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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

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der Herr von V.** seine Söhne so lange von der
Universität zurücke hielt, da doch selbige selbst täg-
lich wiederum nach Halle zu kommen wünschten.
Jch, der ich mich täglich an der Mathematique mit
ihnen exercirte, wurde bis dato noch von allen lieb
und werth gehalten, doch am allerliebsten von mei-
ner englischen Charlotten. Jnzwischen gingen wir
beyde vor andern Leuten dermassen unpassionirt mit
einander um, daß auch die Allerklügesten nichts we-
niger, als eine würckliche Liebes-Verbindung von
uns praesumiren konten, ohngeacht Charlotte den
von mir empfangenen diamantenen Verlöbniß-
Ring, täglich an ihrem Finger trug, worgegen sie
mir einen kostbaren Petschafft Ring verfertigen, und
verblümter weise den mehresten Theil von ihrem
Stamm-Wappen, wiewohl nach eigener Invention
etwas verändert, hinein setzen lassen.

Solchergestalt verfloß die Helffte des strengen
Winters, derowegen hielt ich mit meiner Geliebten
geheimden Rath, worinnen endlich das, auf bey-
den Seiten schmertzlich fallende Urtheil gesprochen
wurde, daß ich um Fast-Nachten, meine Reise
nach Wien antreten, und dieserwegen von meinem
Patron beglaubte Attestate, Reise-Paesse und Re-
commendations-
Schreiben auswürcken solte.
Jch observirte also eines Tages die gute Gelegen-
heit meinem Principalen vorzustellen: Wie nun-
mehro, da ich durch seine unverdiente gnädige Hülffe
in solchen Stand gesetzt worden, mein Brod in Zu-
kunfft selbst zu verdienen, es mir zur Sünde und
Schande gereichen würde, wenn ich dessen Gnade
ferner mißbrauchen, und nicht allein hier auf der

Bären-
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der Herr von V.** ſeine Soͤhne ſo lange von der
Univerſitaͤt zuruͤcke hielt, da doch ſelbige ſelbſt taͤg-
lich wiederum nach Halle zu kommen wuͤnſchten.
Jch, der ich mich taͤglich an der Mathematique mit
ihnen exercirte, wurde bis dato noch von allen lieb
und werth gehalten, doch am allerliebſten von mei-
ner engliſchen Charlotten. Jnzwiſchen gingen wir
beyde vor andern Leuten dermaſſen unpaſſionirt mit
einander um, daß auch die Allerkluͤgeſten nichts we-
niger, als eine wuͤrckliche Liebes-Verbindung von
uns præſumiren konten, ohngeacht Charlotte den
von mir empfangenen diamantenen Verloͤbniß-
Ring, taͤglich an ihrem Finger trug, worgegen ſie
mir einen koſtbaren Petſchafft Ring verfertigen, und
verbluͤmter weiſe den mehreſten Theil von ihrem
Stamm-Wappen, wiewohl nach eigener Invention
etwas veraͤndert, hinein ſetzen laſſen.

Solchergeſtalt verfloß die Helffte des ſtrengen
Winters, derowegen hielt ich mit meiner Geliebten
geheimden Rath, worinnen endlich das, auf bey-
den Seiten ſchmertzlich fallende Urtheil geſprochen
wurde, daß ich um Faſt-Nachten, meine Reiſe
nach Wien antreten, und dieſerwegen von meinem
Patron beglaubte Atteſtate, Reiſe-Pæſſe und Re-
commendations-
Schreiben auswuͤrcken ſolte.
Jch obſervirte alſo eines Tages die gute Gelegen-
heit meinem Principalen vorzuſtellen: Wie nun-
mehro, da ich durch ſeine unverdiente gnaͤdige Huͤlffe
in ſolchen Stand geſetzt worden, mein Brod in Zu-
kunfft ſelbſt zu verdienen, es mir zur Suͤnde und
Schande gereichen wuͤrde, wenn ich deſſen Gnade
ferner mißbrauchen, und nicht allein hier auf der

Baͤren-
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[115/0129] der Herr von V.** ſeine Soͤhne ſo lange von der Univerſitaͤt zuruͤcke hielt, da doch ſelbige ſelbſt taͤg- lich wiederum nach Halle zu kommen wuͤnſchten. Jch, der ich mich taͤglich an der Mathematique mit ihnen exercirte, wurde bis dato noch von allen lieb und werth gehalten, doch am allerliebſten von mei- ner engliſchen Charlotten. Jnzwiſchen gingen wir beyde vor andern Leuten dermaſſen unpaſſionirt mit einander um, daß auch die Allerkluͤgeſten nichts we- niger, als eine wuͤrckliche Liebes-Verbindung von uns præſumiren konten, ohngeacht Charlotte den von mir empfangenen diamantenen Verloͤbniß- Ring, taͤglich an ihrem Finger trug, worgegen ſie mir einen koſtbaren Petſchafft Ring verfertigen, und verbluͤmter weiſe den mehreſten Theil von ihrem Stamm-Wappen, wiewohl nach eigener Invention etwas veraͤndert, hinein ſetzen laſſen. Solchergeſtalt verfloß die Helffte des ſtrengen Winters, derowegen hielt ich mit meiner Geliebten geheimden Rath, worinnen endlich das, auf bey- den Seiten ſchmertzlich fallende Urtheil geſprochen wurde, daß ich um Faſt-Nachten, meine Reiſe nach Wien antreten, und dieſerwegen von meinem Patron beglaubte Atteſtate, Reiſe-Pæſſe und Re- commendations-Schreiben auswuͤrcken ſolte. Jch obſervirte alſo eines Tages die gute Gelegen- heit meinem Principalen vorzuſtellen: Wie nun- mehro, da ich durch ſeine unverdiente gnaͤdige Huͤlffe in ſolchen Stand geſetzt worden, mein Brod in Zu- kunfft ſelbſt zu verdienen, es mir zur Suͤnde und Schande gereichen wuͤrde, wenn ich deſſen Gnade ferner mißbrauchen, und nicht allein hier auf der Baͤren- h 2

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/129>, abgerufen am 27.04.2024.