Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

Bild:
<< vorherige Seite

in meinen Augen und Gedancken eine vortrefflich
nützliche Creatur, kurtz! ich war auf lauter Strei-
che bedacht, durch ihn zu erfahren, wohin man mei-
ne andere Seele geschafft hätte, setzte mich dero-
wegen auf die Post, und richtete meine Reise also
ein, daß ich accurat Freytags abends in demje-
nigen Sächsischen Städtgen eintraff, welches nur
eine kleine Meil wegs von des Herrn von V.** Gu-
the entlegen war. Jch hatte mich mit allen Din-
gen, welche ich zu Ausführung meines Vorhabens
nöthig hielt, sehr wohl versehen, und weiln gewiß
versichert war, daß sich der vertrackte Cantor ge-
meiniglich des Sonnabends, einen guten halben
Tag, in dem Städtgen zu machen pflegte, wenn er
nemlich den Communicanten Wein von darselbst
abholete, und sich den Rantzen bey solcher Gelegen-
heit recht voll gutes Stadt-Bier soff, so verfärbte
mein Gesichte so schwartz-braun, als es sich schick-
te, zog einen braunen Rock an, setzte eine schwartz-
braune liederliche Peruqve über meine zusammen
gebundenen Haare, legte einen grossen Schwedi-
schen Degen auf die Schulter, und einen grünen
Quer-Sack drüber, band auch einen mit etwas
versilberten Meßing beschlagenen Streich-Riemen
vorn an die Brust, machte also eine Figur, wie ein
liederlicher Scheer-Knecht oder Barbier-Geselle,
ging Vormittags um 10. Uhr, des halben Wegs,
auf diejenige Strasse, wo ich wußte, daß der Schul-
meister von rechts wegen herkommen mußte, legte
mich hinter ein Gesträuche, und wartete mit
Schmertzen auf dessen Ankunfft, war auch um
12. Uhr so glücklich, denselben zu erblicken, stund

dero-
i 3

in meinen Augen und Gedancken eine vortrefflich
nuͤtzliche Creatur, kurtz! ich war auf lauter Strei-
che bedacht, durch ihn zu erfahren, wohin man mei-
ne andere Seele geſchafft haͤtte, ſetzte mich dero-
wegen auf die Poſt, und richtete meine Reiſe alſo
ein, daß ich accurat Freytags abends in demje-
nigen Saͤchſiſchen Staͤdtgen eintraff, welches nur
eine kleine Meil wegs von des Herrn von V.** Gu-
the entlegen war. Jch hatte mich mit allen Din-
gen, welche ich zu Ausfuͤhrung meines Vorhabens
noͤthig hielt, ſehr wohl verſehen, und weiln gewiß
verſichert war, daß ſich der vertrackte Cantor ge-
meiniglich des Sonnabends, einen guten halben
Tag, in dem Staͤdtgen zu machen pflegte, wenn er
nemlich den Communicanten Wein von darſelbſt
abholete, und ſich den Rantzen bey ſolcher Gelegen-
heit recht voll gutes Stadt-Bier ſoff, ſo verfaͤrbte
mein Geſichte ſo ſchwartz-braun, als es ſich ſchick-
te, zog einen braunen Rock an, ſetzte eine ſchwartz-
braune liederliche Peruqve uͤber meine zuſammen
gebundenen Haare, legte einen groſſen Schwedi-
ſchen Degen auf die Schulter, und einen gruͤnen
Quer-Sack druͤber, band auch einen mit etwas
verſilberten Meßing beſchlagenen Streich-Riemen
vorn an die Bruſt, machte alſo eine Figur, wie ein
liederlicher Scheer-Knecht oder Barbier-Geſelle,
ging Vormittags um 10. Uhr, des halben Wegs,
auf diejenige Straſſe, wo ich wußte, daß der Schul-
meiſter von rechts wegen herkommen mußte, legte
mich hinter ein Geſtraͤuche, und wartete mit
Schmertzen auf deſſen Ankunfft, war auch um
12. Uhr ſo gluͤcklich, denſelben zu erblicken, ſtund

