß er ſich auch nicht ſcheuete vor geſchickten und ge- lehrten Leuten, ohne Scheu, alles heraus zu platzen, was ihm nur vors Maul kam, es mochte practica- ble, wahrſcheinlich, und vernuͤnfftig ſeyn oder nicht. Einsmahls wolte er einem geſtuͤrtzten Patienten, ein groſſes Stuͤck des Cranii ausgehoben, duram ma- trem zerſchnitten, piam matrem aber vom cere- bello abſeparirt, und das geronnene Gebluͤt, wie auch 1½ Loth vom Gehirne ſelbſt, mit dem Thee- Loͤffel heraus genommen haben. Einem andern Patienten hatte er, ſeinen Sagen nach einen Poly- pum cordis, oder ſo genannten Hertz-Wurm per ſedes abgetrieben, und zeigte denſelben annoch in einem mit Spiritu Vini angefuͤlleten Glaſe. Wie- der einem andern ſolte durch ſeine Geſchicklichkeit, und kuͤnſtliche Hefftung die mit groben Schrot durchſchoſſenen duͤnnen Gedaͤrmer, und des Ma- gens, das liebe Leben erhalten ſeyn. Alle Arten der Blindheit, ſo gar auch des ſchwartzen Staars, ver- maß er ſich ohne eintzige innnerliche oder aͤuſſerliche Medicin, blos vermittelſt eines Geheimniß-vollen ſympathetiſchen Schnupf-Tobacks zu curiren; Allein ich habe niemand ausforſchen koͤnnen, der ei- ne Probe davon geſehen oder empfunden.
Jndem
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0206"n="192"/>
Trunckenheit mehr ergeben geweſen, als eben er.<lb/>
Jn <hirendition="#aq">Praxi</hi> war ihm ein und andere <hirendition="#aq">Cur</hi> von ohn-<lb/>
gefaͤhr noch ſo ziemlich eingeſchlagen, doch in <hirendition="#aq">Theo-<lb/>
ria</hi> alles ſehr ſchwach und elend beſtellet, woher denn<lb/>
kam, daß ſein gantzer <hirendition="#aq">Profeſſions-</hi>Bau auf einem<lb/>
wacklenden Grunde ruhete. Jn der Prahlerey,<lb/>
Aufſchneiderey und laͤppiſchen <hirendition="#aq">Raiſonir-</hi>Kunſt hat-<lb/>
te er hingegen einen dermaſſen ſtarcken <hirendition="#aq">Habitum,</hi><lb/>
daß er ſich auch nicht ſcheuete vor geſchickten und ge-<lb/>
lehrten Leuten, ohne Scheu, alles heraus zu platzen,<lb/>
was ihm nur vors Maul kam, es mochte <hirendition="#aq">practica-<lb/>
ble,</hi> wahrſcheinlich, und vernuͤnfftig ſeyn oder nicht.<lb/>
Einsmahls wolte er einem geſtuͤrtzten <hirendition="#aq">Patient</hi>en, ein<lb/>
groſſes Stuͤck des <hirendition="#aq">Cranii</hi> ausgehoben, <hirendition="#aq">duram ma-<lb/>
trem</hi> zerſchnitten, <hirendition="#aq">piam matrem</hi> aber vom <hirendition="#aq">cere-<lb/>
bello</hi> ab<hirendition="#aq">ſeparirt,</hi> und das geronnene Gebluͤt, wie<lb/>
auch 1½ Loth vom Gehirne ſelbſt, mit dem <hirendition="#aq">Thee-</hi><lb/>
Loͤffel heraus genommen haben. Einem andern<lb/><hirendition="#aq">Patient</hi>en hatte er, ſeinen Sagen nach einen <hirendition="#aq">Poly-<lb/>
pum cordis,</hi> oder ſo genannten Hertz-Wurm <hirendition="#aq">per<lb/>ſedes</hi> abgetrieben, und zeigte denſelben annoch in<lb/>
einem mit <hirendition="#aq">Spiritu Vini</hi> angefuͤlleten Glaſe. Wie-<lb/>
der einem andern ſolte durch ſeine Geſchicklichkeit,<lb/>
und kuͤnſtliche Hefftung die mit groben Schrot<lb/>
durchſchoſſenen duͤnnen Gedaͤrmer, und des Ma-<lb/>
gens, das liebe Leben erhalten ſeyn. Alle Arten der<lb/>
Blindheit, ſo gar auch des ſchwartzen Staars, ver-<lb/>
maß er ſich ohne eintzige innnerliche oder aͤuſſerliche<lb/><hirendition="#aq">Medicin,</hi> blos vermittelſt eines Geheimniß-vollen<lb/><hirendition="#aq">ſympathet</hi>iſchen Schnupf-Tobacks zu <hirendition="#aq">curir</hi>en;<lb/>
Allein ich habe niemand ausforſchen koͤnnen, der ei-<lb/>
ne Probe davon geſehen oder empfunden.</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Jndem</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[192/0206]
Trunckenheit mehr ergeben geweſen, als eben er.
Jn Praxi war ihm ein und andere Cur von ohn-
gefaͤhr noch ſo ziemlich eingeſchlagen, doch in Theo-
ria alles ſehr ſchwach und elend beſtellet, woher denn
kam, daß ſein gantzer Profeſſions-Bau auf einem
wacklenden Grunde ruhete. Jn der Prahlerey,
Aufſchneiderey und laͤppiſchen Raiſonir-Kunſt hat-
te er hingegen einen dermaſſen ſtarcken Habitum,
daß er ſich auch nicht ſcheuete vor geſchickten und ge-
lehrten Leuten, ohne Scheu, alles heraus zu platzen,
was ihm nur vors Maul kam, es mochte practica-
ble, wahrſcheinlich, und vernuͤnfftig ſeyn oder nicht.
Einsmahls wolte er einem geſtuͤrtzten Patienten, ein
groſſes Stuͤck des Cranii ausgehoben, duram ma-
trem zerſchnitten, piam matrem aber vom cere-
bello abſeparirt, und das geronnene Gebluͤt, wie
auch 1½ Loth vom Gehirne ſelbſt, mit dem Thee-
Loͤffel heraus genommen haben. Einem andern
Patienten hatte er, ſeinen Sagen nach einen Poly-
pum cordis, oder ſo genannten Hertz-Wurm per
ſedes abgetrieben, und zeigte denſelben annoch in
einem mit Spiritu Vini angefuͤlleten Glaſe. Wie-
der einem andern ſolte durch ſeine Geſchicklichkeit,
und kuͤnſtliche Hefftung die mit groben Schrot
durchſchoſſenen duͤnnen Gedaͤrmer, und des Ma-
gens, das liebe Leben erhalten ſeyn. Alle Arten der
Blindheit, ſo gar auch des ſchwartzen Staars, ver-
maß er ſich ohne eintzige innnerliche oder aͤuſſerliche
Medicin, blos vermittelſt eines Geheimniß-vollen
ſympathetiſchen Schnupf-Tobacks zu curiren;
Allein ich habe niemand ausforſchen koͤnnen, der ei-
ne Probe davon geſehen oder empfunden.
Jndem
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/206>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.