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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

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die Universität Leipzig gezogen, derowegen konte
mich Ehren halber nicht länger bey dem alten Herrn
aufhalten, nahm also vor dißmahl Abschied, empfing
abermahls eine Ritter-Zehrung von 6. Ducaten, und
kehrete wieder zu meinem jungen Cavalier nach
Halle. Selbiger brachte so wohl als ich seine Zeit,
den gantzen Herbst und Winter über, sehr fleißig
zu. Jm Februario des 1716. Jahres aber, ver-
kauffte ich alle meine unnöthige Sachen mit gutem
Vortheil, erhandelte abermahls ein paar gute
Kläpper, und wartete nur auf das Fräulein Char-
lotten,
welche selbsten nach Halle zu kommen verspro-
chen hatte. Sie stellete sich endlich im Mittel des Fe-
bruarii
ein, überlieferte mir 100. Thlr. baar Geld, und
vor so viel Geld allerley Geschmeide, welches ich gar
bequem bey mir führen konte, da aber meine Aller-
liebste vielerley zu verrichten hatte, und sich noch selbi-
gen Tages auf die Rückreise begeben mußte, wurde
unser Abschied kürtzlich, jedoch dermassen zärtlich ge-
macht, daß wir beyderseits in Thränen zu zerfliessen
vermeineten, doch da es nicht anders seyn wolte,
fchwuren wir einander nochmahls ewig feste Treue,
und schieden von einander.

Noch selbigen Abend setzte ich einen Brief an
den Herrn von V.** auf, ihm mein Vorhaben zu er-
öffnen, und zugleich schrifftl. Abschied zu nehmen,
weil ich von dessen Güte dermassen überhäufft wor-
den, daß mich schämen müßte, wiederum vor seine
Augen zu kommen, bis ich eine würckliche Ober-
Officiers-Bedienung erhalten. Von meinem jun-
gen Cavalier nahm ich gleichfalls recht zärtlichen
Abschied, empfing von ihm über meinen versproche-

nen

die Univerſitaͤt Leipzig gezogen, derowegen konte
mich Ehren halber nicht laͤnger bey dem alten Herrn
aufhalten, nahm alſo vor dißmahl Abſchied, empfing
abermahls eine Ritter-Zehrung von 6. Ducaten, und
kehrete wieder zu meinem jungen Cavalier nach
Halle. Selbiger brachte ſo wohl als ich ſeine Zeit,
den gantzen Herbſt und Winter uͤber, ſehr fleißig
zu. Jm Februario des 1716. Jahres aber, ver-
kauffte ich alle meine unnoͤthige Sachen mit gutem
Vortheil, erhandelte abermahls ein paar gute
Klaͤpper, und wartete nur auf das Fraͤulein Char-
lotten,
welche ſelbſten nach Halle zu kommen verſpro-
chen hatte. Sie ſtellete ſich endlich im Mittel des Fe-
bruarii
ein, uͤberlieferte mir 100. Thlr. baar Geld, und
vor ſo viel Geld allerley Geſchmeide, welches ich gar
bequem bey mir fuͤhren konte, da aber meine Aller-
liebſte vielerley zu verrichten hatte, und ſich noch ſelbi-
gen Tages auf die Ruͤckreiſe begeben mußte, wurde
unſer Abſchied kuͤrtzlich, jedoch dermaſſen zaͤrtlich ge-
macht, daß wir beyderſeits in Thraͤnen zu zerflieſſen
vermeineten, doch da es nicht anders ſeyn wolte,
fchwuren wir einander nochmahls ewig feſte Treue,
und ſchieden von einander.

Noch ſelbigen Abend ſetzte ich einen Brief an
den Herrn von V.** auf, ihm mein Vorhaben zu er-
oͤffnen, und zugleich ſchrifftl. Abſchied zu nehmen,
weil ich von deſſen Guͤte dermaſſen uͤberhaͤufft wor-
den, daß mich ſchaͤmen muͤßte, wiederum vor ſeine
Augen zu kommen, bis ich eine wuͤrckliche Ober-
Officiers-Bedienung erhalten. Von meinem jun-
gen Cavalier nahm ich gleichfalls recht zaͤrtlichen
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[126/0140] die Univerſitaͤt Leipzig gezogen, derowegen konte mich Ehren halber nicht laͤnger bey dem alten Herrn aufhalten, nahm alſo vor dißmahl Abſchied, empfing abermahls eine Ritter-Zehrung von 6. Ducaten, und kehrete wieder zu meinem jungen Cavalier nach Halle. Selbiger brachte ſo wohl als ich ſeine Zeit, den gantzen Herbſt und Winter uͤber, ſehr fleißig zu. Jm Februario des 1716. Jahres aber, ver- kauffte ich alle meine unnoͤthige Sachen mit gutem Vortheil, erhandelte abermahls ein paar gute Klaͤpper, und wartete nur auf das Fraͤulein Char- lotten, welche ſelbſten nach Halle zu kommen verſpro- chen hatte. Sie ſtellete ſich endlich im Mittel des Fe- bruarii ein, uͤberlieferte mir 100. Thlr. baar Geld, und vor ſo viel Geld allerley Geſchmeide, welches ich gar bequem bey mir fuͤhren konte, da aber meine Aller- liebſte vielerley zu verrichten hatte, und ſich noch ſelbi- gen Tages auf die Ruͤckreiſe begeben mußte, wurde unſer Abſchied kuͤrtzlich, jedoch dermaſſen zaͤrtlich ge- macht, daß wir beyderſeits in Thraͤnen zu zerflieſſen vermeineten, doch da es nicht anders ſeyn wolte, fchwuren wir einander nochmahls ewig feſte Treue, und ſchieden von einander. Noch ſelbigen Abend ſetzte ich einen Brief an den Herrn von V.** auf, ihm mein Vorhaben zu er- oͤffnen, und zugleich ſchrifftl. Abſchied zu nehmen, weil ich von deſſen Guͤte dermaſſen uͤberhaͤufft wor- den, daß mich ſchaͤmen muͤßte, wiederum vor ſeine Augen zu kommen, bis ich eine wuͤrckliche Ober- Officiers-Bedienung erhalten. Von meinem jun- gen Cavalier nahm ich gleichfalls recht zaͤrtlichen Abſchied, empfing von ihm uͤber meinen verſproche- nen

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/140>, abgerufen am 27.04.2024.