dero-
i 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0147" n="133"/>
in meinen Augen und Gedancken eine vortrefflich<lb/>
nu&#x0364;tzliche Creatur, kurtz! ich war auf lauter Strei-<lb/>
che bedacht, durch ihn zu erfahren, wohin man mei-<lb/>
ne andere Seele ge&#x017F;chafft ha&#x0364;tte, &#x017F;etzte mich dero-<lb/>
wegen auf die Po&#x017F;t, und richtete meine Rei&#x017F;e al&#x017F;o<lb/>
ein, daß ich <hi rendition="#aq">accurat</hi> Freytags abends in demje-<lb/>
nigen Sa&#x0364;ch&#x017F;i&#x017F;chen Sta&#x0364;dtgen eintraff, welches nur<lb/>
eine kleine Meil wegs von des Herrn von <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">V.</hi></hi>** Gu-<lb/>
the entlegen war. Jch hatte mich mit allen Din-<lb/>
gen, welche ich zu Ausfu&#x0364;hrung meines Vorhabens<lb/>
no&#x0364;thig hielt, &#x017F;ehr wohl ver&#x017F;ehen, und weiln gewiß<lb/>
ver&#x017F;ichert war, daß &#x017F;ich der vertrackte <hi rendition="#aq">Cantor</hi> ge-<lb/>
meiniglich des Sonnabends, einen guten halben<lb/>
Tag, in dem Sta&#x0364;dtgen zu machen pflegte, wenn er<lb/>
nemlich den <hi rendition="#aq">Communicant</hi>en Wein von dar&#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
abholete, und &#x017F;ich den Rantzen bey &#x017F;olcher Gelegen-<lb/>
heit recht voll gutes Stadt-Bier &#x017F;off, &#x017F;o verfa&#x0364;rbte<lb/>
mein Ge&#x017F;ichte &#x017F;o &#x017F;chwartz-braun, als es &#x017F;ich &#x017F;chick-<lb/>
te, zog einen braunen Rock an, &#x017F;etzte eine &#x017F;chwartz-<lb/>
braune liederliche <hi rendition="#aq">Peruqve</hi> u&#x0364;ber meine zu&#x017F;ammen<lb/>
gebundenen Haare, legte einen gro&#x017F;&#x017F;en Schwedi-<lb/>
&#x017F;chen Degen auf die Schulter, und einen gru&#x0364;nen<lb/>
Quer-Sack dru&#x0364;ber, band auch einen mit etwas<lb/>
ver&#x017F;ilberten Meßing be&#x017F;chlagenen Streich-Riemen<lb/>
vorn an die Bru&#x017F;t, machte al&#x017F;o eine <hi rendition="#aq">Figur,</hi> wie ein<lb/>
liederlicher Scheer-Knecht oder Barbier-Ge&#x017F;elle,<lb/>
ging Vormittags um 10. Uhr, des halben Wegs,<lb/>
auf diejenige Stra&#x017F;&#x017F;e, wo ich wußte, daß der Schul-<lb/>
mei&#x017F;ter von rechts wegen herkommen mußte, legte<lb/>
mich hinter ein Ge&#x017F;tra&#x0364;uche, und wartete mit<lb/>
Schmertzen auf de&#x017F;&#x017F;en Ankunfft, war auch um<lb/>
12. Uhr &#x017F;o glu&#x0364;cklich, den&#x017F;elben zu erblicken, &#x017F;tund<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">i 3</fw><fw place="bottom" type="catch">dero-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[133/0147] in meinen Augen und Gedancken eine vortrefflich nuͤtzliche Creatur, kurtz! ich war auf lauter Strei- che bedacht, durch ihn zu erfahren, wohin man mei- ne andere Seele geſchafft haͤtte, ſetzte mich dero- wegen auf die Poſt, und richtete meine Reiſe alſo ein, daß ich accurat Freytags abends in demje- nigen Saͤchſiſchen Staͤdtgen eintraff, welches nur eine kleine Meil wegs von des Herrn von V.** Gu- the entlegen war. Jch hatte mich mit allen Din- gen, welche ich zu Ausfuͤhrung meines Vorhabens noͤthig hielt, ſehr wohl verſehen, und weiln gewiß verſichert war, daß ſich der vertrackte Cantor ge- meiniglich des Sonnabends, einen guten halben Tag, in dem Staͤdtgen zu machen pflegte, wenn er nemlich den Communicanten Wein von darſelbſt abholete, und ſich den Rantzen bey ſolcher Gelegen- heit recht voll gutes Stadt-Bier ſoff, ſo verfaͤrbte mein Geſichte ſo ſchwartz-braun, als es ſich ſchick- te, zog einen braunen Rock an, ſetzte eine ſchwartz- braune liederliche Peruqve uͤber meine zuſammen gebundenen Haare, legte einen groſſen Schwedi- ſchen Degen auf die Schulter, und einen gruͤnen Quer-Sack druͤber, band auch einen mit etwas verſilberten Meßing beſchlagenen Streich-Riemen vorn an die Bruſt, machte alſo eine Figur, wie ein liederlicher Scheer-Knecht oder Barbier-Geſelle, ging Vormittags um 10. Uhr, des halben Wegs, auf diejenige Straſſe, wo ich wußte, daß der Schul- meiſter von rechts wegen herkommen mußte, legte mich hinter ein Geſtraͤuche, und wartete mit Schmertzen auf deſſen Ankunfft, war auch um 12. Uhr ſo gluͤcklich, denſelben zu erblicken, ſtund dero- i 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/147
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/147>, abgerufen am 27.04.2024.